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Finanzpolitik in der Coronakrise
Brinkhaus (CDU): "Wir können uns aus der Krise nicht raussparen"

Im Umgang mit den wegen der Coronakrise wegbrechenden Steuereinnahmen plädiert Ralph Brinkhaus (CDU) dafür, Schulden zu machen. Statt Steuern zu erhöhen, müsse der Staat das Wachstum ankurbeln - so könne man die Schulden dann später auch abbauen, sagte der Unionsfraktionsvorsitzende im Dlf.

Ralph Brinkhaus im Gespräch mit Christoph Heinemann | 15.05.2020
Berlin: Ralph Brinkhaus (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, spricht bei der 115. Sitzung des Bundestages zu den Abgeordneten.
"Richtig ist, dass wir aus der Krise rauswachsen, wir können uns nicht aus der Krise raussparen", meint Ralph Brinkhaus (CDU) (dpa/Tom Weller)
In Deutschland könnte der Schuldenstand 75 Prozent betragen. Vorschläge zur Finanzierung oder für Einsparungen gibt es viele - von der Beibehaltung des Solis, über Verzicht auf die Grundrente bis zur Abschaffung der Erneuerbare-Energien-Subventionen.
Gestern stellte Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Steuerschätzung vor - mit erstmals seit der Finanzkrise 2009 sinkendene Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen. Das Finanzministerium rechnet in diesem Jahr mit einem Minus von mehr als zehn Prozent bei den Steuereinnahmen: 81,5 Milliarden Euro weniger als im vergangenen Jahr.
imago images / Christian Spicker  Berlin, Plenarsitzung im Bundestag Deutschland, Berlin - 07.05.2020: Im Bild ist Olaf Scholz (Vizekanzler, Finanzminister, spd) während der Sitzung des deutschen Bundestags zu sehen. Berlin Bundestag Berlin Deutschland *** Berlin, Plenary Session in the Bundestag Germany, Berlin 07 05 2020 In the picture you can see Olaf Scholz Vice-Chancellor, Minister of Finance, spd during the session of the German Bundestag Berlin Bundestag Berlin Germany
Folgen der Steuerschätzung - Finanzminister Scholz will an Grundrente festhalten
Wegen der Coronakrise brechen die Steuereinnahmen weg. Bundesfinanzminister Olaf Scholz betont, der Staat könne mit dieser Situation umgehen. Mit deutlichen Worten kritisiert er Stimmen aus der Union, die nun die geplante Grundrente in Frage stellen.
Es gehe nun darum, das Wachstum anzukurbeln, sagte Ralph Brinkhaus (CDU) im Dlf. Die Vorraussetzung dafür sei, dass der Staat Schulden Machen müsse, die bei gesteigertem Wachstum und gesteigerten Konsum auch schnell wieder abgebaut werden könnten.
Steuererhöhungen hingegen seien vielleicht "der bequemste Weg", nicht aber der richtige, meint der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Auch von einer Steuererhöhung für Spitzenverdiener sehe er ab, denn Menschen mit hohen Einkünften und Vermögen würden jetzt schon einen höheren Beitrag zur Steuerlast leisten als die meisten anderen.
"Das ist ein Gedanke, der irgendwo vielleicht sehr einfach ist, aber der führt nicht zum Ziel, weil wir in Deutschland nämlich die Situation haben, dass viele große Vermögen in Betrieben gebunden sind, in Familienunternehmen gebunden sind. Wenn wir da die Steuerlast erhöhen, dann ziehen wir das Geld aus den Familienunternehmen raus."
Ob die Grundrente ab dem 1. Januar 2021 eingeführt werde, hänge auch an den verwaltungstechnischen Voraussetzungen, sagte Brinkhaus. Diese bilde die Grundlage für die Bedarfsprüfung.

Das Interview zum Nachlesen.
Heinemann: Herr Brinkhaus was folgt aus der Steuerschätzung?
Brinkhaus: Aus dieser Steuerschätzung folgt natürlich, dass wir weiterhin sehr, sehr achtsam mit unserem Geld umgehen müssen. Ich stimme Olaf Scholz zu, das ist die Position auch der Union: Wir können uns aus der Krise nicht raussparen. Aber wenn ich mir so den einen oder anderen Ausgabenwunsch momentan anschaue, dann würde ich mir wünschen, dass wir vielleicht auch ein bisschen daran denken, in welcher finanziellen Situation wir sind.
