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Firmenverbindung wird "eine sehr komplizierte Veranstaltung"

Der Medienkonzern Bertelsmann und das britische Verlagshaus Pearson haben die Fusion ihrer Buchverlage bekannt gegeben. Die beiden Verlagsgruppen passen gut zueinander, sagt Autor Rüdiger Wischenbart. Die Fusion brauche aber es guten Willen und ein umsichtiges Management.

Rüdiger Wischenbart im Gespräch mit Birgid Becker | 29.10.2012
    Birgid Becker: Zum Start der Sendung aber ein Blick auf den Buchmarkt, auf dem sich eine Elefantenhochzeit anbahnt. Bertelsmann und Pearson wollen ihre Buchsparten zum größten Publikumsverlag der Welt zusammenbinden.
    Mitgehört hat Rüdiger Wischenbart, der in Wien ein Beratungsunternehmen führt, das Buchmärkte analysiert und beobachtet. Herr Wischenbart, guten Tag.

    Rüdiger Wischenbart: Guten Tag nach Berlin.

    Becker: Den Trend zur Größe beobachten wir ja auch in anderen Branchen – seien es die Autobauer, sei es der Versuch, die britische mit der deutschen und der französischen Luftfahrtindustrie zu verbinden. Dass das nun auch auf dem Buchmarkt voranschreitet, ist das einfach Lauf der Dinge? Also sind Bücher in dieser Hinsicht auch nichts anderes als Autos oder Flugzeuge?

    Wischenbart: Ich würde anders herum sagen, wir sind gewöhnt, dass Bücher sehr, sehr stark aus einem Verlagsmarkt, aus einem Sprachraum heraus kommen und dann erst Schritt um Schritt sich über Übersetzungen ihren Weg darüber hinaus bahnen. Aber de facto ist das ja schon längst nicht so – denken Sie an die Super-Bestseller dieser Saison, "Shades of Grey". Das hat im Englischen begonnen als Fanfiction, ist ein selbst verlegtes Buch, und da kommen auch die ganzen einzelnen traditionellen Rollen der Akteure durcheinander, wo man Autoren hat, die selber verlegen, und das kriegt dann auf einmal mit diesen Integrationen eine ganz neue Reichweite. Das alles, also dieses Umkrempeln des gesamten Buchsystems, das spiegelt sich in diesem Zusammenschluss.

    Becker: Aber Größe hilft, weil Sie gerade "Shades of Grey" erwähnten, auch nicht immer.

    Wischenbart: Na ja, es hilft schon. Man hat gesehen, dass natürlich - ein anderes Beispiel war Stieg Larsson mit seiner Millenniumstrilogie -, dass da mittelgroße Verlage auf einmal die wirklich Entscheidenden waren und etwa Random House gar nicht so gut verstanden hat, wie man damit umgeht. Aber die versuchen, jetzt aus solchen Sachen zu lernen, und das sind die Fantasien hinter diesen beiden Verlagen, die da zusammengehen. Und wenn man die Statements der führenden Persönlichkeiten von Penguin und Random House heute aufmerksam liest, dann sagen ja beide, wir bleiben autoren- und lektorat- und lesefixierte Verlage und wollen nur diese Kultur und dieses auch qualitative Niveau auf einem globalen Maßstab dann weiterführen.

    Becker: Und wie eben im Beitrag zu hören war: Strategisches Ziel dieser Großfusion soll ja auch sein, die Position gegenüber dem Online-Handel und der digitalen Konkurrenz zu verbessern, damit, so hieß es, eben nicht die Händler den Verlegern die Regeln diktieren. Kann das klappen?

    Wischenbart: Ich glaube, das ist eine ganz wesentliche Position, die die Verlage einnehmen müssen. Es gab in den letzten Monaten eine riesige politische und mit juristischen Mitteln ausgetragene Schlacht in den USA um die Frage, wer hat die Preishoheit, die dann zulasten der Verlage ausgegangen ist. Penguin ist der härteste Widersacher hier gewesen, und das hat noch einmal die Position von Amazon gestärkt. Wenn die Verlage hier nicht wirklich ihre Position stärken, dann sind die wirklich sehr schnell in einer massiven Bredouille, die natürlich selbst bei preisgebundenen Märkten wie in Deutschland sehr schnell Probleme schaffen kann.

    Becker: Und noch einen anderen Aspekt gilt es ja vielleicht zu beachten. Da sollen künftig zwei renommierte Verlagshäuser, Random House und Penguin, unter Führung des einen, Random House, zusammen funktionieren. Nun weiß man aus der Fusionsgeschichte, dass genau daran Firmenverbindungen gerne scheitern, dass Unternehmenskulturen eben partout nicht zusammenfinden wollen. Wie sehen Sie das bei den Buchsparten von Bertelsmann und Pearson?

    Wischenbart: Auf der einen Seite glaube ich auch, das wird eine sehr komplizierte Veranstaltung. Bis das wirklich rund läuft, da braucht es guten Willen und gute Fantasie und sehr, sehr gutes umsichtiges Management. Auf der anderen Seite muss man schon sagen, wenn es zwei Verlagsgruppen dieser Größenordnung gibt, die da gut zueinanderpassen, dann sind es schon diese beiden.

    Becker: Und abseits dieser Elefantenhochzeit steht ja die Deutschland-Tochter von Random House. Da wird auf die deutsche Buchpreisbindung verwiesen. Sie betrachten das Geschehen nun aus Österreich, wo Bücher ja auch ihre festen Preise haben. Aber auch anders betrachtet: Rutscht der deutsche Sprachraum in diesem Großgebilde nicht eh an den äußeren Rand? Rein größenmäßig kann der ja nicht mithalten.

    Wischenbart: Ich glaube, das ist eine wirklich ganz wichtige Geschichte in dem ganzen Zusammenhang. Das ist eine harte Ansage an den Verlagsstandort München, auf einmal da die Marginalie zu sein, während das wirkliche Geschehen von New York und London aus gestaltet wird. Da muss man in München auch sagen, Moment, einmal tief durchatmen und klar sagen, wir sind da auf einmal in einer neuen Welt angelangt, und da muss man sich auch in München bei Random House, aber auch bei allen anderen Verlagen neu erfinden. Ich glaube, man kann es gar nicht stärker zuspitzen: Man muss sich da neu erfinden.

    Becker: Danke – der Buchmarktexperte Rüdiger Wischenbart war das. Danke fürs Gespräch.

    Wischenbart: Ich danke Ihnen auch recht herzlich.


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