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Finanzmarkt
Was die Stresstests bei Europas Großbanken leisten

Die Bücher der Banken werden zurzeit in einer Art Bilanz-TÜV und in einem anschließenden Stresstest der Bankenaufseher in Europa durchleuchtet. In diesem Test werden Krisensituationen simuliert und die Reaktion der Banken darauf. Doch Misstrauen bleibt, ob diese Maßnahmen wirklich den klaren Blick auf den Zustand der Banken erlauben.

Von Brigitte Scholtes | 21.05.2014
    Die Hochhauskulisse der Bankenmetropole Frankfurt am Main ragt hinter dem Stadtteil Sachsenhausen hervor.
    Eine einheitliche Bankenaufsicht, ein System zur Sanierung und Abwicklung von Banken und eine gemeinsame Einlagensicherung, damit soll verhindert werden, dass der Steuerzahler für die Rettung von Banken herhalten muss. (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Wie steht es um die Banken in Europa? Das ist die Gretchenfrage, der sich die Branche in diesem Jahr stellen muss. Denn ihre Bücher werden zurzeit in einer Art Bilanz-TÜV und in einem anschließenden Stresstest der Bankenaufseher in Europa gründlich durchleuchtet. Die Aktionäre der Geldhäuser haben in den letzten Jahren entsprechend wenig Freude an ihren Investments gehabt.
    Das gilt auch für die Anteilseigner der Deutschen Bank, die sich an diesem Donnerstag zur Hauptversammlung treffen. Die Stimmung dürfte schlecht sein, denn der Kurs ihrer Aktie ist seit der letzten Hauptversammlung vor einem Jahr um etwa ein Fünftel abgerutscht. Ähnlich trist sieht es bei der Commerzbank aus, denn die Aufräumarbeiten in der Bank, die im Zuge der Bankenkrise 2009 zum Teil verstaatlicht wurde, dauern nun schon Jahre an. Und so klangen die Aktionäre bei der Hauptversammlung vor einigen Tagen in Frankfurt auch recht verhalten:
    "Ich denke, auf den Stresstest sind sie vorbereitet."
    "Die Intensität der Bereinigung könnte vielleicht etwas intensiver sein."
    "Ich glaube, man hätte andere Dinge machen sollen statt Schiffsfonds und Ähnliches. Da hat man ja Milliarden in den Sand gesetzt. Also ich hoffe, es geht bergauf und wir schauen nach vorn."
    Die Problemlage
    An der Commerzbank lässt sich der marode Zustand der Branche gut erkennen: Die zweitgrößte Großbank Deutschlands war überall mit dabei, wo es Schwierigkeiten gab in den letzten Jahren. Sie hatte reichlich investiert in Staatsanleihen der Krisenstaaten der Währungsunion, etwa Griechenland, Irland oder Portugal, musste also während der Krise darauf hohe Abschreibungen verbuchen. Sie hatte außerdem über ihre Tochter Eurohypo ein großes Portfolio an Immobilienkrediten, die ebenfalls drastisch an Wert verloren hatten. Dazu kam die Schiffsfinanzierung, die als Kerngeschäft der Commerzbank galt - bis die Krise auch in diesem Bereich ankam. Und dann war da noch die Übernahme der Dresdner Bank, womit sich das Kreditinstitut fast verhoben hätte, wäre der Staat nicht mit 18,2 Milliarden Euro an Hilfen eingesprungen.
    Inzwischen hat sich einiges getan, unter dem Strich erzielt die Bank wieder einen Gewinn. Und dennoch machte Commerzbank-Chef Martin Blessing auf der Hauptversammlung vor zwei Wochen seinen Aktionären zwar Mut, aber überschwänglich klang er nicht:
    "Der Umbau der Commerzbank kommt gut voran. Er ist aber noch lange nicht abgeschlossen. Noch sind wir nicht am Ziel. Und auf dem Weg dahin müssen wir uns auf Gegenwind einstellen. Denn der Wettbewerb im Geschäft mit Privatkunden und dem Mittelstand bleibt hart. Die Zinsen werden sich auf absehbare Zeit nicht zu unseren Gunsten entwickeln. Auch die Regulatoren halten uns weiter auf Trab. Und die Bedingungen im europäischen Bankenmarkt sind auch noch nicht vollständig absehbar."