"In die Strukturen investieren, Innovationen voranbringen"
Heinemann: Dann deklinieren wir mal Achtsamkeit. Sparen, Steuererhöhungen oder Schuldenerhöhungen – was ist jetzt richtig?
Brinkhaus: Richtig ist, dass wir aus der Krise rauswachsen, wie das auch 2009/2010 geklappt hat. Das heißt, wir können uns nicht aus der Krise raussparen. Steuererhöhungen haben auch noch nie Wachstum verursacht. Deswegen ist es relativ einfach: Wir müssen da rauswachsen und dafür müssen wir jetzt die Rahmenbedingungen setzen.
Heinemann: Heißt Schulden erhöhen?
Brinkhaus: Das heißt, dass wir jetzt im ersten Schritt mal Schulden erhöhen, um sie dann ganz schnell wieder abzubauen. Das wird auch klappen, wenn wir jetzt das Konjunkturpaket dazu nutzen, nicht Helikopter-Geld abzuschmeißen, sondern wirklich in die Strukturen zu investieren, zu digitalisieren, Innovationen voranzubringen und schneller zu werden.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Heinemann: Geld ausgeben ist ja nicht besonders schwer. Wieso wählen Sie den bequemsten Weg?
Brinkhaus: Das ist nicht der bequemste Weg, sondern der bequemste Weg wäre, jetzt tatsächlich die Steuern zu erhöhen, weil das würden sich einige auch wünschen. Das ist aber nicht Unions-Politik, sondern wir wollen tatsächlich Wachstum generieren. Darauf kommt es jetzt an. Wir müssen Wachstum generieren, damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Wenn Arbeitsplätze erhalten bleiben, werden die Menschen konsumieren, und das ist der Plan.
"Ein Konjunkturprogramm, was nur Geld unter die Leute schmeißt, wird nichts bringen"
Heinemann: Ein Konjunkturprogramm ist Strohfeuer, sagt die FDP. Wann hätte ein Konjunkturprogramm jemals dauerhafte Wirkung entfaltet?
Brinkhaus: Ja, und da stimme ich auch total zu. Ein Konjunkturprogramm, was nur Geld unter die Leute schmeißt, damit jetzt mal eine kurzfristige Nachfrage kommt und kurzfristig Geld ausgegeben wird, das wird nichts bringen. Deswegen werden wir darauf achten, dass das Konjunkturprogramm ein Strukturstärkungsprogramm, ein Innovations-, ein Digitalisierungsprogramm wird und kein Programm wird, wo jetzt mal einfach gesagt wird, jetzt ist ein bisschen Geld da, übrigens schuldenfinanziert, haben Sie völlig recht, das wird unter die Leute gebracht und dann fangen sie an, Autos, Waschmaschinen und ähnliche Sachen zu kaufen, und alles wird gut. Das wird nicht funktionieren.
Heinemann: Es wird keine Abwrackprämie geben?
Brinkhaus: Ich bin da persönlich sehr, sehr skeptisch gegenüber Abwrackprämien und ähnlichen Instrumenten. Ich muss natürlich eine Mehrheit für meine Position kriegen. Ich weiß, dass das der eine oder andere Ministerpräsident anders sieht, aber ich werde dafür kämpfen, dass wir da etwas komplexer vorgehen und intelligenter vorgehen.
Heinemann: Ist das Konsens in der Unions-Bundestagsfraktion?
Brinkhaus: Die Unions-Bundestagsfraktion ist sehr, sehr skeptisch gegenüber Abwrackprämie.
"Schulden werden über Jahre hinweg abgebaut"
Heinemann: Herr Brinkhaus, benötigt die Bundesregierung einen zweiten Nachtragshaushalt? 156 Milliarden sind ja bereits bewilligt.
Brinkhaus: Na ja, da schauen wir mal. Wir haben ja wie gesagt 156 Milliarden Euro bewilligt. Ich denke mal, wir sind ja jetzt in einer sehr entscheidenden Phase der Corona-Krise. Das heißt, wie schnell kommen wir da raus? Das heißt, wie lange muss Kurzarbeitergeld gezahlt werden? Wie lange brechen jetzt Steuereinnahmen weg? Ich denke mal, da werden wir im Sommer dann entsprechend mehr wissen. Wir hoffen ja, dass aufgrund der doch sehr verantwortungsvollen Politik in der Vergangenheit wir schneller aus der Krise rauskommen als vielleicht das eine oder andere Land.
