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Finanzexperte: Banken müssen versuchen, Geld zu verdienen

Ein Privatkredit mit einem Zinssatz von 0,9 bis 2,1 Prozent wie bei Christian Wulff sei ein Angebot, was man als Normalkunde nicht bekomme, so Hermann-Josef Tenhagen, "Finanztest"-Chefredakteur. Üblich seien eher dreieinhalb bis vier Prozent, die Banken müssten schließlich versuchen, Geld zu verdienen.

Hermann-Josef Tenhagen im Gespräch mit Dirk Müller | 23.12.2011
    Dirk Müller: Zunächst also ein Privatkredit zu vier Prozent, dann kam es noch günstiger für den Häuslebauer Christian Wulff. Nach der Ablösung des Unternehmerdarlehens ging der damalige Regierungschef von Niedersachsen an die BW-Bank mit einem Zins von 0,9 bis 2,1 Prozent. Das war Anfang 2010. Bei uns über Studio zugeleitet ist nun Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Verbraucherzeitschrift "Finanztest". Guten Tag!

    Hermann-Josef Tenhagen: Guten Tag.

    Müller: 0,9 bis 2,1 Prozent, war das ein Ministerpräsidenten-Bonus?

    Tenhagen: Jedenfalls ist das ein Angebot, was man als Normalkunde, als Privatkunde nicht bekommt. Wenn Sie eine Baufinanzierung machen, dann haben Sie 2008, als er das erste Darlehen aufgenommen hat, mindestens 4,7, 4,8 Prozent bezahlt, und 2010 hätten Sie mindestens dreieinhalb Richtung vier Prozent bezahlt. Beides ist sehr ungewöhnlich und eigentlich gänzlich unüblich. Das macht man möglicherweise mit Unternehmern, die dann sozusagen Geschäftskonten und Privatkonten in großem Umfang bei einer Bank haben, dass da Gelder so gewährt werden, aber das ist sehr, sehr, sehr unüblich.

    Müller: Wenn so was möglich ist, was die BW-Bank jetzt gemacht hat – ich habe das versucht, schnell auszurechnen, bin nicht so gut in Mathematik -, dann hat Christian Wulff demnach zwei, drei Prozent gespart im Gegensatz zum normalen Kreditnehmer. Wenn das so üblich ist beziehungsweise wenn die Banken so weit gehen, dann könnte man sagen, dass die normalen Kunden immer abgezockt werden?

    Tenhagen: Ich glaube, dass die Banken ja versuchen müssen, Geld zu verdienen, und das tun sie bei den normalen Kunden. Das tun sie übrigens auch bei solchen 1a-Kunden, denen günstige Konditionen an einer Stelle gewährt werden und die an anderer Stelle hohe Provisionen oder Gebühren zahlen, um da Geld zu verdienen. Das weiß man nicht so genau.

    Erstaunlich ist halt nur, wenn man in einem anderen Bundesland, also weit weg von zu Hause, von einer Landesbank einen günstigen Kredit, einen supergünstigen Kredit, einen ungewöhnlichen Kredit bekommt. Das erstaunt, wobei das müssen die Beteiligten mal erklären, wie oft sie solche Kredite vergeben, an Privatpersonen, an Leute, die keine Geschäftskonten da haben. Das kann ich sonst nicht beurteilen.

    Müller: Sie haben keinerlei Erkenntnisse, dass so was auf der anderen Seite Usus ist gegenüber Prominenten, gegenüber Politikern?

    Tenhagen: Ich habe keinerlei Erkenntnisse, weil das ist auch nicht das, womit wir uns beschäftigen bei "Finanztest". Wir gucken, was ein normaler Kunde an Konditionen bekommt, und wir informieren darüber, wo ich als Normalkunde hingehen kann und was günstig ist. Ich habe wie gesagt noch mal reingeschaut. Herbst 2008 waren 4,6, 4,7 Prozent üblich für einen Kredit und von jemand, der wirklich eine gute Bonität hatte, und eigentlich auch nicht 120 Prozent der Bausumme. Das war auch gänzlich unüblich in der Zeit. Eineinhalb Jahre später wären halt zwischen dreieinhalb und vier Prozent drin gewesen. Das wäre das, was eine gute Kondition für einen guten Kunden gewesen wäre, so wie die, die unsere Hefte lesen, und das sind auch Universitätsprofessoren, Rechtsanwälte und Ärzte.

    Müller: Einen Universitätsprofessor, nämlich Jürgen Falter, haben wir ja eben interviewt. Der hat tatsächlich gesagt, er hat es jedenfalls so interpretiert – wir wollen ihn jetzt einmal sinngemäß wiedergeben -, er hat tatsächlich für einen Kredit zwei Zehntel-Prozentpunkte weniger bekommen, weil er sagte, er sei jetzt bekannt aus dem Fernsehen. Ist das vorstellbar?