    Gegen Jahresende dürfte es hier jedoch mehr Klarheit geben. Denn die Banken sollen nach dem Willen der europäischen Staats- und Regierungschefs stabiler werden. Das Ziel: Der Steuerzahler soll zukünftig nicht mehr so stark belastet werden, wenn die Banken einmal in Schwierigkeiten kommen. "Too big to fail", zu groß also, um sie pleite gehen zu lassen – das soll künftig nicht mehr gelten.
    Und so müssen sich die Geldhäuser zurzeit von den Aufsichtsbehörden tief in ihre Bücher schauen lassen, bevor sie sich dann im Sommer einem Stresstest unterziehen. Denn die Europäische Zentralbank möchte wissen, wie es um die Banken steht, bevor sie im November im Zuge der Bankenunion die direkte Aufsicht über die größten Kreditinstitute des Euro-Währungsgebietes übernimmt. Bei den Betroffenen herrscht indessen Nervosität. Aus gutem Grund, meint der Ökonom Martin Hellwig, Direktor am Max-Planck-Institut in Bonn:
    "Es gibt noch viele Leichen in den Kellern, es ist noch längst nicht alles aufgeräumt, versteckte Verluste bei allzu optimistischen Bewertungen. Es gibt insgesamt zu viele Banken. Der Wettbewerb in bestimmten Marktsegmenten ist extrem intensiv und das macht es schwer, Geld zu verdienen, ohne zu zocken."
    Die Aufräumarbeiten
    Das große Prüfen, Sortieren und Bewerten ist also angesagt. Denn die Bilanzprüfer schauen bei ihrem Test, dem "Asset Quality Review", bei bestimmten Anlagen ganz genau hin, erklärt Mark Wahrenburg, Professor für Bankbetriebslehre an der Universität Frankfurt:
    "Das sind Schiffskredite, das sind die Bewertungen von Sicherheiten im Bereich Commercial Real Estate, also Hotelanlagen, aber auch Ferienanlagen, Supermärkte etc., gerade die, die in südeuropäischen Ländern stehen. Banken, die dort ein besonders großes Finanzierungsausmaß haben, werden sicherlich die sein, die mit größerer Wahrscheinlichkeit noch mal zu einer Korrektur ihrer Bilanzen gezwungen werden."
    Es kommt also Bewegung in die Branche. Denn eine solche Korrektur der Bilanzen könnte bedeuten, dass schwierige Bereiche etwa im Immobiliengeschäft einfach abgestoßen werden. Damit jedenfalls rechnet Bankenexperte Dirk Schiereck, Professor an der Universität Darmstadt:
    "Wir erwarten, dass die Commerzbank sich jetzt endgültig von den Resten ihrer ehemaligen Eurohypo trennt. Also viele Geschichten, die über ein, zwei Jahre jetzt aufgeschoben wurden, liegen nun wirklich ganz oben auf den Prioritätenlisten bei den 'to dos' der Banken, und da erwarten wir sehr viel."
    Neben diesen Altlasten plagen die Geldhäuser in Deutschland vor allem strukturelle Probleme, erklärt Mark Wahrenburg von der Uni Frankfurt:
    "Wir haben in Deutschland extrem viele Banken, wobei Deutschland immer viele Banken haben wird, denn gerade die kleinsten Banken, die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen haben ein ausgezeichnetes und ein stabiles Geschäftsmodell. Aber insbesondere die Landesbanken, aber auch ein paar Spezialfinanzinstitute haben nicht die Größe, um im Wettbewerb dauerhaft überlebensfähig zu sein. Sie müssen sich entweder ändern oder sich zusammenschließen, ihr Geschäftsmodell neu ausrichten, oder im schlimmsten Fall wie die West LB tatsächlich vom Markt verschwinden."
