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Filmemacher der ersten Stunde

Der niederländischstämmige Amerikaner Cecil B. DeMille war 1913 einer der ersten Filmemacher, die in Hollywood drehten. Der Filmregisseur und Produzent war später mitbeteiligt am Aufbau der Paramount-Studios. Seine monumentalen Werke und sein Erfindungsgeist machten ihn zu einem Großen der Filmbranche.

Von Ingo Kottkamp | 12.08.2006
    Das gab es nicht oft in der Filmgeschichte. Zu Beginn des dreieinhalbstündigen Bibelepos "Die Zehn Gebote" tritt der Regisseur, ein eleganter älterer Herr, vor einen geschlossenen Theatervorhang. Mit wenigen, aber gewichtigen Worten erläutert er seinem Publikum die Bedeutung und den moralischen Gehalt des Werks - fast eine präsidiale Ansprache. Aber es ist eben kein gewöhnlicher Regisseur, der da spricht: Es ist Cecil B. DeMille.

    Als "Die Zehn Gebote" 1956 abgedreht waren, konnte Cecil B. DeMille auf eine 43-jährige Karriere als Regisseur und Produzent zurückblicken. Kein anderer war je so lange ein Machtfaktor im Filmgeschäft. DeMille war 1913 auch einer der ersten, die in Hollywood drehten.

    Geboren wurde er am 12. August 1881 in Massachusetts. seine Vorfahren waren niederländische Einwanderer. Aus einer Theaterfamilie stammend, arbeitete er als Bühnenschauspieler, Autor und Regisseur, bevor er den Stummfilm für sich entdeckte. Er war überaus produktiv und erfolgreich: Western wie "The Call of the North", Melodramen wie "The Cheat" oder Opernadaptionen wie "Carmen" wurden von der Kritik bewundert für kluge Schnitttechnik, innovativen Einsatz des Lichts und prachtvolle Ausstattung - und sie machten Kasse. Nach über 50 Filmen gelang ihm, der für Lernfähigkeit und Technikbegeisterung bekannt war, auch der Sprung in die Tonfilm-Ära.

    DeMille wollte schon früh mehr sein als nur Regisseur. Er war mitbeteiligt am Aufbau der Paramount-Studios, wo er die meisten seiner Filme drehte. Zwischenzeitlich saß er auch im Vorstand einer Fluggesellschaft und einer Bank. Zur öffentlichen Person wurde der Filmstar paradoxerweise durch den Rundfunk, als er in den 30er und 40er Jahren im Lux Radio Theater Hörfassungen bekannter Filme präsentierte.

    Sein Name war zur Marke geworden, und Cecil B. DeMille pflegte diese Marke mit viel Sinn fürs Showgeschäft. Seine Tochter nannte er Cecilia, sein Enkel hieß wieder Cecil, und seine Geschäftsadresse lautete 2010 DeMille Drive in Hollywood.

    Auf dem Filmset zeigte sich DeMille mit knielangen Schaftstiefeln. Er drehte in der Tiefsee, im Flugzeug und auf Pyramiden - seine Zuschauer konnten darauf vertrauen, immer wieder neue Sensationen geboten zu bekommen. Der Jesusfilm "King of Kings" zeigt eine Orgie zu biblischen Zeiten, in "Madam Satan" geht ein Zeppelin in Flammen auf, in "Reap the Wild Wind" kämpft John Wayne mit einem Riesenkraken. DeMilles Vorliebe für große Stoffe und aufwändige Inszenierungen setzte sich immer mehr durch. Filme wie "Samson and Delilah" etablierten das Genre des Monumentalfilms - von bösen Zungen auch Sandalenfilm genannt -, das in der gigantischen Produktion der "Zehn Gebote" gipfelte.

    Derartige Materialschlachten mussten unweigerlich Kritik und Spott auf sich ziehen. Schon DeMilles Stummfilm "Carmen" wurde von Charlie Chaplin parodiert. Diese Kette ist bis in die Gegenwart nicht abgerissen: John Waters, der Meister des Undergroundfilms, zeigte 2000 einen wahnsinnigen Regisseur, dessen Name unüberhörbar auf das Vorbild anspielt.

    Es ist leicht, sich über pathetische Zelluloidepen lustig zu machen, aber es wäre falsch, Cecil B. DeMille, der vier Jahrzehnte lang die Filmwelt mit den unterschiedlichsten Genres geprägt hat, heute auf dumpfen Monumentalismus zu reduzieren. Die berühmteste Reminiszenz an ihn zeichnet da ein freundlicheres Bild. In Billy Wilders Klassiker "Sunset Boulevard "spielt Cecil B. DeMille sich selbst. Er gibt den Altmeister der goldenen Stummfilmzeit, der sich aber weiterentwickelt hat und immer noch erfolgreich ist - anders als die Hauptdarstellerin, eine alternde Stummfilmdiva. Sie verewigt ihn mit einem der berühmtesten Sätze der Filmgeschichte: "Ja, Mr. DeMille, ich bin fertig für meine Großaufnahme."

    Cecil B. DeMille starb 1959 über den Plänen zu einem Raumfahrerfilm. Wie hätte der Altmeister dieses futuristische Genre gestaltet? Eine reizvolle Vorstellung. Schade, dass uns dieser letzte Film - es wäre sein 71. gewesen - versagt geblieben ist.