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Fischer in Thailand
Zwangsarbeit auf offener See

Die Verhältnisse auf den Schiffen der thailändischen Fischindustrie sind katastrophal. Viele Seeleute werden wie Sklaven behandelt, erhalten kein Geld, werden nicht medizinisch versorgt. Erst auf Druck der Europäischen Union gibt es nun mehr Kontrollen dagegen - aber die grassierende Korruption verzögert die Veränderungen.

Von Udo Schmidt | 13.02.2016
    Das Bild zeigt einen Fischer am MaungMaKan Beach in Myanmar.
    Fischer: Mit Idylle hat die Arbeit auf Fischerbooten rund um Thailand nichts zu tun. (picture alliance / dpa / Nyein Chan Naing)
    Pit ist 43, seit 20 Jahren Fischer, seit zwei Jahren hat er keine Heuer mehr erhalten. Am Ende war er froh, lebend von dem Boot zu kommen, auf dem er wie ein Sklave gehalten wurde, ohne Rechte, ohne Papiere, häufig ohne Schlaf. Jetzt sitzt Pit mit mehreren Mitgliedern des Labor Rights Promotion Networks, einer Art Gewerkschaft für Seeleute, in einem Kleinbus, auf dem Weg zum Fischereiministerium am Rande Bangkoks.
    64.000 Bath stehen ihm noch zu, umgerechnet 1.600 Euro. Die Gewerkschafter erklären Pit, wie er sich gleich im Gespräch mit einem Referenten des Ministeriums sowie dem Anwalt des Kapitäns verhalten soll. Vor allem, sagen sie, müsse er sich gut erinnern können an alle Details des Bootes. Pit braucht das Geld, er will nach Hause, in den Norden Thailands, zu seiner Familie, sein Vater ist in den Jahren, die er nicht mehr zuhause war, gestorben:
    "Ich habe in den Jahren auf zwei Booten gearbeitet. Auf dem ersten habe ich nie Geld bekommen und bin irgendwann weggerannt. Auf dem zweiten Boot hat man mir viel Geld versprochen und wenig gezahlt. Jetzt verlange ich den Rest."
    Weiterhin katastrophale Verhältnisse
    Die Lage in Thailands Fischereiindustrie ist und bleibt katastrophal, trotz der Bemühungen der Regierung, schärfere Regeln einzuführen, um Zwangsarbeit auf den Booten sowie illegales Fischen zu verhindern. Patima arbeitet für das Labor Rights Promotion Network:
    "Das ist ein guter Anfang. Wichtig ist, dass die Regierung jetzt überhaupt einen Entwurf für eine neue, strengere Gesetzgebung vorgelegt hat, auf Druck der EU. Nun muss sich zeigen, ob es wirklich umgesetzt werden kann."
    Im Frühjahr vergangenen Jahres hatte die Europäische Union der Fischindustrie Thailands die Gelbe Karte gezeigt. Wenn das Überfischen der Meere so weitergehe, dann, so die Drohung der EU, werde man die Importe aus Thailand stoppen. Thailand ist der weltweit drittgrößte Exporteur von Fisch und Meeresfrüchten, Europa ist ein wichtiger Absatzmarkt. Im Sommer dann begannen sich die Kontrolleure auch für die Zwangsarbeit auf den Booten zu interessieren, der Druck auf Thailand wuchs.
    Marine soll Kontrollen verbessern
    Jumpol Lumpiganon ist Vize-Admiral der thailändischen Marine und als solcher für den Kampf gegen illegale Fischerei zuständig. In seinem großzügigen Büro im Navy Hauptquartier in Bangkok hängt eine Gala-Uniform, die jedem Operettenoffizier an Sissys Seite zur Ehre gereicht hätte. Jumpol ist ein stolzer Militär:
    "Hier bei der Marine laufen die Kontrollen zusammen, wir haben 28 Hafenbehörden eingerichtet, die alle ein- und auslaufenden Schiffe kontrollieren, alle Boote mit mehr als 30 Tonnen werden fernüberwacht. Die Kontrolle geht also weit, ist aber noch nicht hundertprozentig."