    Um das abzuwenden haben die Landesbanken mit der Konsolidierung bereits begonnen - ihnen blieb nichts anderes übrig, denn gerade unter ihnen gab es einige, die sich in der Finanzkrise kräftig verhoben hatten. Darunter die WestLB, die auf Druck der EU-Kommission Mitte Juni 2012 in drei Teile aufgespalten wurde. Abgeschlossen ist diese Phase der Umstrukturierung im Bereich der Landesbanken jedoch noch lange nicht, ist Professor Schiereck überzeugt:
    "Die HSH Nordbank steht vor immer neuen Herausforderungen, und ob die wirklich jemals wieder auf gesunde Füße kommen wird, ist hochgradig unklar. Auch alles, was wir aus München von der Bayern LB hören, ist zwar dahingehend ermutigend, dass man dabei ist, sich neu aufzustellen. Aber dieser Prozess ist auch nicht abgeschlossen. Und selbst eine LBBW wird wohl noch einige Hausaufgaben zu machen haben, sodass eigentlich nur eine Helaba momentan in relativ ruhigem Fahrwasser fährt, und das zeigt, dass die überwiegende Zahl der Landesbanken eben noch nicht aus der Krise wirklich rausgekommen sind."
    Als stabil gelten hingegen die kleinen Volksbanken und Sparkassen. Die jedoch fürchten nun, im Zuge der Aufräumarbeiten benachteiligt zu werden, vor allem bei der europäischen Bankenunion. Deren Kontroll- und Sicherheitsmechanismen gelten schließlich für alle Kreditinstitute gleichermaßen. Eine einheitliche Bankenaufsicht, ein System zur Sanierung und Abwicklung von Banken und eine gemeinsame Einlagensicherung, damit soll verhindert werden, dass der Steuerzahler für die Rettung von Banken herhalten muss. Die kleinen Kreditinstitute aber beklagen sich laut, dass sie für die Fehler der großen Geschäftsbanken in Europa geradestehen sollen. So sagt Uwe Fröhlich, Präsident des BVR, des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken:
    "Es kann nicht darum gehen, europäische Großbanken auf Kosten kleiner Regionalbanken zu entlasten. Es ist auch nicht sinnvoll, im Markt gescheiterte europäische Banken im Wege gegenseitiger Kreditvergabe am Leben zu erhalten. Wir fordern daher nochmals sehr deutlich, die Beiträge zum Abwicklungsfonds an Risiken und Größe der Kreditinstitute auszurichten. Sonst finanzieren Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die in der Krise die Finanzmärkte stabilisiert haben, die Abwicklung ihrer europäischen, nicht überlebensfähigen Konkurrenz."
    Kritische Größe: Eigenkapital
    Im Wesentlichen aber soll es darum gehen, dass die Banken so stabil werden, dass sie in einer Krise nicht sofort umfallen und abgewickelt werden müssen. Dazu sind in den letzten Jahren die Anforderungen an das Eigenkapital, das sie halten müssen, deutlich erhöht worden. Diese Regeln sind international als Basel III bekannt, bis 2019 werden sie nach und nach umgesetzt. Sie schreiben den Geldhäusern vor, dass sie qualitativ besseres und quantitativ umfangreicheres Eigenkapital vorhalten müssen. Dafür ist eine Quote von acht Prozent festgelegt.
