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Filmförderung vom Finanzamt:

„Steuerwahnsinn - Deutsche Steuerzahler finanzieren Hollywood-Filme“ lautete die Schlagzeile über einem Monitor-Beitrag letzte Woche, und das Magazin rechnete darin unter anderem vor, dass in den vergangenen Jahren mehr als 12 Milliarden Euro aus Deutschland nach Hollywood geflossen sind. Der Grund: Deutsche Investoren bekommen in der Regel die Hälfte ihrer Hollywood-Investitionen vom Finanzamt wieder. Heißt konkret: das Finanzamt, mithin der Steuerzahler, finanziert die amerikanische Filmindustrie. Ich habe dazu Michael Schmidt-Osbach, den Leiter der Filmstiftung NRW, der mit Filmfördermodellen bestens vertraut ist, gefragt, wie dieses Modell genau funktioniert, und warum eigentlich?

Michael Schmid-Ospach, Leiter der Filmstiftung NRW im Gespräch | 18.02.2003
    SCHMID-OSPACH: Es funktioniert, weil es Firmen gibt, die dieses Modell anbieten und weil es Finanzämter, die die steuerlichen Möglichkeiten eines solchen Modells querschreiben nach Direktiven natürlich des Bundesfinanzministers, und es ist das, was wir vor Jahren schon damals eher geringschätzig aus Hollywood hörten, nämlich stupid German money, dummes deutsches Geld, und inzwischen ist es nicht mehr dummes Geld, sondern es ist sehr begehrtes Geld, und es sind viele daran interessiert, dass dieses Geld weiterhin so fließt, nämlich dass Menschen, die meinen, vom Finanzamt Geld zurückkriegen zu können, ein Stück Feld in diese Fonds einbringen und dann auf jeden Fall etwas bei der Steuer zurückholen und am Ende, wie das bei diesen Abschreibungsmodellen nun mal ist - früher waren es Schiffe, heute sind es Filmfonds -, denken, irgendwann kriegen sie ihr Geld zurück. Das jedenfalls ist nicht ganz sicher.

    DLF: Wenn von Titanic bis Herr der Ringe II Filme über solche Fonds finanziert werden, und zwar, wie man hört, ähnlich wie die Bauherrenmodelle vornehmlich von deutschen Zahnärzten, dann hat das ja jedenfalls mit Kultur nicht viel zu tun, oder?

    SCHMID-OSPACH: Also ich möchte jetzt Zahnärzte und Kultur nicht gegeneinander ausspielen, insbesondere da es nicht nur Zahnärzte sind, sondern es sind einfach gutverdienende Menschen, die jeden Strohhalm nehmen, um Steuern zu sparen. Darüber ärgert sich seit langem der Finanzminister, und er wollte dieses Loch eigentlich ganz schließen, und dann hat die Filmindustrie natürlich, die in Deutschland sehr begrenzt von diesem Modell profitiert, gesagt, na gut, wenn ein bisschen was davon auch nach Deutschland käme, dann wäre es für alle schön, und ich glaube, da läuft im Moment auch eine Einigung zwischen dem Wirtschaftsminister und dem Finanzminister und der Kulturministerin, dass man versucht, dieses Geld für die Filmbranche zu erhalten, und wenn da Wege gefunden werde, kann sich jemand wie ich, der Filmförderung betreibt, nur freuen, wenn mehr Geld in Filme geht, insbesondere weil die Filmindustrie in Deutschland, verglichen mit den internationalen Partnern, eigentlich ziemlich unterfinanziert ist.

    DLF: Sie haben es schon gesagt, das ist eine Anlagemöglichkeit für Menschen, die zu viel Geld haben. Der deutsche Film ist doch für solche Modelle schlicht zu unattraktiv. Man hat ja keine Ahnung, ob man dieses Geld wieder herausbekommt, geschweige denn, ob man mehr Geld herausbekommt.

    SCHMID-OSPACH: Na gut, das Risiko auch bei amerikanischen Filmen ist genauso gigantisch. Also die Chance, an amerikanischen Filmen etwas zu verdienen, ist einfach etwas größer, aber die Chance, Geld zu verdienen, ist in Amerika auch gut. Was eigentlich eine Menge Leute ärgert ist, dass hier nicht nur Geld in Titanic oder Gangs of New York fliegt und hin und wieder auch mal in einen europäischen Film - leider viel zu selten -, sondern es ärgert die Leute, dass es drittklassige Geschäftemacher auch im Bereich der Fonds gibt. Es sind ja höchst unterschiedlich seriöse Fonds. Da gibt es in der Branche ein böses Wort, die sagen, da werden Filme finanziert, die wollen gar nicht ins Kino, sondern die wollen nur, dass alle Beteiligten viel Geld daran verdienen, und dann legt man den Film zu den Akten. Das ist ein bisschen zugespitzt, aber das ist die Gefahr, dass es hier wirklich nur ums Geld und es damit gar nichts mehr mit Kultur zu tun hat und ausschließlich fünftklassige Streifen, die man nun wirklich nicht produzieren müsste, dabei entstehen.

    DLF: Was kann man denn tun? Eine Kulturverträglichkeitsprüfung für Finanzmodelle einführen?

    SCHMID-OSPACH: Nein, das ist ein bisschen schwierig. Ich finde aber, da hat offenbar diese Regierung nicht richtig die Kraft dazu oder fühlt sich unter Zeitdruck - ich weiß es nicht -, notwenig wäre es, dass man ein Modell schafft, meinetwegen auf Zeit, das Filmproduktion in Europa, in Deutschland als eine Art Anschubgebiet ansieht und von daher steuerliche Vorteile verschafft. Interessant wäre, dass die deutschen und europäischen Filme auch von Staat, wie das in England und Frankreich seit Jahrzehnten üblich ist, über die steuerliche Seite noch stärker unterstützt würden.

    DLF: Was genau muss passieren, damit dieses Geld nicht mehr nach Hollywood abfließt, sondern in den deutschen Filmtöpfen landet, beispielsweise bei Ihnen?

    SCHMID-OSPACH: Bei uns weniger, also ich denke, dass die Förderung und diese andere Form, mit öffentlichem Geld umzugehen, gut getrennt bleiben sollten. Das sind zwei ganz verschiedene Regelkreisläufe, die manchmal zusammengehen, aber nicht automatisch - dann wäre es eine staatliche Doppelförderung -, aber es müsste einen Erlass aus dem Bundesfinanzministerium geben, das solche Dinge unterstützt, Filmproduktionen in Europa. Ich sehe aber nicht, dass es so etwas gibt, sondern es gibt eigentlich nur die Frage, dass der Transfer nach Hollywood verlängert wird und dass ein bisschen auch an Europa oder Deutschland gebunden wird durch Selbstbindungsmodelle der Branche. Es ist ja nicht gottgegeben, dass wir in Europa keine erfolgreichen Filme machen könnten. Wir sehen es ja immer wieder, dass auch aus kleineren, mittleren und großen Filmen, die eben nicht aus Hollywood kommen, trotzdem Erfolge entstehen, von Amelie bis jetzt gerade Good bye, Lenin.

    DLF: Vielen Dank für das Gespräch.

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