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Flaming Lips
Wahnsinn mit Methode

Musik allein hat die Flaming Lips nie interessiert: Das Quintett aus Oklahoma City entwickelt Filme, Pop-Art, Installationen, Performances - und abenteuerliche Klänge. Mit ihrem neuen Album "Oczy Mlody" nimmt die Band ihre Fans mit auf einen ganz speziellen Trip.

Von Marcel Anders | 14.01.2017
    Der Sänger der Flaming Lips, Wayne Coyne, bei einem Auftritt
    Wayne Coine, der kreative Kopf der Flaming Lips über seine Musik: "Der Sound richtet sich nach dem Visuellen, und bislang hat noch niemand versucht, mich aufzuhalten." (dpa picture alliance/ Steve C. Mitchell)
    "Ich bin heute mehr Kind als je zuvor. Wobei die Ironie darin liegt, dass ich früher immer älter sein wollte und davon geträumt habe, mehr zu arbeiten und mehr Verantwortung zu übernehmen. Doch je älter ich werde, desto mehr erkenne ich: Viel wichtiger ist, dass mich die Leute mögen und ich Spaß habe."
    Was Wayne Coyne darunter versteht und wie kindlich er dabei vorgeht, verdeutlicht sein neues Album mit dem seltsamen Titel "Oczy Mlody". Dahinter verbirgt sich eine Wunderdroge, die in nicht allzu ferner Zukunft in gut bewachten Wohnanlagen für die Reichen und Berühmten dieser Welt erhältlich ist.
    "Wäre es nicht toll, wenn man nicht extra in eine Rehaklinik einchecken müsste – was eh nicht viel bringt -, sondern einfach in den Schlaf versetzt und mit so vielen Chemikalien vollgepumpt wird, dass sich alle Probleme wie von selbst lösen? Sobald man aufwacht, fühlt man sich wie neu geboren und hat jede Art von Sucht überwunden. Natürlich muss man dafür reich sein, weil das nicht billig ist. Wer das nicht ist, hat eben Pech."
    Dystopie im angesagten Sound
    Der Traum aller Hollywoodstars - als Metapher für eine gesellschaftliche Entwicklung, die nicht nur Wayne Coyne beunruhigt. Eben, dass für die Superreichen alles immer leichter wird, dass sie sich alle erdenklichen Exzesse und Freiheiten leisten können und ihre eigene, schwer bewachte Realität kreieren. Eine Dystopie, die die Flaming Lips mit einem originellen Sound umsetzen. Nämlich der Kombination aus übersteuerten Beats, wie sie angesagte Hip-Hopper der Marke ASAP Rocky propagieren. Und liquider Psychedelia à la Beach Boys, Beatles oder Peter, Paul und Mary.
    "Wir versuchen, im Vibe der Sixties zu schwimmen - aber nicht wie Peter, Paul & Mary zu klingen. Ich will die Sehnsucht, die in diesen Stücken steckt, mit einer modernen Produktion vermitteln. Deshalb ist das Album so emotional und melodisch. Wir kreieren zwar einen neuen Sound, aber wer sich mit Musik auskennt, weiß, dass er Elemente von den Beatles und Neil Young enthält. Es geht nur darum, wie man ihn anlegt."
    Eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft
    Ein Ansatz, der nicht immer leicht zu konsumieren ist, aber extrem spannend klingt, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft schlägt, und die Wurzeln, aber auch die Offenheit der Flaming Lips unterstreicht. Eine Band, die es seit 34 Jahren gibt, die mit "She Don't Use Jelly" nur einen echten Hit hatte, eher Kritikerliebling als Kassenschlager ist, und sich längst nicht nur auf Musik konzentriert.
    Das Quintett versucht sich an Filmen, Malerei, Installationen und ausgefallenen Tonträger-Formaten. Seien es farbiges Vinyl, Picture Disks oder MP3-Sticks in Gummibärchen-Masse: Der Kosmos der Flaming Lips kennt schlichtweg keine Grenzen.
    "Wenn du so emotionale Musik machst, werden Teile deiner Vorstellungskraft dahingehend stimuliert, dass du immer neue Sachen probieren willst. Wobei ich allerdings auch Leute kenne, die einfach nur Musiker sind – und sich für nichts anderes interessieren. Insofern bin ich wohl ein visueller Künstler, der aus irgendeinem Grund glaubt, Musik machen zu müssen. Aber der nötige Raum ist vorhanden, der Sound richtet sich nach dem Visuellen, und bislang hat noch niemand versucht, mich aufzuhalten."
    Pop-Art zum Mitmachen
    Wobei die Spezialität der Flaming Lips ganz klar ihre sagenumwobenen Konzerte sind. Da dreht die Band so richtig auf und durch, fährt Raumschiffe, Riesenhände aus Pappmasche und Konfettiregen auf, schlüpft in Alien- oder Hasenkostüme und rollt in riesigen Plastikbällen über die Köpfe der Zuschauer hinweg. Alles wie bei einem Happening oder einem Trip. Oder wie es Wayne Coyne formuliert: Pop-Art zum Mitmachen.
    "Wenn du zu unserer Show kommst, erwartet dich ein echtes Erlebnis. Eben du, deine Freunde und wir, die alle zusammen agieren. Und zwar richtig intensiv und energetisch, aber nicht einfach entspannt, was ich so gar nicht mag."