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Flagranter Flirt mit dem Rechtsextremismus

Vor vier Jahren raste Jörg Haider, die Gallionsfigur der österreichischen Rechten in Tod. Heinz-Christian Strache, sein Nachfolger im FPÖ-Vorsitz, hat es inzwischen zu einem der umstrittensten Rechtspopulisten Europas gebracht. Der Publizist Hans-Henning Scharsach hat den politischen Werdegang Straches in einer beunruhigenden Analyse nachgezeichnet.

Von Günter Kaindlstorfer | 26.11.2012
    "Mehr Mut zu unserm Wiener Blut - zu viel Fremdes tut niemandem gut! Das ist die Wahrheit, die wir aussprechen, für die wir gescholten und geschimpft werden."

    Heinz-Christian Strache, einer der bestaussehenden Demagogen Europas, spricht zum Wahlvolk und erntet frenetische Zustimmung. Wie einst Jörg Haider spielt auch Strache auf der Klaviatur des Fremdenhasses und der vorbehaltlosen EU-Verdammung, allerdings kommt der stramme Burschenschafter mit dem stahlblauen Blick rhetorisch um einiges tumber und eindimensionaler daher als der einstige Landeshauptmann von Kärnten, der neben rotzigen Sprüchen und dumpfer Ausländerfeindlichkeit auch so etwas wie schwulen Glamour in die österreichische Innenpolitik gebracht hat.

    Strache ist direkter, aber auch dogmatischer als die wandlungsverliebte Politdiva Haider, befindet Hans-Henning Scharsach in seinem Buch, und das hat mit Straches lebensgeschichtlicher Verwurzelung im Milieu des Neonazismus zu tun. Als junger Mann robbte H.C. Strache, wie man ihn in Österreich nennt, zusammen mit deutschen Neonazis bei sogenannten Wehrsportübungen durch den "Deutschen Wald". Alles nur harmlose Paintball-Spiele, rechtfertigte sich der FPÖ-Politiker später. Im Unterschied zu Haider, der Österreichs Freiheitliche für neue Wählerschichten öffnen wollte, hat der schlagende Burschenschafter Strache die "Freiheitliche Partei" personell und ideologisch zurück zu alter Burschenherrlichkeit geführt.

    "Die Burschenschaften sind in Österreich eine verschwindende Minderheit, sie haben eine Bevölkerungsanteil von Null-Null-Fünf Prozent, aber sie haben in der FPÖ das absolute Sagen."

    Hans-Henning Scharsach, profunder Kenner der österreichischen Rechten, listet in seinem Buch penibel die Überlappungen und Überlagerungen zwischen der FPÖ und dem organisierten Neonazismus in Deutschland und Österreich auf. Die schlagenden Burschenschaften zwischen Innsbruck und Wien spielen dabei eine zentrale Rolle, wie Scharsach nachweist. Der Autor macht deutlich: Österreichs Burschenschaften haben sich nie aus der Tradition des Nationalsozialismus gelöst und sind wesentlich radikaler als ihre Bundesbrüder in Deutschland:

    "Österreichs Burschenschaften verstoßen regelmäßig gegen das Wiederbetätigungsgesetz, sie keilen junge Leute, die in die Großstadt kommen, um zu studieren mit billigem Wohnraum, billigem Bier, mit Hilfe beim Studium, mit politischer Protektion, und die werden dann in entsprechenden Schulungen nationalsozialistisch indoktriniert, durch handverlesene Referenten, die alle aus der Neonazi-Szene kommen."

    Scharsachs 330-Seiten-Werk ist weniger eine klassische Biografie H.C. Straches, als vielmehr ein Enthüllungsbuch, das penibel alle, aber auch wirklich alle Berührungspunkte der rechtspopulistischen FPÖ und ihres Führers mit Holocaust-Leugnern und rassistischen Hetzern in Deutschland und Österreich auflistet. Bei seinen Fans schadet Strache sein flagranter Flirt mit dem Rechtsextremismus keineswegs: Bei den Parlamentswahlen, die im Herbst 2013 in Österreich stattfinden werden, darf die FPÖ mit 20 bis 25 Prozent rechnen.
    Scharsachs Buch – so brisant sein Inhalt auch ist – wird in Österreich eher unterkühlt rezipiert. Keine Spur von Skandal. Die Zeitungen brachten pflichtschuldig respektvolle Rezensionen, das öffentlich-rechtliche Fernsehen und der Rundfunk, so beklagt Hans-Henning Scharsach, boykottierten sein Buch – was vielleicht damit zu tun haben mag, dass in den öffentlich-rechtlichen Gremien auch Vertreter der FPÖ sitzen. Und so tingelt Scharsach als Herold der politischen Aufklärung durch die österreichischen Provinzen und warnt vor der radikalen Rechten.

    "Haider und Strache haben eines gemeinsam: Haider war und Strache ist ein politisches Sondertalent, gar kein Zweifel. Wenn wir Vergleiche zu Deutschland ziehen: In Deutschland gibt’s eine ganze Reihe von rechtsextremen oder partiell neonazistischen Gruppierungen, die bei Wahlen nie reüssieren, weil eine Führerpartei eben einen Führer braucht. Und die deutschen Rechtsparteien finden keine Führerfiguren. In Österreich ist das anders."

    "Wenn wir uns in Ankara so benehmen würden wie manche hier bei uns, wenn wir in Ankara auf dem Hauptplatz ein Spanferkelbraten-Fest abhalten würden, dann würden die uns zu Recht mit einem nassen Fetzen davonjagen! Wir benehmen uns auch dort anständig, und wir wollen, dass man sich auch bei uns anständig benimmt und unsere Lebenssitten und Gebräuche respektiert und einhält."

    Hans-Henning Scharsach hat bereits in den Neunzigern viel beachtete Bücher über Jörg Haider veröffentlicht. Distanziertes Analysieren und gelassenes Argumentieren waren schon damals seine Sache nicht. Scharsach hat eine Mission: Österreich vor den rechtsradikalen Verderbern zu retten. Diese Mission treibt den 69-Jährigen auch in seinem neuen Buch um. Imponierend, welche Fülle an belastendem Material Scharsach da über Heinz-Christian Strache und seine Mannen – und es sind fast ausschließlich Mannen - zusammengetragen hat. Und äußerst beunruhigend.


    Hans-Henning Scharsach:
    "Strache – Im braunen Sumpf."
    Verlag Kremayr & Scheriau, 335 Seiten, 24 Euro
    ISBN: 978-3-218-00844-0