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Filmproduzent Artur Brauner gestorben
Ein Leben für die Leinwand

Vom leichten Unterhaltungsfilm bis zur ambitionierten Literaturverfilmung: Rund 500 Filme produzierte Artur Brauner - mit nationalen und internationalen Stars. Sein besonderes Engagement galt dabei auch der filmischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Mit 100 Jahren ist Artur Brauner gestorben.

Von Wolfgang Martin Hamdorf | 07.07.2019
Artur Brauner bei einer Gala in Berlin anlässlich des 70-jährigen Bestehens von Brauners Filmfirma CCC am 23.09.2016
Filmproduzent Arthur Brauner im Jahr 2016 (imago/Spöttel Picture)
Ein einsamer Rächer reitet durch menschenleere Weiten: "Freddy und das Lied der Prärie" - halb Western, halb Schlagerfilm aus dem Jahre 1964. Gedreht in der jugoslawischen Karstlandschaft und im Filmstudio Spandau-Haselhorst. In West-Berlin und im westlichen Nachkriegsdeutschland wurde Artur Brauners "Central Cinema Compagnie" CCC Filmkunst GmbH zum Synonym vielfältigen und von Kritikern oft als anspruchslos bemängelten Unterhaltungsfilms. Die Bandbreite reichte von Arztmelodramen, Brauners "Weißkittelfilmen", über monumentale Ausstattungsfilme, seinen so genannten "Monsterfilmen", bis hin zu Jugendbandendramen, Western und Krimis.
Artur Brauner hatte ein Gespür fürs Publikum, aber manchmal kam er zu spät: Als ihm etwa sein schärfster Konkurrent Horst Wendlandt von der Rialto die Filmrechte für Karl Mays Winnetou Romane wegschnappte und auch die Krimis des britischen Erfolgsautoren Edgar Wallace. Oder als 1968 sein Monumentalfilm "Kampf um Rom" an den Kinokassen floppte, weil die opulenten Ausstattungsfilme den Geschmack der Zuschauer nicht mehr trafen.
Arbeit mit internationalen Stars
Er arbeitete mit internationalen Stars wie Lex Parker oder Orson Welles und besonders mit den charismatischen Darstellern des westdeutschen Nachkriegsfilms, wie Maria Schell, Curd Jürgens, Sonja Ziemann und O.W.Fischer und auch mit großen Filmregisseuren, die das NS-Regime ins Exil nach Hollywood getrieben hatte: wie Fritz Lang, Robert Siodmak und auch William Dieterle.
Über Jahrzehnte hinweg wurde Artur Brauner zur Legende, weil er auch nach Brüchen und Zäsuren, wie dem Kinosterben nach der Einführung des Fernsehens, der Pleite seiner Studios, oder der harschen Kritik des Jungen deutschen Films weiter produzierte. Artur Brauner suchte den breiten Publikumsgeschmack um Spielraum für ambitionierte Projekte zu haben, wie er bereits 1958 zu seinem 40. Geburtstag betonte:
"Ja, das war meine Absicht von Anfang an, Filme, die mir liegen, zwischendurch herzustellen und diese Filme zu finanzieren durch die Filmen, die mir nicht so am Herzen liegen..."
Schlagerfilm und Literaturverfilmung
Etwa 500 Filme produzierte Artur Brauner seit 1947. Neben heiterem und ernstem Genre auch schwungvolle Schlagerfilmen mit Katerina Valente und Peter Alexander:
"Damit haben Sie kein Glück, in der Bundesrepublik. Wir tanzen lieber Tango bei zärtlicher Musik. Drum wird aus jedem Stück, in der Bundesrepublik, wenn man es ganz genau besieht, ein Tangolied..."
Sein Name stand aber auch für ambitionierte Literaturverfilmungen wie Gerhard Hauptmanns Dramen "Die Ratten" oder "Vor Sonnenuntergang" oder Vicky Baums Roman "Menschen im Hotel". Aber sein wichtigstes Anliegen war von Anfang an die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im Film:
"Ja, ich habe ein Gelübde abgegeben. Wenn ich überlebe, das irre Nazisystem, das Naziregime, dann würde ich den Toten, den wehrlosen Opfern ein Denkmal schenken."
Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im Film
Artur Brauner wurde am 1. August 1918 als Abraham Brauner in Lodz als Sohn eines jüdischen Holzhändlers geboren. Nach der Besetzung Polens durch die Nazis gelang ihm die Flucht über die sowjetische Grenze. Seine dritte Produktion "Morituri" aus dem Jahre 1948 schildert mit autobiographischen Elementen das Überleben einer Gruppe flüchtiger KZ-Häftlinge in den Wäldern im polnisch- russischen Grenzgebiet. Aber der Film scheiterte an der Kinokasse. In der unmittelbaren Nachkriegszeit hatte das Publikum kein Interesse an Vergangenheitsbewältigung.
Aber Brauner kehrte in den kommenden Jahrzehnten immer wieder zu seinem zentralen Thema zurück. Bei der deutschen Filmkritik blieb Brauners Engagement umstritten. Die Holocaustfilme des erfolgreichen Unterhaltungsproduzenten waren vielen nicht seriös genug. Dabei waren die mehr 20 Filme, die den Opfern des NS-Regimes gewidmet sind, wie "Der 20. Juli", "Die Weiße Rose", "Hitlerjunge Salomon", oder "Der letzte Zug" im Ausland durchaus erfolgreich. "Hitlerjunge Salomon" wurde 1992 mit dem Golden Globe als bester nicht englischsprachiger Film ausgezeichnet und die Filme über die NS-Zeit sind das wichtigste Vermächtnis des Produzenten Artur Brauner.
"Die Aufgabe, die ich mir gestellt habe, diejenigen Massen, hauptsächlich die Jugend, die, wie soll ich sagen, unentschieden ist, diejenigen, die ein Fressen sind für die Neonazis, wenn es geht, diese absorbieren, dass sie, sobald sie so einen Film gesehen haben, wie "Schindler", oder "Hitlerjunge Salomon" oder "Die Weiße Rose", dass sie dann gerettet sind vor der Nazi-Epidemie, dass sie nicht mehr anfällig sind bei den Schreihälsen, bei denjenigen, die sich nach Hitler sehnen und Hess' Geburtstag feiern."