    An den strengeren Vorgaben von Basel III orientiert sich auch der anstehende Stresstest. Dabei müssen die Geldhäuser nachweisen, dass sie für 100 Euro an risikogewichteten Anlagen, etwa in der Form von Krediten, unter normalen Bedingungen mindestens acht Euro Eigenkapital vorhalten, unter besonderen Belastungen noch 5,50 Euro. Ende vergangenen Jahres gaben die 70 größten europäischen Banken in dieser Hinsicht kein allzu schlechtes Bild ab: Sie hielten durchschnittlich sogar 11,70 Euro je 100 Euro vor, so die Berechnung der Bankenaufseher. Und doch warnen Experten wie etwa Martin Hellwig, Direktor des Max-Planck-Instituts in Bonn. Er sieht zwar eine Verbesserung gegenüber der Zeit vor der Finanzkrise, aber das reiche bei Weitem nicht aus:
    "Was hat man gemacht? Man hat die risikogewichteten Anlagen gesenkt. Ist man weniger Risiken eingegangen? Kaum. Man hat einfach die Risikomodelle geändert. In der Praxis beobachten wir, dass die Banken immer sagen: 'Das Zeugs, was wir kaufen, ist praktisch nicht riskant.' Und das lassen die Regeln auch zu. Die Banken dürfen ihre eigenen Modelle verwenden, um die Risiken zu messen, was immer 'messen' hier heißen mag."
    Wirklich vertrauenerweckend ist das nicht. Aber selbst diese Überprüfung bereitet den Banken schon große Schwierigkeiten. Sie müssen entweder Kapital bei ihren Aktionären einsammeln oder Gewinne einbehalten, um ihre Kapitaldecke zu stärken. Die Deutsche Bank hat das zu Beginn der Woche schon angekündigt, auch wenn sie versichert, dass sie das nicht auf Druck der Aufseher getan habe. Dirk Schiereck von der Universität Darmstadt:
    "Ich glaube, die Ankündigung der Deutschen Bank über das Volumen, mit dem man jetzt doch neues Eigenkapital aufnehmen möchte, um sich zu stärken, zeigt schon, dass Verwerfungen noch anstehen. Und wenn eine Deutsche Bank ankündigt, noch Kapital aufzunehmen, kann es einen nicht verwundern, wenn andere Banken folgen werden. Ich erwarte also aus dem Stresstest heraus, dass noch mal eine große Runde an Eigenkapitalaufnahmen kommen wird, um die Bilanzstrukturen stabiler für zukünftige Krisen zu machen."
    Dazu müsste man vielleicht auch das Geschäftsmodell ändern. Die Deutsche Bank aber will zwar neue Aktien für weitere acht Milliarden Euro ausgeben - aber die benötigt sie auch, weil sie am umstrittenen Investmentbanking festhält. Das verursacht immer noch hohe Kosten, denn das Geschäft läuft nicht gut. Außerdem drohen weiterhin hohe Strafen für Rechtsrisiken. Und zu allem Überfluss will die Bank auch noch die Boni erhöhen, die vor allem den Investmentbankern zugutekommen. Ein Unding, meint Dieter Hein vom Analysehaus fairesearch:
    "Das liegt eigentlich überhaupt nicht im Interesse des Aktionärs, die Zeche muss er bezahlen, weil er muss frisches Kapital zuschießen, und seine Aktie verliert an Wert, weil die Rendite viel zu niedrig ist, und Kapitalerhöhungen sind immer Gift für die Börsenkurse. Warum er das mit sich machen lässt. Das müssen Sie die Aktionäre fragen."
