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Film "Zorn der Wölfe"
Jean-Jacques Annauds neue Freiheit in China

Wegen seines Tibet-Films war Regisseur Jean-Jacques Annaud in der Volksrepublik einst in Ungnade gefallen - nun verfilmte er dort für 40 Millionen Dollar "Zorn der Wölfe". Der Film nach einem chinesischen Bestseller geht mit der Umweltzerstörung hart ins Gericht - das Thema ist auch in China kein Tabu mehr.

Von Ruth Kirchner | 13.02.2015
    Der französische Filmregisseur Jean-Jacques Annaud
    Der französische Filmregisseur Jean-Jacques Annaud (AFP / Damien Meyer)
    Wölfe sind keine einfachen Schauspieler. Dass musste auch Jean-Jacques Annaud bei der Verfilmung des Natur-Epos "Zorn der Wölfe" erfahren, eine dramatische Geschichte über die Umweltzerstörung in Nordchina und die delikate Balance zwischen Mensch und Natur.
    "Eines der Probleme mit Wölfen ist, dass sie Rudeltiere sind. Damit hat man nicht einen Schauspieler, sondern zehn. Und wenn einer in Position gebracht ist, schnüffeln die anderen neun herum und sind mit anderen Dingen beschäftigt. Darum haben die Dreharbeiten so lange gedauert."
    500-köpfige Filmcrew mit 50 Tiertrainer
    Sechs Jahre hat die Verfilmung gedauert, denn für den Film mussten extra junge Wölfe herangezogen werden. Mit einer Crew von 500 Leuten, darunter 50 Tiertrainer, drehte der 71-jährige Franzose dann einzigartige Tieraufnahmen unter harten klimatischen Bedingungen. Die Geschichte dreht sich um einen Studenten aus Peking, der sich in den 60er-Jahren während Maos Kulturrevolution zum Arbeitseinsatz im Grasland meldet und von der Lebensweise der mongolischen Nomaden und von den Wölfen tief beeindruckt ist. Der aber auch erleben muss, wie die Lebensgrundlage der Nomaden zerstört wird.
    "Ich war total überrascht, als ich das Buch las. Dies ist vermutlich das beeindruckendste Buch über die Notwendigkeit einer Balance zwischen Mensch und Natur und den Schutz der Natur. Geschrieben von einem Chinesen und dann war es auch noch ein Riesenerfolg. Das hat mich regelrecht umgehauen."
    Schon das Buch von Jiang Rong war eine kleine Sensation. Denn hinter dem Pseudonym verbirgt sich ein Tian'anmen-Dissident von 89. Dennoch ließ die Zensur das Buch 2004 zu, es wurde ein Bestseller in China und in 39 Sprachen übersetzt. Dass ausgerechnet Annaud diesen Roman verfilmt ist genauso überraschend. Denn nach "Sieben Jahre in Tibet" mit Brat Pitt in der Hauptrolle war der Franzose in China eigentlich nicht mehr erwünscht. Trotzdem wurde er geholt. Und: Man gab ihm keine Vorgaben.
    Annaud hatte völlige Freiheit
    "Ich war nie so frei wie diesmal. Die Produzenten tauchten für einen Nachmittag auf dem Set auf, aber nie im Schneideraum. Ich habe ihnen den fertigen Film gezeigt und sie waren zufrieden. Sie haben mich in Ruhe gelassen. Ich weiß, dass ist ungewöhnlich ist."
    Umweltzerstörung ist allerdings längst kein Tabu mehr in China. Und die politische Botschaft des Films, die Suche nach persönlicher Freiheit, hat Annaud entschärft. Das bittere Ende des Romans ließ er einfach weg. Aus Überzeugung, wie er sagt.
    "Ich habe den Film nach meinen Wünschen gemacht. Und meine anderen Filme haben auch meist ein positives Ende. Ich hasse es, aus dem Kino zu kommen und deprimierter zu sein, als beim Reingehen."
    Kritisch geht der Film allerdings mit den Partei-Funktionären um, deren Politik zur Zerstörung des Graslandes führte. Auch das ist ungewöhnlich für China, wo die Zensur sonst schon harmloseste Szenen aus James-Bond-Filmen herausgeschnitten hat, weil sie China angeblich in schlechtem Licht zeigten. Die neue Freiheit für Annaud mag Gründe haben: Mit der französisch-chinesischen Koproduktion will China nämlich endlich auch den internationalen Markt erobern und hofft, das "Zorn der Wölfe" nächstes Jahr ins Rennen um die Oscars geht.