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Flaute oder Aufwind?

Sie drehen sich noch immer, unermüdlich. Zwanzig Jahre ist es her, dass Cornelia und Karl-Heinz Hansen die Windkraftanlage mit den drei Flügeln hinter ihrem Bauernhof errichten ließen, hier an der Westküste von Schleswig-Holstein. Und bis heute versorgt die Anlage Haus und Stall in Cecilienkoog mit Wärme und Strom aus Wind. Der peitscht draußen Regentropfen gegen die Fensterscheiben. Drinnen fährt sich Bauer Hansen durch den Vollbart und deutet auf die Küchenwand. Von den beiden dort montierten Lampen leuchtet nicht die rote, sondern die grüne und signalisiert: der Hof ist autark. Hansen, den in der Gegend alle nur "Kuddel Wind" nennen, strahlt. Auf den betagten Apparat ist er stolz wie am ersten Tag – auf die 55 Kilowatt Strom, die das Gerät liefert, auch.

Von Jasper Barenberg | 30.12.2003
    Deswegen ist diese Anlage so, dass man eigentlich immer genügend Strom hat, fast immer. Hier bei uns an der Küste ist das so, dass man sagen kann: Es passt ganz gut, wenn man die Energie selbst verbraucht.
    Unter den Windmüllern zählt Kuddel Hansen zu den Pionieren.
    Von den Nachbarn anfangs noch skeptisch beäugt, ebnete er der damals noch neuen Technik den Weg: Als in den achtziger Jahren erstmals Förderinstrumente geschaffen wurden, sprangen auch andere auf den Zug auf. Heute verdienen in Schleswig-Holstein mehr als Tausend Landwirte mit der Windenergienutzung Geld. Allerdings mit Anlagen von ganz anderem Format: Die liefern 50-mal mehr Strom. Und im Vergleich zu ihren Rotoren mit einem Durchmesser von 80 Metern wirkt der Pilot von Karl-Heinz Hansen wie ein Zwerg.
    Kaum eine andere Branche ist in den letzten Jahren so mächtig gewachsen wie die der Windkraft. Nicht zuletzt dank umfangreicher staatlicher Förderung schnellte ihr Anteil am bundesweiten Stromverbrauch seit 1990 von nahe null auf fast fünf Prozent in diesem Jahr in die Höhe. Die Rotoren von 14.000 Anlagen drehen sich inzwischen an den Küsten und im Landesinneren. Der Wirtschaftszweig bietet 40.000 Menschen Arbeit – eine Erfolgsgeschichte. Bisher jedenfalls.
    Denn für viele ist der Aufschwung der Windkraft längst zum Ärgernis geworden. Tourismusverbände kritisieren die wachsende Verschandelung der Küstenstreifen. Kommunen warnen vor dem drohenden Ausverkauf ihrer Naturlandschaft. Anwohner klagen über Lärmbelästigung und störenden Schattenwurf. Zu den kritischen Begleitern der rasanten Entwicklung gehören auch die Umweltverbände. Im Grunde befürworten sie den Ausbau regenerativer Energiequellen. Andererseits fürchten sie um mögliche negative Folgen für die Natur. Ein schwieriger Balanceakt – auch für Hans-Ulrich Rösner vom WWF. Der Leiter des Projektbüros Wattenmeer in Husum tut sich schwer, die im großen Stil errichteten Windparks vorbehaltlos gutzuheißen.

    Viele von Ihnen sind an Standorten gebaut worden, wo wir als Naturschützer sagen, Ok, das ist akzeptabel, das ist ein vernünftiger Kompromiss dafür, dass wir unsere Energieversorgung weg von Kohle, weg von Öl, weg von Atom entwickeln können. Auf der anderen Seite können wir es auch nicht akzeptieren, wenn solche Windmühlen mitten in Naturschutzgebiete hinein gebaut werden oder auch zu nah an solche Schutzgebiete, auf Vogelrastgebiete, in Vogelbrutgebiete gebaut werden. Oder auch zu nah an Siedlungen gebaut werden, und die Menschen dann dort unzumutbar beeinträchtigt werden.
    Solchem Unmut zum Trotz geben sich die Macher selbstbewusst. Auf der diesjährigen internationalen Windmesse in Husum präsentierte mit dem Hamburger Unternehmen Repower Systems einer der Großen im Markt das Windrad einer neuen Generation - so leistungsfähig, wie bislang kein zweites in der Welt.

