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"Flatliners" sorgt fürs Medizin-Know-how

Seit der "Schwarzwaldklinik" haben sich Krankenhausserien aus hiesiger Produktion fest im Programm etabliert und auch den Sternchen anderer Serienformate verschlägt es mal den Magen, im Krimi gleich für immer. Dafür, dass im Film-OP alles mit medizinisch rechten Dingen zugeht, sorgen Berater wie die "Flatliners".

Von Daniela Siebert | 21.01.2011
    Die Geschichte von "Flatliners" beginnt mit einem Studentenjob: Der Medizinstudent Jörg Meier beriet die Produktion der Vorabendserie "Herzschlag - Die Retter im OP" bei Dreharbeiten am Set und erkannte eine Marktlücke:

    "Die hatten natürlich alle Fragen, die es da so gibt: Wie geht eine Untersuchung der Lymphknoten? Wie halte ich als Arzt die Hände? Wie bediene ich die ganzen technischen Geräte? Fragen über Fragen und dann natürlich, weswegen es mich diese Firma hat gründen lassen: jemand liegt auf dem OP-Tisch und ist angeschlossen an das Narkosegerät, dann sagt das Narkosegerät als Erstes: Dieser Patient ist ja gar nicht bewusstlos! Und schaltet sich sofort ab."

    1999 gründete Jörg Meier daraufhin "Flatliners". Die Geschäftsidee: filmische und medizinische Wirklichkeit zusammen zu bringen. Damit beispielsweise das Narkosegerät im Film "kranke" Werte anzeigt, auch wenn ein "gesunder" Komparse angeschlossen ist oder das Ultraschallbild einen Embryo zeigt, obwohl die untersuchte Schauspielerin gar nicht schwanger ist.

    Die Entscheidung, Unternehmer statt Arzt, zu werden hat der 47-Jährige nicht bereut. Denn aus dem kleinen Ein-Mann-Unternehmen wurde schnell eine gut etablierte Firma mit heute vier festen und fünf freien Mitarbeitern. Der Umsatz liegt über einer Million Euro im Jahr. Dass "Flatliners" so gut ankommt, liegt nicht zuletzt an der riesigen Nachfrage:

    "Medizin kommt in 90 Prozent aller Filme vor. Achtet man nicht so drauf, aber: Eine medizinische Szene ist in fast jedem Film."

    Aus der Beratung wurde schnell mehr. Als sich die Gelegenheit bot, mietete Jörg Meier vom Berliner Liegenschaftsfonds ein stillgelegtes Krankenhaus in Berlin-Dahlem an: das Oskar-Helene-Heim. Hier ist auch der Firmensitz von "Flatliners". Die umliegenden Räume und insgesamt vier Nachbargebäude auf dem Klinikgelände vermietet "Flatliners" an Filmproduktionen für Dreharbeiten.

    Drehtag in der Pathologie. Die Potsdamer Filmproduktion teamworx dreht einen Krimi fürs ZDF. Anja Kling spielt eine Kommissarin, die dort einen Kollegen trifft. Im Hintergrund sieht man die Original-Leichenschränke. Auf dem Seziertisch davor liegt eine als Leiche geschminkte Darstellerin:

    "Ist sie das? Cut, aus! Danke!"

    Regieassistent Andrew Hoffmann führt hier das Kommando. Er hat schon öfter im Oskar-Helene-Heim gedreht und ist froh, dass es diese Möglichkeit gibt:

    "Es ist kein Betrieb, den wir stören, wir können stundenlang drehen, Krach machen, unsere Sachen aufbauen und verändern - so wie wir es wollen."

    An diesem Tag hat er keine Berater von "Flatliners" am Set. Bei anderen Drehs war das auch schon anders und für ihn eine wichtige Hilfe:

    "Gerade für mich als Regieassistent: Ich muss dann ja immer Komparsen inszenieren, die dann im Hintergrund irgendwelche Sachen machen - Ärzte, Pfleger. Und ich hab natürlich herzlich wenig Ahnung und freu mich immer: Gerade letzte Woche hatten wir eine Szene gedreht, wo unsere Hauptdarstellerin nach einem Kampf im Hintergrund verarztet werden sollte und da kommt natürlich immer einer von den "Flatliners" vorbei, und in wenigen Handgriffen steht die Szene realistisch und originalgetreu, und ich kann mich ganz darauf verlassen, dass alles in vernünftigen Bahnen abläuft."

    Sebastian Pleuse ist einer dieser Fach-Berater. Seit 2004 arbeitet der Allgemeinarzt für "Flatliners". Er überprüft Drehbücher auf sachliche Richtigkeit, gibt Regisseuren, Produktionsleitern und Schauspielern Tipps und Informationen. Es gebe so ein paar Klassiker, erzählt der 39-Jährige, Probleme oder Fehler, die immer wieder vorkommen. Etwa die beliebte Inszenierung einer lebensbedrohlichen Situation auf einer Intensiv-Station: Das Herz schlägt nicht mehr, das EKG zeigt eine flache Linie und der Patient soll mit Elektroschocks wiederbelebt werden. Medizinisch ist das falsch, erklärt Pleuse:

    "Das Modell Nulllinie und Elektroschock kann überhaupt nicht funktionieren. Sondern Elektroschock geht nur dann, wenn ich vorher eine gezackte Linie sehe, die durch das Kammerflimmern hervorgerufen wird."

    Die Intensivstation gehört zu den Bestsellern bei "Flatliners", erzählt Jörg Meier:

    "Mein Lieblingsprodukt ist schon seit langen Jahren `Intensivstation Standard´. Das ist voller Geräte, das ist für uns lukrativ, da ist ein Patient völlig verkabelt an Schläuchen und Geräten, wir können so unserem technischen Know-how freien Lauf lassen."

    Zwischen 1000 und 4000 Euro kostet ein durchschnittlicher Drehtag bei "Flatliners". Requisiten inklusive. Der Fundus ist riesig und reicht von der Spritze bis zum Rettungswagen. Seit 2007 gehört auch noch ein zweites stillgelegtes Krankenhaus zum Sortiment.

    Zunehmend werden bei "Flatliners" auch nicht-medizinische Szenen gedreht. Entsprechend sind einige Räume hergerichtet: Dort sieht es beispielsweise aus wie in einem Arbeitsamt oder im Gefängnis. Auch kurzzeitig anmietbare Büros für Filmproduktionsfirmen erweitern das Angebot.

    Diese Flexibilität, auf die Bedürfnisse von Filmproduktionen zu reagieren, gehört zu den Stärken von Jörg Meier und seinem Team. Das kommt gut an und so wird es ein kleines Who-is-who, wenn er aufzählt, wer schon alles bei ihnen gedreht hat:

    "Fängt an mit 'Gute Zeiten, schlechte Zeiten', die ganzen Soaps, 'Anna und die Liebe', dann natürlich alle Krimis, die man so kennt, und dann natürlich die diversen 90-minütigen Fernsehfilme . Und natürlich Kino, der neue Film von Tom Tykwer "Drei" oder "Das Leben ist zu lang" von Dani Levy, und Jodie Foster hat bei uns in der Pathologie für "Flightplan" ihren toten Mann identifiziert."

    Fazit: Wenn ein Notarztwagen durchs deutsche Fernsehen braust, sind die Chancen ziemlich hoch, dass er zu "Flatliners" in Berlin fährt.