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Filmkritik „Cold War“
Die Liebe in Zeiten des Kalten Krieges

Zula und Wiktor können nicht ohne einander, aber miteinander machen sie sich das Leben auch schwer. Pawel Pawlikowski erzählt in „Cold War“ eine existenzielle Liebesgeschichte im Nachkriegseuropa. In Cannes wurde der Film schon ausgezeichnet, für den Europäischen Filmpreis ist er mehrfach im Rennen.

Von Maja Ellmenreich | 22.11.2018
    Im Rausch der Liebe: Wiktor (Tomasz Kot) und Zula (Joanna Kulig) sind wie füreinander geschaffen
    Im Rausch der Liebe: Wiktor (Tomasz Kot) und Zula (Joanna Kulig) sind wie füreinander geschaffen (© Neue Visionen Filmverleih)
    Der Pianist und Komponist Wiktor zieht durch das ländliche Nachkriegspolen und zeichnet Volkslieder und –melodien auf, lässt sich das alte Musikerbe vorsingen und vorspielen, um es zu konservieren und wiederzubeleben. Für ein eigenes Musik- und Tanzensemble castet er junge Talente: darunter auch Zula, eine herbe Schönheit, eine willensstarke, junge Frau mit einer dubiosen kriminellen Vergangenheit – sie ist so ganz das Gegenteil von dem schöngeistigen, feingliedrigen Wiktor, den stets ein Hauch Melancholie umweht.
    Die Liebesgeschichte von Zula und Wiktor ist die Geschichte eines Paares, das sich vor Sehnsucht zueinander verzehrt, aber – wenn es dann trotz der widrigen politischen Umstände mal zusammen ist – auch nicht auf Dauer miteinander kann. Wie die "Königskinder" aus der berühmten Ballade, die einander so lieb haben, aber doch nicht lebend zueinander finden.
    Die Musik als dritte Hauptfigur
    Nach Pawlikowskis Film "Ida", der 2015 mit dem Auslands-Oscar gekrönt wurde, hat der polnische Regisseur auch "Cold War" in Schwarz-Weiß und in einem fast quadratischen Format mit scharfen Kontrasten gefilmt. Die Musik spielt, neben Zula und Wiktor, die dritte Hauptfigur: Sie ist zugleich Kommunikationsmittel und Gradmesser für die Anpassungsbereitschaft der Protagonisten. Durch die Musik können sie zeigen, wie sehr sie es schaffen, sich einer Lebenswelt, einem politischen System zu fügen. Und dieses heikle Unterfangen wird zum Prüfstein für das Paar.
    Wuchtige Geschichte mit beeindruckender Bildsprache
    Doch Pawel Pawlikowski bezieht nicht Stellung in seinem Film über den Kalten Krieg. Vielmehr stellt er mit "Cold War" große Fragen: Wie sehr ist man bereit, für das richtige Leben, für die große Liebe und seine Überzeugungen einzustehen? Die Antworten füllen die beiden Hauptdarsteller Joanna Kulig als Zula und Tomasz Kot als Wiktor mit unglaublicher Energie. Hinzu kommt die eindrucksvolle Bildgestaltung: komponiert bis ins letzte Detail – und doch nicht gekünstelt. Es macht Pawlikowskis Meisterschaft aus, dass er die emotionale Wucht der Geschichte flankiert mit einer durchdachten Bildsprache.