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Finanzwissenschaftler Kruschwitz: Kleinsparerverluste in Deutschland nicht zu befürchten

Der Ökonom Lutz Kruschwitz vom Institut für Bank- und Finanzwirtschaft in Berlin hält angesichts der Bankenkrise in den USA Verluste von deutschen Kleinsparern für unwahrscheinlich. In Deutschland seien die öffentlichen Banken von der US-Finanzmarktkrise viel stärker betroffen als die privat geführten Banken.

Moderation: Sylvia Engels | 18.03.2008
    Silvia Engels: Nach dem Fast-Zusammenbruch der US-Investmentbank Bear Stearns hält die US-Finanzmarktkrise weiterhin die Händler, Ökonomen und Politiker in Atem. Zwar sind die Börsen derzeit stabil, doch am Vormittag warnte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vor einer der größten Finanzkrisen der letzten Jahrzehnte. Er forderte einen Schulterschluss von Politik, Zentralbanken und Kreditbranche. Während aber hierzulande die Wirtschaft noch stabil erscheint, haben in den USA die Folgen der Finanz- und Immobilienkrise die Menschen längst erreicht. Am Telefon ist nun Professor Lutz Kruschwitz vom Institut für Bank- und Finanzwirtschaft in Berlin. Guten Tag!

    Lutz Kruschwitz: Guten Tag!

    Engels: Die US-Großstadt Cleveland zeigt, dass Finanz- und Hypothekenkrisen auch direkte Folgen auf die Realwirtschaft haben. Wann ist das auch in anderen US-Städten zu erwarten, heißt wann schlägt die Rezession in den USA voll durch?

    Kruschwitz: Ich gehe davon aus, dass die Situation in Cleveland nicht viel anders sein kann als in anderen größeren Städten der Vereinigten Staaten. Wenn so eine Riesen-Stadt wie Cleveland erfasst ist, dann muss man davon ausgehen, dass sich ähnliche Entwicklungen auch in anderen US-Städten einstellen können. Das ist ziemlich klar.

    Engels: Wenn Sie die Gesamtzahlen über die US-Konjunktur, über die US-Wirtschaft sehen, haben wir dort schon die Rezession?

    Kruschwitz: Ich denke, dass das der Beginn der Rezession ist. Das wird man kaum noch bestreiten können. Auch dann, wenn die verantwortlichen amerikanischen Politiker und die amerikanische Zentralbank den Zinsschritt von drei auf zwei Prozent durchführen wird, den alle erwarten, dann ist das nichts anderes als das Eingeständnis, dass man mit sehr massiven Methoden verhindern muss, dass die Talfahrt allzu rasch und allzu dramatisch stattfindet.

    Engels: Das ist ein Eingeständnis, sagen Sie. Wird der angekündigte Zinsschritt denn etwas nützen?

    Kruschwitz: Die Frage kann ich nicht vernünftig und seriös beantworten. Es wird sicherlich etwas nützen. Um eine seriöse Aussage darüber machen zu können, ob die geplanten Maßnahmen das gewünschte Ergebnis haben, müsste ich erstens Hellseher sein und genau wissen, was im Einzelnen von der FED beschlossen wird, und außerdem müsste ich ein ökonometrisches Modell aufstellen. Dazu bin ich nicht in der Lage aufgrund der Expertise, die ich selbst besitze, um das seriös rechnen zu können. Das ist so ähnlich als wenn Sie mich fragen, ob ein Naturereignis wie der Ausbruch eines Vulkans dafür sorgen wird, dass sich in einem bestimmten Gebiet in Süditalien starke Stürme oder sehr starke Stürme ausbreiten werden. Ich kann sagen "es wird ein Sturm kommen", aber wie stark der ist, um das seriös rechnen zu können, muss ich eine Menge Messungen machen, um das wirklich seriös behaupten zu können.

    Engels: Herr Kruschwitz, dann schauen wir vom Wetter zurück auf die Entscheidungen, die die Federal Reserve Bank schon getroffen hat. Da haben wir ja gerade gesehen, dass zur Rettung des angeschlagenen US-Investmenthauses Bear Stearns die Zentralbank ja auch milliardenschwere Bürgschaften aufgenommen hat. Wenn wir das ganze strukturell betrachten, verspielt sie damit nicht auch Glaubwürdigkeit, wenn sie signalisiert, dass sie schlecht wirtschaftenden Bankhäusern helfen wird?

    Kruschwitz: Das tut sie sicherlich in den Augen von bestimmten Betrachtern. Wenn sie es allerdings nicht tun würde, was würde der ökonomisch nur mäßig gebildete Bürger dann von der Glaubwürdigkeit dieses Systems halten?