Heinemann: Wie genau sollen die Schulden wieder abgebaut werden?
Brinkhaus: Die Schulden, die werden über die entsprechenden Jahre hinweg abgebaut. Das heißt, es ist so: Wenn wir Wirtschaftswachstum generieren, haben wir höhere Steuereinnahmen, und über diese Steuereinnahmen kriegen wir dann eine bessere Quote hin, vor allen Dingen eine bessere Quote, weil das Bruttoinlandsprodukt steigt. Entscheidend ist ja der Punkt: Wie verhält sich der Schuldenstand zum Bruttoinlandsprodukt. Da sind wir in den letzten Jahren ganz gut rausgewachsen. Das heißt, wir sind auf unter 60 Prozent gekommen. Das ist wirklich famos gewesen. Jetzt geht es darum, dass wir das gleiche wieder hinkriegen, was wir in den letzten zehn Jahren hingekriegt haben.
Heinemann: Und wenn die Wirtschaft nicht wächst?
Brinkhaus: Wenn die Wirtschaft nicht wächst, dann haben wir noch ganz andere Probleme, weil dann haben wir nämlich das Problem, dass wir eine große Arbeitslosigkeit kriegen. Deswegen sind wir dazu wirklich verurteilt, dass wir alles dafür tun, dass wir die Arbeit wieder sichern und dass wir aus diesem Tal, was wir momentan haben, ganz schnell rauskommen. Aber ich bin da auch sehr optimistisch, weil wir unglaublich gute Voraussetzungen in Deutschland haben. Wir haben tolle Unternehmen. Wir haben sehr kreative Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir haben gute Strukturen. Wenn wir ein bisschen schneller werden, wenn wir ein bisschen digitaler werden, wenn wir noch mehr in Innovationen hineinbringen, dann haben wir eine sehr, sehr gute Chance, da rauszuwachsen.
"Keine überbordende Besteuerung von reichen Menschen"
Heinemann: Und wir haben auch ausgesprochen reiche Mitbürgerinnen und Mitbürger. Welchen Beitrag sollten Menschen mit hohen Einkünften und Vermögen leisten?
Brinkhaus: Menschen mit hohen Einkünften und Vermögen, die leisten jetzt schon einen höheren Beitrag zur Steuerlast als die meisten anderen. Und man muss ja eins sagen: Wenn diese ganzen Diskussionen jetzt kommen – ich nehme das den Reichen weg und gebe das den Armen und damit löse ich dann das ganze Problem -, das ist ein Gedanke, der irgendwo vielleicht sehr einfach ist, aber der führt nicht zum Ziel, weil wir in Deutschland nämlich die Situation haben, dass viele große Vermögen in Betrieben gebunden sind, in Familienunternehmen gebunden sind. Wenn wir da die Steuerlast erhöhen, dann ziehen wir das Geld aus den Familienunternehmen raus und nicht aus irgendwelchen Finkas auf Mallorca. Insofern, denke ich mal, sollten wir unsere kluge Politik der Vergangenheit mit einer angemessenen und auch höheren Besteuerung von reichen Menschen, aber keiner überbordenden Besteuerung weiterführen.
Grundrente: "Da fehlen momentan die verwaltungstechnischen Voraussetzungen"
Heinemann: Wird die Grundrente ab dem 1. Januar 2021 eingeführt?
Brinkhaus: Das hängt davon ab, ob Hubertus Heil und Olaf Scholz ihre Hausaufgaben machen, insbesondere Hubertus Heil, weil wir gesagt haben, wir werden die Grundrente nur nach einer Bedarfsprüfung auszahlen, und da fehlen momentan die technischen, die verwaltungstechnischen Voraussetzungen. Da tut sich die deutsche Rentenversicherung schwer, der Abgleich zwischen Rentenversicherung und Finanzämtern muss organisiert werden, und ich finde das schon sehr kühn, jetzt einfach zu sagen, lasst uns das mal schnell verabschieden und dann schauen wir mal irgendwo nach hinten raus, ob wir es hinkriegen, denn das wäre ja eine ganz, ganz große Enttäuschung, wenn dann aufgrund einer fehlenden Bedarfsprüfung das Geld nicht ausgezahlt werden könnte.
