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Film der Woche: "Halloween"
Time's up, Michael!

Seit 40 Jahren mordet Serienkiller Michael Myers im Kino: "Halloween" gehört zu den langlebigsten Reihen der Filmgeschichte. Die elfte Ausgabe knüpft jetzt an das Original von 1978 an. Doch die weibliche Hauptfigur Laurie Strode ist im Jahr 2018 #MeToo-bewegt und "Time´s up!"-gestärkt.

Von Jörg Albrecht | 23.10.2018
    Szene aus dem Film "Halloween" (2018): Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) und Michael Myers (Jim Courtney)
    Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) konfrontiert Michael Myers (Jim Courtney) in der neuen "Halloween"-Ausgabe (imago stock&people / Ryan Green / Universal)
    "Na, wenigstens das musikalische Motiv ist noch dasselbe" werden sich die Fans des Originals von 1978 bei den zig Fortsetzungen, Ablegern und Neuverfilmungen gedacht haben. Über alles andere aber breitet man besser den Mantel des Schweigens aus. An die Qualität vom ersten "Halloween", der einen wie auf Autopilot agierenden Serienmörder als Verkörperung des "absolut Bösen" präsentierte und der durch seine Schockmomente faszinierte, kam keiner der späteren Filme mehr heran.
    "Der leibhaftige Tod ist in Ihre kleine Stadt gekommen, Sheriff. Sie können ihn ignorieren oder mir helfen ihn aufzuhalten."
    "Auch wieder so eine fantastische Geschichte."
    Eine Geschichte, die jetzt – und das ist der Kniff der neuen Ausgabe – so weitergedreht wird, als habe es nie einen anderen "Halloween"-Film gegeben als den allerersten. Alles zurück auf Anfang also oder – genauer gesagt – zurück an das blutige Ende jener Halloween-Nacht vor 40 Jahren!
    Das Opfer von damals will nicht mehr länger ein Opfer sein
    Die junge Laurie Strode aus dem Ort Haddonflield, auf die es der aus der Psychiatrie entflohene Michael Myers abgesehen hatte, konnte damals den Showdown überleben. Denn Myers war von mehreren Kugeln getroffen worden und von einem Balkon in die Tiefe gestürzt. Im Schlussbild war der scheinbar Getötete oder wenigstens Schwerverletzte dann allerdings verschwunden.
    "Seit dieser schrecklichen Nacht sitzt er wieder in der psychiatrischen Anstalt in Gefangenschaft."
    So die simple Erklärung für die vergangenen 40 Jahre. Doch vergessen hat ihn niemand in Haddonfield. Erst recht nicht Laurie, die – genau wie auch die Familie ihrer Tochter – immer noch in der Kleinstadt lebt.
    "Zum Jahrestag ist keiner aus der Familie zurechnungsfähig."
    "Ich meine, deine Großmutter ist Laurie Strode. Sie wurde fast ermordet."
    "Wissen Sie, dass ich jede Nacht dafür bete, dass er ausbricht?"
    "Wieso um alles in der Welt tun Sie das?"
    "Damit ich ihn umbringen kann."
    Hört, hört! Das Opfer von damals will nicht mehr länger ein Opfer sein. Aus dem Teenager ist mittlerweile eine Großmutter geworden. Und die wird immer noch von Jamie Lee Curtis gespielt, die nach dem ersten "Halloween" den Titel der "Scream-Queen" verliehen bekommen hat.
    Doch Schreien war gestern. Die Frau im Jahr 2018 – #MeToo-bewegt und "Time´s up!"-gestärkt – lässt sich nicht mehr unterdrücken, ist keinem Mann mehr hilflos ausgeliefert. Der neue "Halloween"-Film befindet sich damit ganz auf der Höhe der Zeit. Ihre Entschlossenheit wie auch Verbitterung lebt Jamie Lee Curtis mit jeder Faser ihres Körpers.
    "Er ist ein Mörder. Aber heute Nacht wird er ermordet. Happy Halloween, Michael!"
    Grusel von der Stange
    Man sollte allerdings nicht vergessen, dass nur ein Jahr nach dem ersten Auftritt von Michael Myers bereits ein anderer Monsterfilm das Bild von der wehrlosen Frau eingemottet hat. 1979 überlebte Sigourney Weaver als Ellen Ripley in "Alien" als Einzige einer Crew eine hochaggressive außerirdische Spezies.
    Besser spät als nie könnte das Motto von Laurie Strode lauten. Deren Gebete jedenfalls sind erhört worden, denn Michael Myers ist auf einem Gefangenentransport die Flucht gelungen.
    "Er hat auf diese Nacht gewartet. Er hat auf mich gewartet. Ich habe auf ihn gewartet."
    Und der Zuschauer 40 Jahre auf eine Fortsetzung, die dem Original verpflichtet ist und Respekt erweist. Regisseur David Gordon Green gelingt das mit spannungsvollen szenischen Auflösungen. So folgt die Kamera Michael Myers manchmal minutenlang oder umkreist ihn. Allerdings ist die Geschichte erneut einfach gestrickt, die Handlung überschaubar und die Gewalt drastischer.
    Der Horrorfilm wird hier nicht neu erfunden – wie es die Schocker dieses Jahres, "A Quiet Place" und "Hereditary – Das Vermächtnis", geschafft haben. "Halloween" 2018 ist Grusel von der Stange.
    "Sie glauben nicht an den Schwarzen Mann? Das sollten Sie!"