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    Der Prototyp überspringt mit einer Leistung von fünf Megawatt eine magische Grenze in der Sparte. 180 Meter soll die Anlage von Repower einst in die Höhe ragen und 5.000 Haushalte mit Strom versorgen. Vorstandsvorsitzender des Unternehmens ist Fritz Vahrenholt, der frühere Umweltsenator von Hamburg. Er gerät ins Schwärmen, wenn er von dem Maschinenhaus spricht, an dem die drei Flügel montiert werden.

    22 Meter lang, sechs Meter tief und sechs Meter breit: das ist schon fast wie eine große Halle. Wir kriegen sie nicht mehr unter die Brücken der Autobahn. Das sind riesige Dimensionen, das sind Giganten der Energieerzeugung.
    Das ist auch ganz nach dem Geschmack von Wilfried Voigt, dem grünen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Schleswig-Holstein – dem Land, das sich gern als Pionier der Windenenergienutzung sieht.

    Die Windenergie ist unter den erneuerbaren Energien diejenige, die am schnellsten auch tatsächlich ökologisch Strom erzeugen kann. Deswegen spielt sie eine herausragende Rolle. Und die Windenergie hat bewiesen, gerade auch in Schleswig-Holstein, dass sie ein eigentlich nicht mehr wegzudenkender Faktor einer stabilen Regionalwirtschaft ist.
    Schon heute decken die überall im Land gebauten Windkraftanlagen ein Viertel des gesamten Stromverbrauchs. Das entspricht dem Energiebedarf der vier größten Städte des Landes zusammen. Eine weitere Steigerung dieses Anteils verspricht der anstehende Austausch der alten durch neue, leistungsfähigere Anlagen. Doch geeignete Flächen an Land sind weitgehend erschöpft. Deshalb setzt die Landesregierung zusammen mit der Industrie auf den nächsten viel versprechenden Entwicklungsschritt: den Schritt hinaus ins Meer: Vor den Küsten von Nord- und Ostsee sollen große Windparks die stetigen Winde der See einfangen. Und auf diese Weise dazu beitragen, dass schon Ende des Jahrzehnts in Schleswig-Holstein jede zweite verbrauchte Kilowattstunde Strom aus der Luft gewonnen wird.
    Der erste dieser so genannten Off-Shore-Windparks ist bereits genehmigt. 35 Kilometer westlich der Insel Sylt sollen in drei Jahren die Rotoren von 80 Anlagen 200 Tausend Haushalte mit umweltfreundlichem Strom versorgen. Was aber die Anteilseigner aus der strukturschwachen Region als lukrative Einkommensquelle betrachten, haben der Bund für Umwelt und Naturschutz und der Naturschutzbund als Sündenfall ausgemacht. Sie klagen gegen das Projekt mit dem Namen "Butendiek", weil die Europäische Union den vorgesehenen Baugrund als Schutzgebiet anerkannt hat. Auch Hans-Ulrich Rösner vom WWF befürchtet einen Präzendensfall:

    Dort leben sehr sehr viele Schweinswale, dort leben sehr viele Seetaucher. Das ist eine Vogelart, die aus der Arktis zu uns kommt und hier auf der offenen See überwintert und die sehr sehr störanfällig ist. Und das ist einfach nicht sinnvoll, Windparks nun ausgerechnet in solche Schutzgebiete zu stellen.

    Die Umweltverbände müssen darüber nachdenken, dass es wenig Sinn macht zu sagen: Wir finden Wind gut, aber nicht bei uns. Wir wissen sehr gut, welchen Schatz wir mit dem Nationalpark haben. Wir wissen sehr genau, welchen Schatz wir mit den großen Vogelzügen in der Nordsee haben.
    Wilfried Voigt, der Kieler Energiestaatssekretär, hat wenig Verständnis für die Haltung der Umweltschützer. Er nimmt für die Landesregierung in Anspruch, dass sie den Bau von Windfarmen im Nationalpark Wattenmeer grundsätzlich ausgeschlossen hat. Und: dass bei der Genehmigung alle sieben derzeit geplanten Windparks an den strengsten Umweltschutzkriterien der EU gemessen werden.