Ein Rentnerpaar sitzt auf einer Bank vor dem Reichstag und sonnt sich
Was Sie über die Grundrente wissen müssen
Mit der Grundrente sollen Menschen, die lange gearbeitet haben, aber dennoch nur wenig Rente bekommen, einen Bonus erhalten. Das Bundeskabinett hat sie Ende Februar beschlossen. Die wichtigsten Fragen und Antworten finden Sie hier.
Deswegen würde ich mir wünschen, dass der eine oder andere SPD-Politiker ein bisschen mehr arbeitet an der Sache jetzt, als Interviews dazu zu geben, dass wir angeblich die Grundrente nicht wollen. Ich sage dazu eins: Wir hätten, wenn wir alleine zu entscheiden gehabt hätten, diese Grundrente so nicht gemacht, aber das ist vereinbart worden. Wir sind da vertragstreu. Und ich erwarte jetzt, dass die SPD auch vertragstreu ist, weil nämlich auch vereinbart worden ist, dass das Ganze solide finanziert wird und dass vor allen Dingen diese Bedarfsprüfung auch abwickelbar ist.
Heinemann: Herr Brinkhaus, unser Kollege Theo Geers hat gestern in der Bundespressekonferenz eine Frage nach der Grundrente an Olaf Scholz eingereicht.
Steffen Seibert: "Die Frage von Theo Geers (Deutschlandfunk): Wir können uns das, was wir uns vorgenommen haben, auch weiter leisten, sagten Sie. Gilt das auch für die Grundrente?
Olaf Scholz: "Ja!"
Steffen Seibert: "Dann habe ich zumindest hier keine weiteren Fragen. Sehe ich noch im Saal..."
Olaf Scholz: "Darf ich noch eine Bemerkung reinschieben?"
Steffen Seibert: "Ja, bitte!"
Olaf Scholz: "Wir geben jetzt sehr viele Milliarden aus. Wir geben großen Unternehmen Kredite von mehreren Milliarden Euro. Und dann kommt jemand daher und sagt, die Grundrente, die knapp über eine Milliarde kostet, können wir aber nicht bezahlen. So jemand gehört eigentlich ausgebuht."
Heinemann: Herr Brinkhaus, hat Herr Scholz Anlass, Sie auszubuhen?
Brinkhaus: Nein! Herr Scholz hat Anlass, in sich zu gehen und mal darüber nachzudenken, dass so eine Grundrente ja jetzt nicht nur für ein oder zwei Jahre, sondern für die nächsten 150 Jahre gezahlt wird und da entsprechend auch finanziert werden muss. Und Herr Scholz lenkt ein wenig davon ab, dass er seine Arbeit noch nicht gemacht hat, nämlich die Kommunikation zwischen den Finanzbehörden und der Rentenversicherung zu organisieren. Ich finde das schon ein bisschen komisch und das ist genau das, was ich gemeint habe, auf irgendwelchen Pressekonferenzen herzugehen und dann sehr groß zu reden, aber dann doch irgendwo Defizite in der Detailarbeit zu haben. Das ist eine Sache, da soll er mal nacharbeiten.
Heinemann: Herr Brinkhaus, wenn ich mal zusammenfasse, was wir eben zur Vermögensbesteuerung oder zur Besteuerung von Vermögen gesagt haben und was Sie gerade eben gesagt haben: Kein Mitleid mit Geringverdienern, Schonung der Wohlhabenden. Warum ist das typisch CDU?
Brinkhaus: Entschuldigung! Das ist jetzt aber sehr suggestiv, was Sie sagen. Wir sind eine Partei, die sehr, sehr viel für Geringverdiener tut. Wir hatten übrigens auch ein viel, viel besseres Konzept für die Grundrente und wir stehen auch zu der Grundrente. Wenn Sie sich angucken, was wir gerade im Bereich der Geringverdiener jetzt in den letzten Wochen und Monaten gemacht haben, dann ist das eine Menge, und insofern ist das doch eine etwas einseitige Interpretation von Ihnen. Aber das haben Sie sicherlich nicht so gemeint, sondern Sie wollten da was aus mir rauskitzeln. Das ist ja auch in Ordnung. Ich denke mal, insofern glaube ich mal, dass wir eine sehr sozial ausgewogene Partei sind, weil das gehört nämlich auch zu unserer DNA, dass wir sozial ausgewogen sind, und das werden wir auch weiter so machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.