    Mehr Stabilität ließe sich besser erreichen, wenn als Bewertungskriterium nicht nur die als riskant eingestuften Papiere einer Bank dienen würden, sondern vielmehr die gesamte Vermögensmasse. Die solle dann Grundlage für eine hohe Eigenkapitalquote sein, fordert Martin Hellwig in dem Buch "Des Bankers neue Kleider", das er zusammen mit seiner amerikanischen Kollegin Anat Admati von der Stanford University geschrieben hat. Das könnte die Banken stärker als bisher daran hindern, unverantwortlich hohe Risiken mit geliehenem Geld einzugehen. So sollte ja ein Häuslebauer etwa ein Fünftel seiner Immobilie aus eigenem Ersparten finanzieren können. Ein Maßstab, der auch den Banken guttäte, meint Hellwig. Statt drei Prozent wie heute hält er 20 bis 30 Prozent Eigenkapital für angemessen:
    "Die Zahl klingt sehr hoch, aber das liegt vor allem daran, dass die Zahlen, die wir jetzt haben, lächerlich niedrig sind. Wir sind in der merkwürdigen Situation, dass wir eigentlich seit den 30er-Jahren kein Banksystem mehr haben, dass ohne staatliche Subventionen, ohne explizite oder implizite Garantien auskommt. Und diese staatlichen Subventionen tragen dazu bei, dass es sich für die Banken lohnt, sich zu verschulden."
    Die Geldhäuser aber blocken Forderungen nach einer höheren Eigenkapitalquote gern ab. Sie warnen, dieses Geld fehle ihnen dann bei der Kreditvergabe an die Wirtschaft. Man müsse eine langfristige Perspektive einnehmen, meint hingegen Hellwig und erklärt das mit einem Blick zurück:
    "Den schlimmsten Einbruch der Kredite hatten wir im vierten Quartal 2008, auch den schlimmsten Einbruch des Wirtschaftswachstums seit der großen Weltwirtschaftskrise. Weil die Verluste, die die Banken in der Krise gemacht hatten, ihr Eigenkapital so aufgefressen hatten, dass sie bewegungsunfähig waren. Hätten die vorher mehr Eigenkapital gehabt, hätten sie diese Verluste besser überstehen können, und dann hätten sie mehr Kredite vergeben können."
    Die Versäumnisse der Politik
    Die Regulierer haben bisher eines ganz außer Acht gelassen: Für Staatsanleihen, die sie kaufen, müssen die Geldhäuser gar kein Eigenkapital vorhalten. Denn lange glaubte man, Staatsanleihen stellten kein Risiko dar, ein Staatsbankrott sei schließlich höchst unwahrscheinlich. In den Bankbilanzen werden sie deshalb als risikolos eingestuft. In den letzten Jahren ist aber Griechenland haarscharf am Bankrott vorbeigeschrammt, und auch den anderen Krisenländern trauten die Investoren lange nicht mehr. Es wäre deshalb vernünftig, auch bei Staatsanleihen einen Risikopuffer einzuführen, meint Mark Wahrenburg von der Universität Frankfurt:
    "Ein Land, was am Markt als riskanter wahrgenommen wird, an diesem Land würden die Banken dann entsprechend höhere Zinsen fordern müssen, weil sie mit Eigenkapital unterlegen."
    Das hielten die deutschen Banken zwar für vernünftig, aber vor allem die Regierungen in den südlichen Euro-Mitgliedsländern tun sich noch sehr schwer, dies zu ändern. Denn deren Anleihen werden vorrangig von den Banken in den jeweiligen Ländern gekauft. Damit haben sich diese Banken wieder mit eigentlich immer noch riskanten Staatspapieren belastet. Die Regierungen jedoch, die diese Staatsanleihen ausgeben, kommen auf diesem Weg wieder leichter an das dringend benötigte Geld für ihre Staatshaushalte. Sie haben also kein Interesse daran, diese riskante Praxis zu ändern.
    Und nicht nur die Krisenstaaten, sondern auch die Banken in den jeweiligen Ländern profitieren davon. Das sei politisch gewollt, erläutert Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut:
    "Wenn ich für ein Prozent oder inzwischen noch weniger das Geld von der EZB bekomme und lege es zu vier oder fünf Prozent in meinem eigenen Souverän an, mache ich eine schöne Marge, und wenn ich das ein paar Jahre machen kann, bin ich vielleicht wieder solvent."
