Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Filminstallation „Amos´ World“
Poltergeist-Kapitalismus

Um den Film „Amos´ World“ von Cécile B. Evans sehen zu können, müssen Museumsbesucher in Holzboxen klettern. Dort sitzen sie ganz alleine in bedrückender Atmosphäre. Der Plot bleibt rudimentär und unverständlich. Eine Allegorie über Vereinzelung, soziale Kälte und den digitalen Raum?

Von Peter Backof | 27.05.2019
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Ein Ausschnitt aus dem Film "Amos' World" der Künstlerin Cécile B. Evans (Cécile B. Evans / Emanuel Layr Galerie, Vienna and Rome)
Ein Film über ein Riesenhochhaus als Biotop, das macht Kopfkino und lässt Amüsantes erwarten: Die Nachbarn. Sie wohnen, sie intrigieren, sie machen Liebe. Doch in "Amos´ World", der Name der gewaltigen Fiktion der belgisch-US-amerikanischen Künstlerin Cécile B. Evans, ist alles anders. Auch die Menschen.
"Wir haben das Internet und digitale Technologie seit mindestens 30 Jahren. Ich denke, die Menschheit hat eine neue Evolutionsstufe erreicht."
Wirklich, auch im biologischen Sinn?
"Na, wir verarbeiten Informationsmengen wie nie zuvor Das Problem dabei ist jedoch, dass wir Entscheidungen abgegeben haben, an Unternehmen und Konzerne, die Informationsvergabe über Algorithmen regeln. Wir müssten diese Algorithmen loswerden, die die sozialen Medien regieren. Dann könnten wir schon viel weiter sein."
Eine smarte, neue Welt
Das beschreibt einigermaßen präzise, was los ist, im Hochhausblock von "Amos´ World". Die Mieter sind untereinander vernetzt; eine smarte, neue Welt. Doch meistens sitzen sie alleine in ihren stylishen Waben - grübeln oder weinen. Die Mülleimer quellen über, die Gemeinschaftsräume bleiben leer. Dieser Block ist verflucht. Das hatte Amos, genialischer Architekt alter Schule und Hauptfigur des Films, sich ganz anders gedacht.
"My intent is to bring you the basic pleasures of life."
Menschen glücklich machen und als Stararchitekt in die Geschichte eingehen. Diesen "Masterplan" dekonstruiert Cécile Evans schon alleine dadurch, dass sie Amos als Puppe animiert, "nur" 60 Zentimeter groß. Amos, weißer Mann mittleren Alters, eine Witzfigur?
"He´s boring!"
Keine politische Agenda
Er langweilt die Künstlerin. Und Amos ist wirklich eine Marionette. Es geht nicht um glückliche Mieter im Haus, sondern um den Profit der Investoren. Cécile Evans lebt in London, wo einige neoliberale Entwicklungen ihren Anfang nahmen.
Zum Beispiel die, dass Mieter in einem Haus auch mal Störfaktoren sind: Ohne sie ist ein Haus mehr wert. Cécile Evans indes verfolgt keine politische Agenda, kein Links-rechts: "Ich glaube nicht, dass Begriffe wie Utopie oder Dystopie besonders konstruktiv sind. Ich glaube generell nicht an binäre Systeme, Ja-nein, männlich-weiblich... Die Architektur ist in dem Sinn Werkzeug der Bildgestaltung und Hyperobjekt: Etwas, das alles durchdringt und für eine höhere Ordnung, ein Übergeordnetes steht."
"Eine Kabine. Eng! Hier ist der Kopfhörer."
Schwenk in den realen Raum des Museums Abteiberg. Um "Amos´ World" überhaupt sehen zu können, muss man in einen Raum im Raum klettern. Die Situation ist: Surreal, kafkaesk. Kommunikation von Guckkasten zu Guckkasten. Für mich: Bedrückend! Mit dem Gucken eines Films, schön bequem vom Sofa aus oder zum Zeitvertreib in der Bahn, hat das gar nichts zu tun.
Da ist ein brutalistischer Park, Pentagon-förmig und von Wasser umspült. Ein Garten des Grauens? Ein "Hyperobjekt": die Brunnenarchitektur sieht aus wie ein Firmenlogo. So bildet sich im Kleineren das größere Ganze ab: die kapitalistische Weltordnung. Menschen haben angefangen, Symptom des Systems zu sein, verhalten sich systemkongruent, führt Cécile Evans die Evolutionstheorie weiter.
"Aber das muss nicht alternativlos sein. Wir müssten den Kapitalismus dezentralisieren, das Weißsein dezentralisieren, denn solche Hyperstrukturen behindern unsere Evolution."
Immerhin originell
Es gibt keinen Status quo, alles ist immer im Fluss und es kommt darauf an, was man – gemeinsam - daraus macht, sagt Cécile Evans. Es geht ins Philosophische, Anthropologische, ins Eingemachte.
Für mich: Schwer zu fassen und unzugänglich. Keine Kunst zum Konsumieren! Sondern Kunst, die erst entsteht, in dem man sich gewissermaßen einloggt und Teil des Streams wird. Eine Erfahrung, die die technische Welt strukturell miteinbezieht. Und das ist immerhin originell.