    Und dann gibt es nur zwei Möglichkeiten im Verfahren. Entweder ist es so, dass das beantragte Projekt gemessen an diesem hohen Standart der Richtlinien verträglich ist. Und dann muss es auch errichtet werden können. Oder es ist nicht verträglich, und dann heißt das im Verfahren: nein! Dann gibt es keine Genehmigung.
    Der Klage der Umweltverbände sieht Wilfried Voigt mit Gelassenheit entgegen. Er hält sie für ebenso unvernünftig wie unberechtigt. Für größere Unruhe unter den Förderern wie unter den Unternehmern der noch jungen Branche sorgte dagegen, dass Wirtschaftsminister Wolfgang Clement wochenlang gegen die Windkraft stichelte. Es sah so aus, als beginne sich politisch der Wind zu drehen. In einem Grundsatzpapier zur Energiepolitik stellte der Sozialdemokrat die bisherige staatliche Förderung der Windenergie grundlegend in Frage. Herstellern und Betreibern warf Clement eine "Subventionsmentalität" vor. Sehr zum Unwillen des Bundesverbandes Windenergie und seines stellvertretenden Präsidenten Hermann Albers. Der sieht in dem Wirtschaftsminister schlicht einen am Werk,...

    ...der offensichtlich nichts besseres zu tun hat, als Dinosaurierstrukturen der Steinkohle zu wahren und bestenfalls versuchen will, einen Deal zu fahren: gibst Du mir die Steinkohle, gebe ich Dir ein bisschen erneuerbare Energien. Das halten wir für nicht verantwortungsbewusst und zukunftsfähig und hoffen, dass man Zukunftsmärkte erkennt und auch erkennt, dass Arbeitsplätze immer dort stattfinden, wo morgen Arbeit entsteht und nicht, wo gestern Arbeit gewesen ist.
    Für die erfolgsverwöhnte Branche stand einiges auf dem Spiel: Seit drei Jahren garantiert das Erneuerbare-Energien-Gesetz die Abnahme von Windstrom und dessen Vergütung mit durchschnittlich neun Cent für jede Kilowattstunde. Nur so lohnt sich der Betrieb von Windrädern und Bürgerparks. Und nur so kann die Sparte auf einem Markt konkurrieren, auf dem Strom aus konventionellen Kraftwerken gerade einmal zwei- bis zweieinhalb Cents kostet. Die Differenz zahlt der Verbraucher.
    Das war bislang politisch gewollt – vor allem mit Blick auf den Klimaschutz. Und wird es auch bleiben. Denn anders als Wirtschaftsminister Wolfgang Clement war Umweltminister Jürgen Trittin stets daran gelegen, bei der anstehenden Novelle des Gesetzes an den Prinzipien der gestaffelten Förderung festzuhalten. Im Zwist der Kabinettskollegen hat er sich jetzt weitgehend durchgesetzt. Der Umweltminister hält an dem Ziel fest, bis zum Jahr 2020 den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent zu erhöhen.

    Dafür haben wir die Förderung für Windkraft auf See, der so genannten Off-Shore-Windkraft, verbessert. Und wir haben gleichzeitig dafür Sorge getragen, dass in den Bereichen, in denen der technische Fortschritt so schnell war, dass die Einspeisevergütung überhöht erschien, es zu Absenkungen kommt.
    Mit den jetzt vorgesehenen Einschränkungen wird die Windbranche leben können. Schließlich ist sie schon lange darauf eingestellt, dass die Förderung von Jahr zu Jahr abnimmt. Und angesichts des absehbaren Endes fossiler Energiereserven rechnet sich Fritz Vahrenholt als Hersteller von Windmühlen schon heute gute Chancen aus, in nicht ferner Zukunft Strom günstiger zu produzieren als die konventionelle Konkurrenz.

    Wir werden im zweiten Jahrzehnt der Billigmacher im deutschen Energiemix. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie die Knappheit der Öl- und Gasressourcen - wir stehen kurz vor dem Rückgang der Öl- und Gasförderung der Nordsee! – wie also dieser Rückgang zu steigenden Energiepreisen führen wird. Und wir werden es erleben, dass man im nächsten Jahrzehnt sehr froh ist, mit sechs bis acht Eurocent Strom zu produzieren. Dann werden wir aber schon bei sechs sein!
    Dies gilt um so mehr, als die Energieversorgung in Deutschland insgesamt vor einem gewaltigen Umbruch steht. In den nächsten zwanzig Jahren muss fast jedes zweite konventionelle Kraftwerk ersetzt werden – wegen Überalterung und als Folge des vereinbarten Ausstiegs aus der Kernenergie. Was aber wird an die Stelle der heutigen Mischung aus Atomkraft, Kohle und Gas treten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Professor Wolfgang Pfaffenberger am Energie Institut der Internationalen Universität Bremen. Der Wissenschaftler warnt davor, zuviel von der Windenergie zu erwarten.

