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Finanzkrise in Spanien
Kleinanleger spüren noch immer Nachwirkungen

Spanien hat die Folgen der Finanzkrise noch immer nicht verdaut. Zumindest die Nachwirkungen sind deutlich spürbar, für viele Tausend spanische Kleinanleger. Sie ziehen vor Gericht, um an ihr Geld zu kommen. Das ist auch ein Geschäft - etwa für Rechtsanwälte.

Von Hans-Günter Kellner | 02.03.2016
    Spanien: Bankia Geschäftssitz im 'Puerta de Europa I' Hochhaus, Madrid.
    Die staatlich gerettete spanische Bank Bankia scheint die Krise hinter sich zu lassen. (dpa/picture-alliance/Daniel Kalker)
    Die Kleinanleger in der Kneipe im Madrider Arbeiterviertel Usera verstehen nicht viel von der Finanzwelt. Aber sie wurden betrogen, sind sie sich sicher, insbesondere von Rodrigo Rato, ehemals spanischer Wirtschaftsminister und Ex- Vorstandsvorsitzender der Madrider Sparkasse Caja Madrid, die sich später Bankia nannte und an die Börse ging. Rentner Antonio Barahona sagt:
    "Der Herr Rato hat das wunderbar organisiert, der wusste, wo er sich das Geld holen kann um seine Bank zu retten. Die einzigen Sparer in diesem Land sind doch die einfachen Arbeiter. Er hat uns bestohlen, das war wunderbar organisiert, um Bankia zu retten."
    Bank in Schieflage
    Ein Filialleiter hatte ihm zugesichert, neue Anteilspapiere würden zu sieben Prozent verzinst und seien sicher wie ein Festgeldkonto. Da habe er 68.000 Euro angelegt, erzählt Barahona. Jetzt weiß er: Die Sparkasse war da durch ihre Immobiliengeschäfte längst in Schieflage geraten. 2011 wurde aus der Sparkasse dann eine Bank. Bankia – so der neue Name. Auch die neuen Aktien wurden den Kleinanlegern angeboten. Der ehemalige Taxifahrer Pedro Campos ließ sich damals überzeugen:
    "Die von der Filiale riefen immer an, wenn etwas Geld auf dem Konto war. Hier gibt es was Gutes, sagten sie. Ich habe denen immer vertraut, war mein ganzes Leben lang Kunde der Sparkasse. Ich bin ja nicht der einzige Blöde hier, so viele sind betrogen worden."
    Und viele von ihnen haben geklagt. Mit Erfolg. Die Bank habe beim Börsengang verschwiegen, längst pleite zu sein. Das befand im Januar der Oberste Gerichtshof Spaniens und verurteilte Bankia dazu, den Kleinanlegern ihr Geld plus vier Prozent Zinsen zurückzuzahlen. Längst haben Rechtsanwälte mit der Finanzkrise ein lukratives Geschäftsfeld entdeckt. Die Sozietät Arriaga Asociados ist durch die Krise zu einer der größten Kanzleien Spaniens geworden. Heraus sticht sie jedoch nicht nur deswegen, sondern auch wegen ihres inzwischen landesweit bekannten Gründers, Jesús María Ruiz de Arriaga:
    "Ja, ich war Mönch. Und es stimmt auch, ich habe mein Jurastudium erst 2009 abgeschlossen. Aber das war, nachdem ich drei Hochschulstudien und drei Masterstudiengänge hinter mir hatte. Die darin erworbenen Kenntnisse haben mir natürlich sehr geholfen, diese Kanzlei aufzubauen."
    Copy-and-paste-Klagen
    Arriaga hatte selbst beim Kauf einer Wohnung, die nie fertiggestellt wurde, viel Geld verloren. Er klagte und gewann. Diese Klage wurde zum Muster für ähnliche Prozesse, die er für Freunde gewann. Damit war eine Geschäftsidee geboren. Denn auch die Klagen gegen Bankia folgten und folgen stets demselben Muster. Böse Zungen sprechen von Copy-and-paste-Klagen, Spaniens Tageszeitung "El País" von der "Industrialisierung des Anwaltsberufs":
    "Wir können den Mandanten eine standardisierte Behandlung der Fälle und die Qualität unserer Dienstleistung garantieren. Würden wir jeden Fall wie einen neuen behandeln, könnten sich Fehler einschleichen. Wir haben Spezialisten für die Aufnahme der Fälle, andere formulieren die Klageschrift und wieder andere kontrollieren noch einmal alle Papiere, die vor Gericht eingereicht werden. So haben wir eine Erfolgsquote, die wohl kein anderes Büro der Welt erreicht."
    Bankia will nun freiwillig zahlen
    400 Rechtsanwälte beschäftigt seine Kanzlei inzwischen. Sie vertreten rund 25.000 Kleinanleger mit Bankia-Aktien und gewinnen fast jeden Fall, sagt Arriaga, der sich selbst weder als Robin Hood noch als Krisengewinner sehen will, sondern schlicht als guten Juristen. Zeitungen berichten, das Büro habe alleine 2015 und nur durch die Aktien-Klagen 43 Millionen Euro an Honoraren eingenommen. So wundert es nicht, dass Bankia nun lieber freiwillig zahlen will. Doch Arriaga will nicht auf seine Honorare verzichten:
    "Natürlich ist es für einen Kleinanleger nicht sinnvoll, jetzt auf das Angebot von Bankia einzugehen, wenn er sich schon einen Rechtsanwalt genommen hat. Bankia wird ihm die bislang entstandenen Klagekosten ja nicht ersetzen. Die Meisten werden darum weiter klagen. Die Gerichte verurteilen Bankia ja dazu, auch die Prozesskosten zu übernehmen. Unsere Kunden wollen ihr ganzes Geld wieder haben, ohne Abstriche."
    Antonio Barahona und Pedro Campos trauen den großen Kanzleien nicht. Dem Rat von Arriga folgt Pedro Campos trotzdem:
    "Bankia hat angerufen. Sie sagen, sie wollen mich auszahlen. Ich habe denen aber in der Filiale gesagt, dass ich die Klage nicht zurückziehe. Ich habe ja schon Anwalts- und Gerichtskosten gehabt. Ich ziehe das jetzt durch, bis zum Ende."