    Es wird kontrolliert, daran besteht kein Zweifel. Anlass zum Zweifel allerdings gibt die Tatsache, dass Regierungsvertreter mit der Fischindustrie aufs engste verwoben sind. Allzu strenges Durchgreifen ist kaum denkbar. Ja, sagt der Vize Admiral, man wisse natürlich um die grassierende Korruption, aber gerade die Navy sei da ein Bollwerk:
    "Ich kann garantieren, dass die Königliche thailändische Marine die transparenteste Einheit im ganzen Land darstellt. Wir haben eine lange Geschichte von Fairness und Transparenz. Als ich noch Kadett war, habe ich jeden Penny, jeden Bath abgerechnet, so sind wir hier ausgebildet und erzogen. Ja, natürlich hat es Korruption gegeben. Aber wir, die Marine, passen jetzt auf."
    Patima von der Seeleute-Gewerkschaft ist etwas weniger zuversichtlich, dass die Korruption wirklich schnell und effektiv bekämpft wird:
    "Korruption ist ein Dauerproblem. Geltendes Recht wird selten wirklich durchgesetzt, das hängt mit den korrupten Strukturen zusammen. Hilfreich ist, dass jetzt die Welt auf Thailand schaut und über die Wirtschaftsbeziehungen Druck aufbaut."
    Immer noch viele Zwangsarbeiter auf den Booten
    Immer noch sitzen hunderte, vielleicht Tausende Zwangsarbeiter auf Booten in der Andamanensee und vor der indonesischen Küste fest. Falls eine Kontrolle droht, wird die Mannschaft unter Deck versteckt, meistens reicht das. Rund einhundert Zwangsarbeiter haben die Hafenbehörden in den vergangenen Monaten befreit. Immerhin – am Ende aber nur ein kleiner Teil der Geschundenen. Patima:
    "Letzes Jahr sind 16.000 thailändische Seeleute an Land zurückgekehrt, nach offiziellen Angaben waren darunter nur 30, die unter Zwangsarbeit gelitten haben. Das ist nicht glaubwürdig. Die Behörden müssen sowohl mit den Bootsbesitzern sprechen, um Verständnis zu schaffen als auch mit den Seeleuten, den Opfern. Die haben es sowieso schon schwer, wieder in das alte Leben an Land zurückzufinden."
    Für Thun Lin, einen 33-jährigen Fischer aus Myanmar, kommen all diese Bemühungen zu spät. Elf Jahre war Thun auf mehreren Booten draußen auf See, immer illegal, ohne Einreisedokumente, ohne Pass – und damit rechtlos. Anfangs bekam er Geld, dann, auf dem zweiten Schiff wurde die Heuer karg und die Arbeit grausam. Thun Lin verlor vier Finger seiner rechten Hand:
    "Wir mussten damals Fisch von einem zu vollen Boot auf unser Boot verladen. Ich wollte den Fang mit dem Netz herüberziehen, mit einer Winsch, aber der Kapitän sagte, nein, wir machen das anders, wie ich es gesagt habe. Er hat nicht auf mich gehört, am Ende wurden mir alle Finger zerquetscht."
    An Bord wurde Thun die Hand verbunden, das war die ganze medizinische Versorgung. Als das Boot nah an der indonesischen Küste war, wurde er aufgefordert, hinüber zu schwimmen. Heuer für die Monate auf See gab es keine. 320.000 Bath Entschädigung erhielt der 33-jährige schließlich, umgerechnet 8.000 Euro, für die Verstümmelung, die ihm zugefügt wurde.
    Jetzt will Thun sich nach Myanmar durchschlagen, über die grüne Grenze, und einen Pass beantragen. Er hofft auf die kommende Regierung von Aung San Suu Kyi. Danach will ihm das Labor Rights Promotion Network Arbeit geben – als Kontaktmann zu den vielen Burmesen, die noch draußen auf dem Meer unter der Herrschaft ihrer Kapitäne leiden.