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Firmenporträt
Mit Algorithmen gegen Bildklau

Fotografen leben davon, dass sie für ihre Bilder bezahlt werden. Es kommt jedoch nicht selten vor, dass die Werke auf Webseiten unentgeltlich und ohne Verweis auf den Urheber verbreitet werden. Die Firma Pixray durchforstet das Internet nach solchen Fällen und ist ziemlich erfolgreich damit.

Von Klaus Lockschen | 07.08.2015
    Auch der Deutsche Journalistenverband setzt sich für die Urheberrechte der Fotografen ein
    Auch der Deutsche Journalistenverband setzt sich für die Urheberrechte der Fotografen ein (dpa/picture alliance/Robert B. Fishman/ecomedia)
    In Laufweite zum Potsdamer Hasso-Plattner-Institut, eine der deutschen Kaderschmieden für Hochtechnologie im Informatikbereich, und unmittelbar neben den Babelsberger Filmstudios befindet sich hinter rostroter Bürohausfassade die Firma Pixray. X-ray mit Präfix – Röntgen der besonderen Art. Das High-Tech-Unternehmen durchleuchtet das Internet unentwegt nach Pixeln, nach Bildelementen.
    Dennis Wetzig, sportlich gekleideter Mittdreißiger mit Dreitagebart und zurückgekämmtem Haar, ist einer der beiden Geschäftsführer des Unternehmens. Er umreißt den Firmenauftrag so:
    "Wir verstehen uns als Schützer der Kreativität im Netz."
    Vor gut vier Jahren wurden die komplexen Algorithmen für Bilderkennungsverfahren geschrieben. Die Idee: Inhaber von Bildrechten vor dem Copyright-Wildwuchs im Internet zu schützen. Die praktische Bewährung kam so, sagt Wetzig:
    "Da lag es natürlich nahe, dass man erst einmal in experimenteller Weise eine Websuche macht. Das heißt, wir haben für einen Fotografen gesucht einfach nach dessen Bildern im Web, um zu schauen, wo wird das eigentlich verwendet. Für diesen Fotografen haben wir sehr schnell erkannt, dass tatsächlich der illegale Verbreitungsmarkt viel größer ist als der legale Verbreitungsmarkt. Wir konnten diesem Fotografen hunderte von Stellen im Netz zeigen, wo seine Bilder verwendet werden, von denen er noch nie gehört hatte, an die er damit auch nie verkauft hatte."
    Bildrechte schützen
    Bei Recherchen für weitere Rechteinhaber finden sie das Prinzip bestätigt:
    "Da war uns klar, es ist ein Riesen-Thema, an dem wir da gerade dran sind. Konkret können wir sagen, dass etwa 70 Prozent der Bilder, die wir finden, gestohlen sind."
    Ein Großteil des benötigten Anfangskapitals fließt aus den Töpfen des Brandenburgischen Frühphasenfonds für junge, innovative Unternehmen. Schnell ist das Interesse bei Fotografen, Bild- und Nachrichtenagenturen geweckt.
    Mittlerweile hat Pixray Kunden im dreistelligen Bereich mit Suchaufträgen um die 400 Bilder beim kleinsten und 1,5 Millionen beim größten Auftraggeber. Damit arbeitet das Unternehmen laut Dennis Wetzig solide profitabel mit einer Umsatzverdreifachung im letzten Jahr. Zahlen will er nicht nennen.
    Die Technik ist komplex. Von den Kunden werden kleine Ansichten der Bilder ins System geladen, von denen etwa 4.000 Schlüsselelemente extrahiert werden. Algorithmen beschreiben beispielsweise das Zusammentreffen von Linien, Kontrastveränderungen, geometrische Formen im Bild, erklärt Wetzig:
    "Wir suchen dann nach diesen Elementen in zirka 12 bis 15 Millionen Bildern pro Tag auf bis zu 50 Millionen unterschiedlichen Webseiten."