    Um diesen Zusammenhang wissen die Notenbanker. Sie helfen mit den niedrigen Zinsen, zu denen sich die Banken verschulden können, auch der Politik. Aber sie erinnern die Regierungen auch beharrlich an ihre Rolle im Gesundungsprozess des Bankensystems, so wie vor wenigen Tagen EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger:
    "Den Schlüssel zur dauerhaften nachhaltigen Überwindung der Krise hält die Politik in der Hand und nicht die Notenbanken. Für die Mitgliedsstaaten der Eurozone heißt dies: Jetzt nicht zurücklehnen, sondern den Worten auch Taten folgen lassen, d. h. weiter konsolidieren, weiter reformieren, weiter am institutionellen Rahmen arbeiten."
    Die von der EZB so niedrig gehaltenen Zinsen jedoch können zwar helfen, die akute Krise zu überwinden. Auf Dauer aber sind sie sehr gefährlich, warnt der Frankfurter Professor Mark Wahrenburg. Er hält sie sogar für das größte Risiko derzeit: Denn wenn eine Trendwende eintritt und die Zinsen anziehen, dann müssen die Banken Kredite, die sie zu niedrigen Zinsen vergeben haben, teuer refinanzieren:
    "Daneben könnte ein Zinsanstieg auch noch den Kollaps einiger Märkte zur Folge haben. Immobilien, insbesondere vermietete Immobilien, sind in Deutschland extrem teuer geworden, weil einfach der Zins so niedrig ist. Auch die Aktienkurse sind sicherlich durch die niedrigen Zinsen so attraktiv."
    Wenn jedoch der Zins steigt, könnten die Anleger ihre Gelder umschichten, also Aktien massenhaft abstoßen, und das würde wieder Unruhe in die Finanzmärkte bringen.
    Die Aussagekraft des Stresstests
    Im Stresstest werden Krisensituationen simuliert und die Reaktion der Banken darauf. Die spannende Frage ist: Reicht die Kapitalausstattung auch beim sogenannten adversen Szenario, also bei plötzlichen Schocks oder in Zeiten der Rezession? Da erhoffen sich die Aufseher gute Einblicke in den tatsächlichen Zustand der Banken. Dieter Hein vom Analysehaus fairesearch warnt aber vor zu hohen Erwartungen an die Aussagekraft des Stresstests:
    "In der Finanzmarktkrise hat sich gezeigt, dass Krisen aufgetaucht sind und zu Schwierigkeiten geführt haben, die man gar nicht kannte. Und das ist das Problem von Banken und Versicherungen, das Gleiche gilt natürlich auch für Aufseher. Man kann nur die Risiken testen, die man kennt."
    Doch immerhin könnte der Stresstest dazu beitragen, dass das Vertrauen der Kreditinstitute untereinander wächst, glaubt Bankenexperte Schiereck:
    "Wenn der Stresstest jetzt wirklich perfekt funktioniert hat, dann sollte danach ja diese Unsicherheit über die Situation der Banken aus dem Markt sein, und der Interbankengeldmarkt sollte wieder anspringen. Wenn das nicht der Fall ist, haben wir damit auch die Interpretation der direkt Betroffenen zur Qualität des Stresstests."
    Sprich: Dann glauben die Banken selbst nicht an die Aussagekraft des Stresstests. Ein gewisses Misstrauen bleibt also, ob Bilanz- und Stresstest wirklich den klaren Blick auf den Zustand der Banken erlauben.
    Daran hegen möglicherweise sogar die Aufseher und Geldpolitiker leise Zweifel. Als Sabine Lautenschläger, die Vizechefin der neugegründeten EZB-Aufsichtsbehörde ist, vor wenigen Tagen als Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank verabschiedet wurde, erklang der Musiktitel "A Foggy Day". Wann sich allerdings der Nebel in der Bankenbranche lichtet, dazu wagt derzeit kaum jemand eine Prognose.