    Tenhagen: Vorstellbar ist das. Allerdings würde ich da Bedenken haben, wenn das so ist, weil man hat ja dann immer die Frage, was will mir denn die Bank damit sagen. Soll ich jetzt demnächst bei einem Werbespot oder beim Testimonial auftreten?

    Müller: Aber Sie kennen ja viele Bankmanager beziehungsweise auch Bankverantwortliche. Worin liegt die Motivation, Privilegien zu gewähren?

    Tenhagen: Na ja, das ist aber was anderes. Ob das jetzt ein Privileg ist an der Stelle? Es ist eher so, dass auch Leute wie Herr Falter und wer prominent ist und wo möglich auch kundig ist in diesen Dingen immer bei der Bank natürlich einen Vorteil hat, weil man ganz anders verhandelt, weil man dann sich nicht mit dem ersten Angebot zufriedengibt. Das ist das, was wir unseren Lesern ja auch immer empfehlen. Wenn sie eine Baufinanzierung machen und nach zehn Jahren refinanzieren müssen und gehen zu ihrer Bank und sagen, ich will bei euch refinanzieren, und Sie gehen nirgendwo anders hin, bezahlen Sie zwei, drei, vier Zehntel mehr, als wenn Sie sich zwei oder drei Konkurrenzangebote einholen und dann erst zu Ihrer Bank gehen und sagen, ich habe übrigens von der benachbarten Volksbank oder Sparkasse den Kredit drei Zehntel preiswerter bekommen. Das bekommen Sie dann von Ihrer Hausbank normalerweise auch. Diese Art von Privileg, das ist ein Privileg der, wenn Sie so wollen, Informierten, derjenigen, die sich da stärker reinhängen und auch Kompetenzen irgendwann erworben haben, das zu tun. Das ist Marktwirtschaft, so ist die eben. Was schwierig ist, wenn bei diesen Privilegien die Erwartung von Gegenleistungen existiert.

    Müller: Da weiß man nie genau, was in der Zukunft kommt, ob die Möglichkeit besteht, Gegenleistungen zu bringen oder nicht. - Aber kommen wir noch mal auf einen anderen Umstand zurück. Was wir heute Morgen in der Redaktion versucht haben zu recherchieren – wir haben uns natürlich auch gewundert -, Zinssatz 0,9 bis 2,1 Prozent, Sie haben es eben noch mal gesagt, im Grunde dreieinhalb bis vier hätte bezahlt werden müssen. Wir haben dann irgendwo im Internet die Zeile gelesen, das sind Zinsen, die sonst nur gehobene Privatkunden bekommen. Was sind gehobene Privatkunden?

    Tenhagen: Gehobener Privatkunde sind Sie, wenn Sie zu einer Bank oder einer Sparkasse gehen und sagen, Sie bringen ein Depot mit einer Million in Wertpapieren mit, haben sowieso das Haus bezahlt, oder haben eine Firma im Kreuz. Dann sind Sie gehobener Privatkunde.

    Müller: Oder die CDU?

    Tenhagen: Das kann und mag ich nicht beurteilen.

    Müller: Kein Eigenkapital hat der Ministerpräsident gehabt.

    Tenhagen: Na ja, aber er hat ein Einkommen als Ministerpräsident, das ordentlich ist, würde ich jetzt mal von ausgehen, ohne dass ich das Ministerpräsidenteneinkommen in Niedersachsen kenne.

    Müller: …, wobei man ja nicht weiß, wie lange so was gut geht.

    Tenhagen: Und Ministerpräsidenten, die dann ihr Amt abgeben oder verlieren, haben in der Vergangenheit auch in der freien Wirtschaft auch immer noch einen Job gefunden, der ordentlich bezahlt war. Also das ist schon jemand, der Kredite zurückbezahlen kann. Die Sorge hatte, glaube ich, die Bank nicht. Ob das ausreicht, um so eine Art von Kredit zu vergeben, das müssen Sie in Baden-Württemberg fragen. Ich finde das spannend. Ich weiß auch nicht, wie viele Kunden der BW-Bank diese Art von Konditionen von ihr bekommen haben im Jahr 2010.

    Müller: Ein guter Tipp von Ihnen, wir versuchen das in den nächsten Tagen. – Hermann-Josef Tenhagen bei uns im Gespräch im Deutschlandfunk, Chefredakteur der Verbraucherzeitschrift "Finanztest". Vielen Dank für das Gespräch.

    Tenhagen: Gerne. Tschüß!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.