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Firmenporträt
Ringen ums Lebenswerk

Die traditionsreiche Berliner Veranstaltungsfirma PAM hat bereits die erste Loveparade begleitet und ist nun, genau wie viele andere Firmen, durch die Corona-Krise in ihrer Existenz bedroht. Zwei bis drei Monate Flaute könne das Unternehmen aushalten, sagt der Gründer. Aber dann?

Von Dieter Wulf | 20.03.2020
    Thomas Moritz, Gründer der Veranstaltungsfirma PAM, vor seinem vollen Materiallager. Die Corona-Krise bedroht die Existenz seiner Firma.
    Veranstalter Thomas Moritz bangt in der Corona-Krise um seine Firma. (Dieter Wulf )
    Wir sind in Berlin-Reinickendorf im Norden Berlins. Thomas Moritz, 65, Mitgründer und Geschäftsführer der Firma PAM erzählt, dass er schon Ende Januar geahnt habe, dass es schlimm werde. Die Stornierungen seiner Kunden begannen zwar erst Ende Februar, plötzlich aber ging gar nichts mehr:
    "Der letzte Auftrag, den wir eigentlich noch hatten, war eine Gerüststellung in Potsdam-Babelsberg für einen Film-Dreh. Vorgestern wurde der aber auch storniert, weil Warner Brothers seine Schauspieler zurückgezogen hat und der Film-Dreh nicht stattfindet."
    Mitarbeiter bangen um Arbeitsplätze
    Mittlerweile hat das Corona-Virus das Geschäft völlig auf null gefahren. In der riesigen Lagerhalle, direkt neben den Büros, stapeln sich hunderte Kisten, mit denen ihre teure Technik transportiert wird. Christian Kluthe, Mediengestalter und Videotechniker bei PAM erklärt, was sich darin verbirgt:
    "Verstärker, es gibt die Mikrofonanlagen, wir haben Videoprojektoren, LED Wände, Kameratechnik, Lichttechnik von kopfbewegten Lampen in riesengroß bis hin zu kleinen Akkuscheinwerfern."
    Doch wo normalerweise geschäftiges Treiben wäre, ist jetzt totale Ruhe eingekehrt. Alle firmeneigenen LKW stehen auf dem Hof, etwas Technik wird noch gewartet. Wann es wieder losgeht, Veranstaltungen geplant und durchgeführt werden? Niemand weiß es. Natürlich mache er sich auch Sorgen um seinen Arbeitsplatz, gibt der 37-Jährige zu, der seit 2012 in der Firma arbeitet:
    "Ich habe ein Kind und meine kleine Familie und weiß auch, dass meine Zeit gezählt ist, wenn nicht irgendwann wieder Geld rein kommt."
    Schon in den 80er-Jahren gegründet
    Heute ist PAM Events einer der größten Anbieter für Veranstaltungstechnik in Berlin. Dabei hatte alles einmal ganz anders angefangen, erinnert sich Thomas Moritz:
    "Ich bin 1982 nach Berlin gekommen, wie so viele, wollte bloß mal nach meinem Studium der Druckereitechnik zwei, drei Monate etwas anderes tun. Hatte hier Freunde, wir gründeten eine Band und haben Musik gespielt."
    Ihre Band "Die Panzerknacker" löste sich bald wieder auf. Daraus entstanden dann 1983 zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle:
    "Ein Teil hat unseren alten Übungsraum zum Studio umgebaut und hat die erste Ärzte LP produziert und wir haben mit den Resten der kleinen Anlage der Band einen Verleih aufgemacht, so ging das los."
    An erster Loveparade mitgewirkt
    Thomas Moritz und sein Partner gründeten PAM, den PA Verleih der Musiker. Also Musiker, die ihre eigene Technik verleihen. PA steht für Public Address, auf Deutsch: Bühnentechnik.
    "Später kam es dazu, dass wir viele Konzerte in der TU Mensa gemacht haben, da musste aus regulatorischen Gründen immer jemand vom Asta der TU dabei sein und so kamen wir mit Ralf Regitz zusammen."
    Der wiederum war einer der Veranstalter der Loveparade und so beschallte die Anlage von PAM bereits die allererste Loveparade, wo man im Sommer 1989 mit dem Slogan "Friede Freude Eierkuchen" über den Berliner Ku-damm zog.
    "Das war mehr oder weniger ein Lieferwagen, wo man hinten zwei Lautsprecher drauf gestellt hat und ein Mischpult und zwei Plattenspieler und einen kleinen Stromgenerator und da liefen hundert Leute hinterher. So fing es an mit der Love Parade, mehr war das nicht."
    Inzwischen: Firmenevents statt Techno-Beats
    In den Folgejahren wuchs die Loveparade immer weiter. Techno wurde zum Tanzrhythmus der 90er und PAM war mittendrin. Als Techno dann Mainstream wurde, ging es für die Firma PAM in eine ganz andere Richtung. Heute sind die Kunden hauptsächlich große Unternehmen, die ihre Corporate Identity-Veranstaltungen bei PAM bestellen und koordinieren lassen. Oder Messeauftritte, auch im Ausland:
    "Zu unserem Portfolio gehört auch seit mindestens 15 Jahren die Berlinale, in der wir unterschiedliche Spielstätten betreuen."
    Wenn ein Kunde etwas auf die Bühne bringen will, bietet PAM ein Rund-um-Sorglos-Paket. Nicht nur die Technik sondern auch Präsentation und Inhalte können bestellt werden. Eine eigene Tischler- und Schlosserei bietet individuelle Möglichkeiten. Normalerweise sind Frühjahr und Herbst die Stoßzeiten der Branche. Wann es jetzt aber wieder losgeht, weiß niemand. Von den momentan 39 festen Mitarbeitern werden ab nächster Woche fast alle in Kurzarbeit geschickt, erklärt Thomas Moritz. Er werde jedenfalls alles nur irgend Mögliche tun, um sämtliche Mitarbeiter halten zu können, meint der Gründer und Geschäftsführer von PAM:
    "Technik gibt es an jeder Ecke, gute Mitarbeiter nicht. Deshalb ist unsere höchste Prämisse eigentlich Mitarbeiter halten, Mitarbeiter halten, Mitarbeiter halten."
    Zukunft der Firma aktuell unklar
    Er rechnet mit einer Durststrecke von zwei bis drei Monaten, die sie vermutlich überstehen können. Sollte es länger dauern, werde die Firma wohl in die Insolvenz gehen müssen:
    "Wir können unsere Unkosten herunterschrauben auf einen niedrigen sechsstelligen Betrag, aber darunter werden wir nicht rauskommen und bei der Einnahmenseite auf null kann man sich ausrechnen, was wir für einen Kreditbedarf dann pro Monat haben."
    Egal, wie es mit seiner Firma weiter geht, Eventmanagement werde sich nach dieser Krise dramatisch ändern, glaubt Thomas Moritz. Statt Bühnen, Lautsprecher und Lampen, werden Streaming-Dienste gefragt sein. Statt persönlich wird man sich in Zukunft wohl viel häufiger virtuell treffen.