    Es gibt ein großes Problem, wenn die Kernkraftwerke tatsächlich, so wie es geplant ist, abgeschaltet werden, weil da entsteht ein ziemlich großes Loch. Das kann der Wind nicht füllen, weil er zu ungleichmäßig ist. Füllt man es mit Kohle, hat man ein Klimaschutz-Problem. Füllt man es mit Gas, hat man ein Import- und Preisproblem. Also, diese Frage ist einfach noch nicht geklärt.
    Die Energieversorgung der Zukunft ist heute eine Gleichung mit noch vielen Unbekannten. Die Diskussion darüber hat gerade erst begonnen. An Kritikern eines forcierten Ausbaus der Windstromerzeugung herrscht dabei kein Mangel. In ihren Augen leidet die Windkraft vor allem an einem ebenso schlichten wie folgenreichen Manko: Ihrer natürlichen Unstetigkeit. Regt sich kein Lüftchen, stellen die Mühlen ihren Betrieb ebenso ein wie in Zeiten, in denen der Wind allzu stark bläst. Das verringert die Effizienz dieser sanften Energietechnik. Mehr noch: es zwingt die Stromkonzerne, ständig Ersatzenergie bereit zu halten – eine Aufgabe, die in Deutschland mehr und mehr auch konventionelle Kraftwerke übernehmen. Sie werden über lange Zeiträume mit gedrosselter Leistung betrieben, um Ausfälle zu kompensieren. Damit aber steigt mit jedem Windrad auch die Belastung der Umwelt. Denn jede Kilowattstunde Windenergie muss mit schädlichem Kohlendioxyd erkauft werden, das bei der Verbrennung von Öl und Kohle unweigerlich entsteht. So argumentieren die Skeptiker der Windkraft. Deren Förderer halten dagegen: der grüne Staatssekretär im Kieler Wirtschaftsministerium, Winfried Voigt.

    Das ist nichts neues, dass wir Regelenergie brauchen – brauchen wir auch im jetzigen System. Also wenn beispielsweise durch eine Schnellabschaltung ein Atomkraftwerk ausfällt – 1300 Megawatt – dann muss blitzschnell für Ersatz gesorgt werden. Also Regelleistung muss sowieso immer vorgehalten werden.

    Auch Hermann Albers vom Bundesverband Windenergie will nicht gelten lassen, dass man der Windbranche zur Last lege, was für jeden Energiebereich gelte – nicht zuletzt für die Kernenergie.

    Die Kraftwerke im Hamburger Umland haben die Verpflichtung, fünfzig Prozent ihrer Versorgungskapazität in Reserveenergie bereit zu halten. Wir haben immer wieder Abschaltungen. Wir haben Revisionen von Kraftwerken: Brunsbüttel ist ein Kraftwerk, dass schon über ein Jahr hinweg nicht in Betrieb war. Insofern haben wir diese Diskussion in jedem Energiemarkt zu führen. Allerdings ist es so, dass wir im internationalen Verbund der Energieversorgung diese Leistung und diese Lasten relativ problemlos auch über Grenzen hinweg erfüllen können.
    Und so skizzieren die Hersteller und Betreiber die Vision eines zunächst nationalen, später europäischen und am Ende internationalen Verbundnetzes. Demnach könnten einst Wasserkraftwerke in Süddeutschland eine Flaute im Norden kompensieren, Windenergie von Spaniens Küsten Ersatz schaffen, wenn in die Mühlen in Deutschland zeitweilig ausfallen. Nach Ansicht der Branche eine Lösung mit erheblichen Vorteilen gegenüber der heutigen Struktur schwerfälliger und großer Kraftwerke hierzulande – auch und gerade mit Blick auf die Versorgungssicherheit.