    Das ist enorm rechneraufwändig. Gut 200 Maschinen surren dafür in Rechenzentren in Sachsen und Bayern. Gefunden wird, bilanziert der Pixrayy-Chef, "auch dann, wenn die Bilder stark verändert wurden, das heißt, beispielsweise zurechtgeschnitten wurden, die Farben verändert wurden, Collagen gebildet wurden."
    Haus, Hof, Auto gegen Diebstahl zu schützen, ist schwer. Immaterielles Eigentum vor Dieben zu sichern, ist fast unmöglich, meint Wetzig:
    "Wenn ich das Bild einmal legal in Umlauf gebracht habe, gibt es eine Stelle im Netz - und die Leute kopieren."
    Schutz vor Bildklau kaum möglich
    Die Einsicht, damit etwas Illegales zu machen, sei gesellschaftlich nicht sonderlich ausgeprägt, resümiert der Jungunternehmer:
    "Wenn ich jemandem ein Fahrrad klaue, dann hat der nachher kein Fahrrad mehr. Dann ist das offensichtlich, was da passiert ist. Ich habe dem was weggenommen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist das Problem an Copyrights immer, dass so ein bisschen das Gefühl existiert, man habe ja nichts Schlimmes gemacht. Wenn man aber ein bisschen weiter darüber nachdenkt, dann erkennt man relativ schnell, dass der Fotograf eigentlich nur auf dem Wege, dass er seine Bilder lizensiert, Geld verdienen kann."
    Doch Bildsuche allein beschert den Rechteinhabern noch keinen Cent. Will ein Kunde gegen unlizensierte Verwendung vorgehen, werden die Fundstellen dokumentiert, dann folgt zwangsläufig die juristische Nachverfolgung. In das System von Pixray sind daher auch Anwaltskanzleien eingebunden:
    "Am Ende geht´s darum, dass der Kunde über das System mit dem Anwalt sehr effektiv kommunizieren kann, d.h. er kann per Knopfdruck sagen: Das ist ein illegaler Fund, ich möchte, dass du dagegen vorgehst."
    Eine Abmahnung habe zwar einen schlechten Ruf in Deutschland, räumt Wetzig ein, letztlich sei sie aber ein dem gerichtlichen Verfahren vorgeschalteter Weg, der beiden Seiten Ärger ersparen könne. Die Schadenersatzansprüche bewegen sich pro Bild im Schnitt bei etwa 950 Euro plus Unterlassungsforderung. Bei diesem Streitwert sieht die Gebührenordnung der Anwälte ein Honorar um die 450 Euro vor. – Wetzig rät seinen Kunden allerdings, nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen:
    "Wir empfehlen unseren Kunden immer ganz klar, mit Augenmaß vorzugehen. Vielleicht muss man nicht gegen Privatpersonen vorgehen. Das versuchen wir schon zu motivieren. Und wir sind eigentlich auch froh, dass unsere Kunden diese Einschätzung teilen."
    Abmahnung bei Urheberrechtsverletzungen
    Bei Bilderklau durch professionelle Webanbieter, die ihre Seite mit kommerziellem Hintergrund betreiben, hört Wetzigs Sympathie auf. Ein Ende der Urheberrechtsverletzungen im Netz sieht er in weiter Ferne:
    "Momentan ist das noch so ein bisschen der Kampf gegen Windmühlen, den wir führen," resümiert er und lehnt sich entspannt zurück.
    Nach Deutschland, Österreich und der Schweiz steht die Cyber-Detektei mit ihren zehn Mitarbeitern nun kurz davor, ihre Dienstleistungen auch in Großbritannien und den USA anzubieten. Und mit rasanter Geschwindigkeit tauchen neue Themen im Netz auf, für die die Software ebenfalls taugt. Etwa Urheberrechtsverletzungen im 3-D-Printing, wenn mit geklauten Bauplänen ganze Gegenstände hergestellt werden.
    Aber erst in die Tiefe wachsen, dann in die Breite, so das Credo. Die Zukunft von Pixray scheint krisensicher.

    Anmerkung der Redaktion: Wir haben zwei Passagen auf Wunsch eines in diesem Beitrag Genannten und nach rechtlicher Prüfung geändert bzw. gekürzt.