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Fleischlos glücklich

"Fleisch kommt mir nicht in die Tüte" ist das Motto des Welt-Vegetarier-Kongresses in Dresden, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum feiert. 1908 waren es noch rund 30 Teilnehmer, heute sind fast 700 Vegetarier an die Elbe gereist, um die gesundheitlichen, ethischen und ökologischen Aspekte der fleischlosen Ernährung zu diskutieren.

Von Sven Näbrich | 30.07.2008
    Diverses grünes Gemüse auf blauem Untergrund.
    Kann man mit sich ohne tierische Produkte ausreichend gesund ernähren? (imago / fStop Images / Larry Washburn )
    "Also ich habe mir auf den Teller gelegt Spaghetti mit Pfifferlingen und Bohnen. Das, nehme ich an, ist so was Ähnliches wie Couscous und ein Gurkensalat."

    "Das war so ein Pilz- und Nudelgemüse. Und dann Reis, Gurkensalat, Tomatensalat. Und jetzt esse ich Ananas."

    "Also vorhin hatte ich Salat und jetzt habe ich Spaghetti mit so Mischgemüse - und ich möchte betonen, ich werde nächstes Jahr 80 und bin seit meinem sechsten Lebensjahr Vegetarierin."

    Vegetarische Ernährung ist zumindest keine Altersfrage. Ein Blick in den Speisesaal des Dresdner Kongresszentrums verrät: Jung und Alt lassen es sich gleichermaßen schmecken. Fast 700 Vegetarier aus rund 35 Ländern sind nach Dresden gekommen, um sich über die vegetarische Ernährung und Lebensweise auszutauschen. Mit dabei auch Saurabh Dalal, Vizechef der International Vegetarian Union. Der US-Amerikaner macht weltweit zur Zeit zwei große Bewegungen aus: einerseits steige die Zahl der Vegetarier in den westlichen Ländern, zugleich aber erhöhe sich auch der Fleischkonsum in ärmeren Regionen:

    "Es ist zwar schwierig, einen globalen Überblick zu geben. Aber ich denke, unsere Zahl wächst. Viele Menschen sind sich heute der Ideen hinter unserer Bewegung mehr und mehr bewusst - ob nun Umweltproblematik, Probleme bei der Massentierhaltung oder auch gesundheitliche Belange. Leider gibt es aber auch Regionen, in denen der Fleischverbrauch rapide ansteigt. Laut Schätzungen könnte er sich dort in den nächsten 20, 40 Jahren gar verdoppeln."

    Aufklärung ist deshalb seiner Ansicht nach oberste Pflicht für die vegetarische Gemeinde. In Dresden werden im Laufe der Woche über 90 Vorträge und Referate zu gesundheitlichen, ethischen und ökologischen Aspekten der fleischlosen Ernährung gehalten. Und auch auf den Gängen und Fluren des Kongresszentrums haben Gesundheitsberater, Tierschützer, Großhandelsfirmen und kleine Tee-Anbieter ihre Stände aufgebaut. Jeder, der sich der vegetarischen Lebensweise verpflichtet fühlt, will Flagge zeigen. Der Vorsitzende des Vegetarier-Bundes Deutschland, Thomas Schönberger, befürwortet vor allem in Zuge der aktuellen Klimadebatte ein neues vegetarisches Bewusstsein:

    "Das ist ja schon lange eigentlich ein Thema, was wir sehr stark bearbeiten. Jetzt, seit etwa zwei Jahren, ist ja das Thema Klimawandel sozusagen im Zeitraffer aus der Szene, die sich damit beschäftigt - Umweltbewegung, vegetarische Bewegung - in die Mitte der Gesellschaft, ins Bewusstsein der Gesellschaft gerückt. Vielleicht kurz zusammengefasst kann man sagen, dass ja die vegetarische Ernährung deutlich weniger Aufwand benötigt, um etwas Genieß- und Essbares auf den Teller zu bekommen. Und deswegen natürlich auch klimaschonend ist, weil mit dem wenigen Aufwand auch weniger Energieverbrauch und weniger CO2-Ausstoß natürlich verbunden ist."

    In der Tat sind sich viele Forscher einig, dass die Folgen des Fleischkonsums mit zur Erderwärmung beitragen. Insbesondere das Rindfleisch ist wegen des Methanausstoßes der Kühe in die Kritik geraten. Experten schätzen weiterhin, dass 40 bis 50 Prozent der weltweiten Getreideernte an die Tiere verfüttert werden. Vegetarier wie Thomas Schönberger fordern deshalb angesichts von Getreideknappheit und unvermindertem Klimawandel von der Politik ein Umdenken:

    "Die Politik muss mehr als bisher steuernd eingreifen. Dinge, die in die richtige Richtung gehen, vielleicht steuerlich begünstigen und Dinge, die in die falsche Richtung gehen - Beispiel Auto ist ja in der Diskussion, CO2-Steuer - auch stärker belasten. Also Offroad-Cars mit 15 Liter müssen belastet werden, und der Drei-Liter-Wagen müsste steuerlich begünstigt werden. Das wäre vernünftig. Ebenso ist denkbar, dass man Produkte, die äußerst klimaschädlich sind im Ernährungsbereich, wie eben Fleisch, mit einer Fleischsteuer belegt. Das ist noch nicht populär, aber wir arbeiten daran, dass es das eventuell wird."