    Engels: Glaubwürdigkeit, aber es gibt ja auch das Argument "Bereinigung des Marktes". Wäre es da nicht einfach auch einmal an der Zeit, eine Bank, die schlecht gewirtschaftet hat, Pleite gehen zu lassen?

    Kruschwitz: So weit meine Informationen mir jetzt eine Aussage gestatten weiß ich folgendes: JPMorgan wird Bear Stearns übernehmen und die Hälfte der Arbeitsplätze bei Bear Stearns sind gestrichen. Nun muss man eine Firma, wenn sie den Markt verlassen soll, nicht immer zu 100 Prozent schließen. Es reicht ja auch, wenn man sie zu X Prozent schließt. 50 Prozent der Mitarbeiter entlassen heißt auch 50 Prozent des Geschäfts dann nicht mehr durchführen. Es ist eben dann eine halbe Bear Stearns geschlossen. Ich halte das schon in Anbetracht der Größe einer solchen Firma für einen ziemlich großen Schritt.

    Engels: Jetzt kommen wir auf den deutschen Markt zu sprechen. Finanzminister Peer Steinbrück hat am Morgen noch mal einen Schulterschluss von Politik, Zentralbank und Kreditbranche gefordert. Konkreter ist er nicht geworden. Was wäre denn Ihrer Ansicht nach ein gutes Konzept? Einfach nur mehr Transparenz durch die Banken - das ist ja gefordert worden -, oder ein staatliches Konjunkturprogramm?

    Kruschwitz: Ich denke es muss alles zusammen kommen. Von den Krisen, die wir in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts erlebt haben, sind wir bislang zumindest unter anderem deswegen verschont worden, nicht nur weil die Theorie schlauer geworden ist, sondern weil man viel mehr miteinander kooperiert. Immer dann, wenn man beobachtet, dass die Verantwortlichen miteinander reden und ihre Konzepte aufeinander abstimmen, kann man sicher sein, dass eine intelligentere Politik gemacht wird, als wenn jeder sozusagen sein eigenes Spiel spielt, ohne sich mit den anderen zu verabreden.

    Engels: Wie bedroht sind denn jetzt auch deutsche Banken und deutsche Kleinsparer durch diese Krise?

    Kruschwitz: Das kann ich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Aber meine Vermutung ist, dass in Deutschland die meisten Verluste, die im Finanzbereich zu erwarten waren aufgrund der supreme crisis, jetzt doch offengelegt sind. Mein Kenntnisstand geht dahin, dass die öffentlichen Banken - ich meine die Landesbanken, die wir uns in Deutschland leisten - viel stärker in diese Geschäfte verstrickt waren als die privat geführten Banken. Also die Industrie-Kreditbank und die Landesbanken waren sehr viel heftiger davon betroffen als die privat geführten Banken. Deswegen würde ich vermuten, dass wir unmittelbar bevorstehende Verluste der Kleinsparer in Deutschland nicht zu befürchten haben.

    Engels: Auf der anderen Seite ruft sogar nun der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann nach Regierungshilfe. Er ist ja nun wahrlich nicht als Staatsinterventionist bekannt. Aber gestern verlangte er eine konzertierte Aktion von Regierungen und Zentralbanken. Spricht das nicht dafür, dass doch die Krise auch in Deutschland nicht ausgestanden ist?

    Kruschwitz: Ich sage nicht, dass die Krise nicht ausgestanden ist, aber ich glaube nicht, dass wir mit einer ähnlichen Dramatik wie in den Vereinigten Staaten bei den privaten Banken zu rechnen haben.

    Engels: Erwarten Sie denn Folgen dieser Finanzkrise auf die deutsche Binnenkonjunktur?

    Kruschwitz: Das kann man nicht ausschließen. Man wäre wahrscheinlich ein absoluter Traumtänzer, wenn man sagen würde, solche Wirkungen sind ausgeschlossen. Schließlich gibt es internationale Wirtschaftsbeziehungen. Auch wenn man darauf hinweist, dass die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von der US-Konjunktur heute lange nicht mehr so intensiv ist, wie das vielleicht noch vor 10, 15 oder 20 Jahren gewesen ist, wird meines Erachtens, wenn ich richtig informiert bin, 40 Prozent des deutschen Exports in Dollar abgerechnet. Und wenn der Dollar weiter so schwach ist, dann wird das natürlich Einfluss haben auf die Exportchancen der deutschen Wirtschaft und damit auch auf die Arbeitsplätze in Deutschland. Das ist klar!

    Engels: Professor Lutz Kruschwitz vom Institut für Bank- und Finanzwirtschaft in Berlin. Ich bedanke mich für das Gespräch!