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Fipronil-Skandal
Ei mit Knacks

In Deutschland könnten nicht nur Eier, sondern auch Lebensmittel mit Ei-Anteil wie Kuchen, Nudeln oder Mayonnaise mit dem Insektizid Fipronil belastet sein. Verbraucherschützer kritisieren die schleppende Informationspolitik. Die Politik streitet über Zuständigkeiten bei der Lebensmittelkontrolle.

05.08.2017
    Ein Mitarbeiter vom Chemischen Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe verquirlt am 04.08.2017 in Münster eine aufgeschlagene Eimasse.
    Auch Lebensmittel mit Ei-Anteil könnten mit Fipronil belastet sein. (picture-alliance / dpa / Guido Kirchner)
    Der Lübecker Hersteller "Neue Mayo Feinkost" rief gestern sechs Salatprodukte zurück, für die mit Fipronil belastete Eier verarbeitet worden sein sollen. Betroffen von dem Rückruf sind Berlin und Hamburg sowie Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Niedersachsen lässt zudem Lebensmittel mit Ei-Anteil auf Rückstände des Insektengifts Fipronil untersuchen. Landwirtschaftsminister Meyer sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", man könne nicht ausschließen, dass vergiftete Eier auch in Kuchen oder Nudeln gelandet seien.
    Verbraucher selbst können nicht feststellen, ob für ein Produkt belastete Eier verwendet wurden, da die Eier-Prüfnummer nicht auf Lebensmittelverpackungen steht. Insgesamt sind nach Angaben Meyers in zwölf Bundesländern mehr als zehn Millionen mit Fipronil belastete Eier aus den Niederlanden verkauft worden. Besonders betroffen sind Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Mittlerweile haben die meisten Supermärkte belastete Eier aus dem Verkauf genommen.
    Geringes Gesundheitsrisiko
    Nach Einschätzung des Bundesamts für Risikobewertung (BfR) sei das Gesundheitsrisiko durch belastete Eier gering. Bei Erwachsenen werde nach derzeitigen Analysen kaum eine Überschreitung der sogenannten Referenzdosis erreicht. Bei Kindern rieten Mediziner sicherheitshalber vom Verzehr ab. Durch Backen, Kochen oder Braten werde Fipronil nicht abgebaut.
    Verunsicherte Verbraucher können auf Lebensmittelwarnung.de prüfen, ob die Eier in ihren Kühlschränken mit dem Biozid Fipronil belastet sind. Dort werden verunreinigte Chargennummern veröffentlicht und laufend aktualisiert.
    Fipronil in Legehennenbetrieben
    Als Ursprung des Skandals gilt Belgien. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen gelangte die giftige Substanz über das Reinigungsmittel Dega-16 in die Ställe. Vermutlich hatte ein belgischer Hersteller Fipronil beigemischt. Das Mittel wurde vor allem in den Niederlanden in Legehennenbetrieben eingesetzt; viele der dort produzierten Eier wurden nach Deutschland verkauft.
    Nach Informationen des Magazins "Der Spiegel" prüfen Ermittler Anhaltspunkte für Verbindungen nach Rumänien. Demnach soll nach ein Chemikalienhändler aus Belgien das Tiermedikament Fiprocid, das den Wirkstoff Fipronil enthält, in großen Mengen bei einer rumänischen Fabrik geordert haben.
    Bauern fordern Schadensersatz
    Der Deutsche Bauernverband fordert Schadensersatz für alle Hühnerbetriebe, die von dem verbotenen Einsatz des Insektizids Fipronil betroffen sind. Die Landwirte dürften nicht auf den Kosten sitzen bleiben, sagte ihr Vize-Generalsekretär Udo Hemmerling der Funke Mediengruppe. Einem typischen gesperrten Betrieb entstehe täglich ein Umsatzverlust von rund 4.000 Euro.
    Mittlerweile wurden in fast allen Bundesländern belastete Eier gefunden. Aldi hat Eier momentan komplett aus dem Sortiment genommen - das findet der Deutsche Bauernverband überzogen.
    Kritik an schleppender Informationspolitik
    Die Organisation Foodwatch hat die Informationspolitik im Skandal um Fipronil-verseuchte Eier als mangelhaft kritisiert und die zuständigen Kontrollbehörden aufgefordert, Lebensmittel prinzipiell auf alle verbotenen Substanzen hin zu überprüfen. Foodwatch-Expertin Blanken sagte im Deutschlandfunk, das sei im Skandal um verseuchte Eier nicht oder nicht ausreichend passiert. Insofern sei es nicht verwunderlich, dass das Insektengift offenbar über einen längeren Zeitraum eingesetzt wurde, ohne dass Behörden und Betriebe dies bemerkt hätten.
    Diskussion über Zuständigkeiten
    Auf politischer Ebene wird über Zuständigkeiten und die Verantwortung gestritten. Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt wehrt sich in der Affäre um verseuchte Eier gegen Kritik an seinem Krisenmanagement. Obwohl die Lebensmittelüberwachung Sache der Bundesländer sei, habe sich sein Ministerium unverzüglich eingeschaltet, sagte der CSU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
    Die Linken-Abgeordnete Binder kritisierte, das System der unterfinanzierten Kontrollen auf kommunaler Ebene sei der globalen Produktion nicht gewachsen. Für überregional produzierende Betriebe solle der Bund zuständig sein. Die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Künast dringt im Skandal um giftbelastete Eier auf eine bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern bei Lebensmittel-Tests. Der stellvertretende Vorsitzende des Bundestags-Agrarausschusses, Ostendorff, sagte im Deutschlandfunk, das Warnsystem müsse auch auf europäischer Ebene deutlich schneller werden.
    (ali/tep)