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Filmströmung Nová Vlna
Die Entdeckung des Alltags

Mit der Nová Vlna entwickelten tschechoslowakische Filmschaffende in den 60ern eine neue, radikale Bildsprache. Es sei die Welle gewesen, die am meisten mit den gesellschaftlichen Umbrüchen jener Jahre verbunden war, sagte der Medienwissenschaftler Andreas Rauscher im Dlf.

Andreas Rauscher im Corsogespräch mit Christoph Reimann | 25.01.2019
    Der US-amerikanische Schauspieler Jack Nicholson (M) in einer Szene des Milos-Forman-Films "Einer flog über das Kuckucksnest" aus dem Jahr 1979. Nicholson spielt den Strafgefangenen McMurphy, der - um einem Arbeitslager zu entgehen - "verrückt" spielt und sich in eine Nervenheilanstalt einweisen läßt. Zunächst kann er Spaß und Abwechslung in den monotonen und oft unmenschlichen Alltag der Heiminsassen bringen, doch schließlich scheitert er und wird durch eine Gehirnoperation seiner Persönlichkeit beraubt. Der Film, entstanden nach dem Bestseller-Roman von Ken Kesey, wurde 1976 mit vier Oscars ausgezeichnet (Regie, bester Film, beste/r Hauptdarsteller/in). |
    Miloš Forman feierte später mit "Einer flog übers Kuckucksnest" auch in Hollywood Erfolge. (United_Artists)
    "Ganz ähnlich wie in der Nouvelle Vague begann man, den Alltag zu entdecken", sagte Buchherausgeber Andreas Rauscher im Dlf über die Filmschaffenden der Nová Vlna.
    Vertreterinnen und Vertreter der Neuen Welle in der Tschechoslowakei der 60er-Jahre waren etwa Miloš Forman, Věra Chytilová oder Jaromil Jireš.
    "Man war nicht zufrieden mit dem, was in den Kinoproduktionen zu sehen war und richtete die Aufmerksamkeit auf kleine, anekdotische, episodische Alltagsgeschichten."
    In der Tschechoslowakei der 60er sei dies besonders gewesen, denn die meisten Filme seien zu jener Zeit im Stil des sozialistischen Realismus inszeniert. Sie hätten die Arbeiterklasse auf eine Weise gefeiert, die den Filmerinnen und Filmern der Novà Vlna missfallen habe.
    Wir haben noch länger mit Andreas Rauscher gesprochen – hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    "Neue Wellen" in der Filmkunst habe es in verschiedenen europäischen Länder gegeben. "Wahrscheinlich war die Nová Vlna diejenige Welle, die am stärksten tatsächlich mit den gesellschaftlichen Umbrüchen einer Zeit verbunden war", sagte Andreas Rauscher. Nicht nur seien die oft gesellschaftskritischen Werke auf Filmfestspielen gezeigt worden, sie seien auch in der Tschechoslowakei auf eine breite Öffentlichkeit gestoßen.
    Andreas Rauscher ist Mitherausgeber des Sammelbandes "Tschechoslowakische Neue Welle. Die Filmwunder der Sechziger".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Jonas Engelmann, Andreas Rauscher, Josef Rauscher (Hg.): "Tschechoslowakische Neue Welle. Das Filmwunder der Sechziger"
    Ventil Verlag Mainz, 2019. 352 Seiten, 25 Euro.