    Dieser Sommer war im Hinblick auf Kernenergie ein Beleg dafür, wo Kernkraftwerke um fünfzig, sechzig, siebzig Prozent zurückgefahren werden mussten und damit generell keine Versorgung mehr vorlag. Ich denke, dass ist ein Beispiel dafür, dass die Versorgungssicherheit dezentral, regenerativ besser werden kann und noch dazu mit einer höheren Einbindung der Bevölkerung.
    Die große Lücke, die der Wegfall der Atomenergie in den nächsten 20 Jahren reißen wird, kann durch Wind allein nicht gefüllt werden. Das räumt auch Hermann Albers ein. Um so wichtiger erscheint es ihm, andere regenerative Energiequellen wie Sonnenkraft, Biomasse und Erdwärme stärker zu fördern als bisher.

    Wenn wir diese Säulen homogen gleichmäßig aufbauen und einbinden in eine ja noch funktionierende Kraftwerkstruktur, die wir ja noch über einige Jahre und Jahrzehnte haben werden, meine ich kann das der Übergang eines Energie-Mixes zunächst einmal mit konventionellen Energieträgern hin zu einem Energie-Mix ohne konventionelle Energieträger werden.
    Wichtig wird sein, welche Entscheidungen die Bundesregierung in den nächsten Monaten treffen wird. Denn die Überarbeitung der Fördersätze für erneuerbare Energien ist nicht der einzige Punkt auf der energiepolitischen Agenda. Einigen muss sich Rot-Grün auch über die weitere Förderung des unwirtschaftlichen deutschen Steinkohlebergbaus. Die Strom- und Gasnetze sollen für den Wettbewerb geöffnet werden. Schließlich gilt es, von 2005 an den Handel mit Zertifikaten für den Ausstoß des klimaschädlichem Kohlendioxid zu organisieren. All das wird weitreichende Folgen für die Energieversorgung haben. Um so stärker vermisst der Bundesverband Windenergie ein schlüssiges Gesamtkonzept. Präsident Peter Ahmels.

    Ich halte das für ein schwerwiegendes Versäumnis, dass jetzt in der Zeit, wo die Entscheidungen anstehen, in den nächsten Jahren 40.000 Megawatt zu ersetzen, auch noch wirklich für mich kein erkennbares Konzept vorliegt.

    Immerhin, so der Unternehmer Fritz Vahrenholt, habe die Politik die Frage der künftigen Energieversorgung inzwischen als Thema entdeckt, nachdem sie zehn Jahre lang mehr oder weniger im Dunkeln herumgestolpert sei.

    Aber was wir doch brauchen, ist zu sagen: wie wollen wir 2020 eigentlich den Energiebedarf decken? Wie viel ist der Import, was machen Erneuerbare, wie hoch wird der Kernenergieanteil sein. Natürlich gibt es dann eine europäische Energiepolitik. Aber was wird denn dann stehen? Wie viele Kraftwerke stehen denn da? Können wir es uns überhaupt leisten, als Industriestandort Energietechnik weiter zu vernachlässigen, wie das immer getan worden ist?

    Mit Blick auf die Industrieländer insgesamt ist für Staatssekretär Wilfried Voigt im Kieler Wirtschaftsministerium eines heute schon klar.

    Alle wissen stillschweigend: So wie jetzt kann es exponentiell nicht weitergehen. Es geht einfach nicht! So, und da ist die schlichte Wahrheit einfach die: Wer als erster umsteuert, hat die besten Karten.

    Und dazu gehört in seinen Augen vor allem zweierlei: Zum einen mithilfe intelligenter Technologien Energie einsparen, ohne auf Komfort verzichten zu müssen und gleichzeitig die Effizienz bei der Gewinnung von Energie zu erhöhen – etwa durch Kraft-Wärme-Kopplung. Zum zweiten aber soll die stärkere Nutzung anderer erneuerbarer Energiequellen wie etwa der Biomasse helfen, die quasi natürliche Unzuverlässigkeit der Windenergie auszugleichen. Wie groß in zwanzig Jahren der Anteil der Windkraft an diesem Energie-Mix der Zukunft sein wird, da will sich auch Wilfried Voigt nicht festlegen. 60 bis 70 Prozent hält er aber für denkbar.

    Also ich denke, wir sollten schon anstreben, irgendwann mal den Zustand zu erreichen, dass Wärme- und Strombereitstellung komplett aus erneuerbaren Energien verfolgt werden. In 20 Jahren wird das noch nicht so weit sein. Aber in 20 Jahren bin ich mir sehr sicher, dass wir irgendwo zwischen 50 und 100 Prozent liegen werden – In Schleswig-Holstein.