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Finanzexperte: Lebensversicherung ist ein Auslaufmodell

Zum Januar des nächsten Jahres fällt der Garantiezins auf Lebensversicherungen von derzeit 2,25 Prozent auf 1,75 Prozent. Das gelte nur für die Neuabschlüsse ab 2012, sagt der Börsenkorrespondent Stefan Wolff. Lukrativ sei eine Lebensversicherung dann allerdings nicht mehr.

Stefan Wolff im Gespräch mit Britta Fecke | 23.02.2011
    Britta Fecke: Beim Aufbau der Altersvorsorge setzt der deutsche Bürger häufig auf die Lebensversicherung. In Deutschland gibt es mit über 90 Millionen Lebensversicherungen sogar erheblich mehr Verträge als Bürger. Es ist also fast jeder betroffen und viele gleich mehrfach, wenn es heißt, dass der Garantiezins für die Lebensversicherung ab dem 1. Januar des nächsten Jahres kräftig sinken wird. Er soll von derzeit 2,25 Prozent auf 1,75 Prozent fallen. Ich bin jetzt mit unserem Börsenkorrespondenten Stefan Wolff in Frankfurt verbunden. Herr Wolff, ist tatsächlich jeder Vertrag betroffen, oder nur die neuen Abschlüsse ab dem Jahr 2012?

    Stefan Wolff: Nein. Es sind in der Tat nur die Neuabschlüsse, die vom 1.1.2012 an abgeschlossen werden. Die erhalten dann als Garantiezins 1,75 Prozent. Das ist der Zins, den dann die Versicherungsgesellschaften sich verpflichten, auf alle Fälle zu zahlen auf diese Verträge, egal was passiert an den Finanzmärkten. Dieser Zins ist dann sicher, aber er ist sicher auch sehr niedrig.

    Fecke: Die Kunden bekommen aber doch jährlich in der Regel mehr als nur diesen Garantiezins gutgeschrieben, oder?

    Wolff: Ja. Die Rendite einer Lebensversicherung setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Da ist einmal der Garantiezins, der jetzt abgesenkt wird auf 1,75 Prozent, und dann ist da die Überschussbeteiligung, das heißt das, was die Versicherungsgesellschaften an Gewinnen erwirtschaften. Das geben sie dann zum Teil an ihre Lebensversicherungen weiter. Diese Zinsen waren in der Vergangenheit relativ hoch auch gewesen, man konnte da ganz ordentliche Renditen erzielen. Vor einigen Jahren sogar sechs, sieben Prozent per annum waren da durchaus drin. Aber das hat sich natürlich gründlich geändert.

    Fecke: Diese Absenkung ist ja eine Reaktion auf die gesunkenen Zinsen am Kapitalmarkt, da die Versicherer das Geld ja vorzugsweise in Staatsanleihen anlegen. Dadurch haben sie derzeit große Probleme, attraktive Renditen zu erwirtschaften. Ist der Neuabschluss jetzt noch attraktiv für irgendwen?

    Wolff: Der Neuabschluss, der kann nicht mehr als attraktiv bezeichnet werden. Wenn man allein schon sieht, dass man sich ja als Versicherter mindestens 10, 20 Jahre, manche sogar 40, 50 Jahre, wenn sie das Ganze als Rentenversicherung zu Beginn ihres Berufslebens abschließen, sich mit diesem Zins an eine Gesellschaft binden, dann kann man das natürlich schon lange nicht mehr als lukrativ bezeichnen. Letztendlich ist es ja auch so, dass man ja nicht 100 Prozent seiner eingezahlten Beträge auch zu diesen 1,75 Prozent verzinst bekommt, sondern man muss da ja noch die Provisionen abziehen, die Verwaltungsgebühren und natürlich auch das Risiko, was man versichern lässt, und dann ist es natürlich jetzt auch schwierig, mit einer Überschussbeteiligung zu argumentieren seitens der Versicherer, denn die Versicherer müssen ja die Garantiezinsen der Vergangenheit auch weiter zahlen. Da gibt es noch Verträge, die laufen noch 10, 15, 20 Jahre, die haben teilweise Garantiezinsen, die über vier Prozent liegen, und die müssen natürlich erst einmal bedient werden.

    Fecke: Könnte sich die Situation denn ändern, wenn zum Beispiel die Zinsen wieder steigen infolge der derzeit drohenden Inflation und einer Zinswende?

    Wolff: Der Zins wird in Zukunft nach oben gehen. Das ist Konsens, das ist völlig klar. Die Leitzinsen liegen bei einem Prozent. Staatsanleihen werden in absehbarer Zeit sicherlich auch höher verzinsen müssen, damit man Anleger hinter dem Ofen hervorlocken kann, damit man die immensen Staatsschulden überhaupt refinanzieren kann. Aber es ist eben dann die Frage, ob man wirklich überhaupt noch eine Lebensversicherung abschließen sollte. Es handelt sich hierbei zweifelsohne um ein Auslaufmodell: erstens natürlich wegen dieser Struktur, die wenig transparent ist, dass man meistens nicht ganz genau weiß, wie viel wird denn da in die Versicherung einbezahlt, wie viel spare ich denn überhaupt an. Also das lohnt sich insgesamt eigentlich eher nicht.

    Fecke: Kunden werden ja in letzter Zeit zunehmend sogenannte fondsgebundene Lebensversicherungen angeboten. Sollte man sich darauf verlassen?

    Wolff: Die fondsgebundene Lebensversicherung, die nimmt dem Kunden ein bisschen Arbeit ab, die er sich mit ein bisschen Arbeit auch selber machen könnte, sprich die eigene Lebensversicherung zu basteln. Dann könnte man nämlich ganz klar trennen. Man sichert sein eigenes Risiko ab über eine Risikoversicherung und dann fängt man auf der anderen Seite an, eine feste Summe zu sparen. Das ist kein Kunststück, das kann man selber, wenn man einen Fonds-Sparvertrag abschließt. Dafür braucht man nun wirklich keinen Lebensversicherer.

    Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzung. - Unser Finanzexperte Stefan Wolff in Frankfurt war das.