Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Flensburger Zentralklinikum
Schwangerschaftsabbrüche nur noch im Notfall

Es soll ein Vorbild-Projekt werden: Das „Malteser-Diako“-Klinikum in Flensburg wird das erste ökumenisch geführte Krankenhaus in Deutschland sein. Doch nun ist eine Debatte um die künftige medizinische Versorgung entbrannt, weil der katholische Träger beim Thema Schwangerschaftsabbruch bremst.

Von Lukas Knauer | 08.11.2019
Hauptgebäude des Diakonissen Krankenhaus (Diako) in Flensburg (Schleswig-Holstein)
Das Diako-Krankenhaus in Flensburg soll im Flensburger „Malteser-Diako“-Zentralklinikum aufgehen - dort sollen dann keine Schwangerschaftsabbrüche mehr angeboten werden (dpa/Carsten Rehder)
"Die katholische Ethik sagt: das Personal des Krankenhauses und das Krankenhaus selbst, die Räume und auch das Gelände ist für Schwangerschaftsabbrüche nicht zur Verfügung zu stellen", sagt Klaus Deitmaring, Geschäftsführer des katholischen St. Franziskus Hospitals in Flensburg.
Katholischer Träger setzt sich durch
Lange hatten die katholischen Malteser mit der evangelisch-lutherischen Diakonissenanstalt, kurz Diako, in Flensburg verhandelt. Ein letzter Punkt war das Thema Schwangerschaftsabbruch: Die Katholiken sagten nein, die Protestanten, auch Diako-Leiter Pastor Wolfgang Boten, gaben nach:
"Es war eben die Situation, dass wir einen Kompromiss eingehen mussten, um halt dieses Krankenhaus zu ermöglichen, wir stehen da unter der Kritik, auch von Frauen aus unserer Kirche. Ganz massiv sogar. Und das ist eben das evangelische, dass man auch in Diskussionen kommt und das dann in der Diskussion miteinander austauscht."
Katholische Ethik versus allgemeiner Versorgungsauftrag
Mehr als 100.000 Patienten werden derzeit in beiden Kliniken zusammen ambulant und stationär pro Jahr behandelt. So viele sollen es auch im gemeinsam geplanten Zentralkrankenhaus sein. Bloß eben ohne die Möglichkeit Schwangerschaftsabbrüche vornehmen zu lassen. Den Landesgeschäftsführer von Pro Familia in Schleswig-Holstein, Reiner Johannsen, macht das wütend:
"Ich kann es nachvollziehen, dass man aus Glaubensgründen nicht für den Schwangerschaftsabbruch ist, soweit bin ich d'accord. Aber diese Klinik wird eben mit Landesmitteln gefördert und sie hat einen allgemeinen Versorgungsauftrag und dem kommt sie in dem Augenblick nicht mehr nach. Das heißt, man muss jetzt eine Möglichkeit finden, wie man das unter ein Dach bekommt. Das wird nicht leicht sein. Aber wir werden nicht davon abrücken, dass dieser Versorgungsauftrag weiterhin besteht auch."
Frauenärzte-Verband sieht Versorgungsauftrag gefährdet
Und diesen Versorgungsauftrag sehen viele als gefährdet an. Die Vorsitzende des Landesverbandes der Frauenärzte sagt, dass nur noch vier Ärzte in Flensburg operative Abbrüche vornehmen, vor sechs Jahren waren es noch neun. Allein Pro Familia in Flensburg hat aber im vergangenen Jahr 233 Frauen beraten. Zu wenig Versorgung also, wenn sich das zukünftige Großkrankenhaus verweigert, dass fast ausschließlich mit mehreren 100 Millionen Euro Fördergeldern vom Land finanziert wird. Viele Flensburger können da nur mit dem Kopf schütteln:
"Wir haben uns schon darüber aufgeregt, dass das so stur geregelt werden soll." – "Wir sind katholisch, aber wir denken da nicht so." – Die Frauen machen das ja nicht leichtfertig und aus Jux und Dollerei. Aufklärung durch die Ärzte ist ja auch erfolgt." – "Es ist ihr Körper. Und zum Spaß macht sie es bestimmt nicht." – "Ich wünsche keiner Frau im Leben, in diese Situation zu kommen. Aber es passiert eben manchmal – und dann müssten wir doch alle Rechte haben dürfen zumindest in ein Klinikum unserer Wahl zu gehen."
Widerspruch im Gesetz
Aber genau hier liegt der Knackpunkt: Im "Schwangerschaftskonfliktgesetz" ist geregelt, dass die Länder für die Krankenhausplanung und Sicherstellung der ambulanten Versorgung zuständig sind - allerdings kann das Land Schleswig-Holstein Ärztinnen und Ärzten nicht vorschreiben Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Die Träger des Krankenhauses können also entsprechend ihrer ethischen und moralischen Weltansichten selbst darüber entscheiden. Ein Widerspruch im Gesetz, meint auch der Leiter der Flensburger Diako, Pastor Wolfgang Boten:
"Auf der einen Seite kann niemand dazu verpflichtet werden, auf der anderen Seite möchte der Staat das Recht sicherstellen, was natürlich eine Schwierigkeit ist, wenn niemand dazu gezwungen werden kann. Das ist eben ein Bruch im Gesetz, was ja in ganz Europa das schwierigste und komplizierteste im Schwangerschaftsabbruch ist."
Schwangerschaftsabbruch im Strafrecht geregelt
Dazu gehört auch, dass der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland noch immer durch das Strafrecht geregelt ist. Der entsprechende Paragraph 218a ist immer mal wieder Thema der öffentlichen Debatte. Keine strafbare Abtreibung liegt nur dann vor, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Die Schwangere war bei einer Beratungsstelle wie etwa Pro Familia.
2. Die Abtreibung wird von einem Arzt durchgeführt.
3. Die zwölfte Schwangerschaftswoche ist noch nicht beendet.
Im geplanten ökumenischen Zentralkrankenhaus in Flensburg sollen Schwangerschaftsabbrüche aber nur durchgeführt werden, wenn sie "medizinisch indiziert" sind, heißt zum Beispiel, wenn Lebensgefahr für die Frau besteht. Alle Frauen, die aus anderen Gründen ihre Schwangerschaft abbrechen wollen, müssten also nach Schleswig ausweichen, etwa 40 Kilometer entfernt. Aus Sicht von Anne Redmann von Pro Familia macht dies die Situation für Frauen noch komplizierter:
"Wenn man sich mal so vorstellt, eine Frau, die vielleicht keinen Führerschein hat, die nicht in der Lage ist selbst dorthin zu kommen, muss mit Bus und Bahn dann nach Schleswig fahren. Das ist, glaube ich, keiner Frau in dieser Situation zuzumuten. "
"Wir haben keine Kompromissmöglichkeit"
Die Diskussion, die gerade in Flensburg geführt wird, könnte man auch als Blaupause für die Situation in der Bundesrepublik sehen. Schwammig formulierte Gesetze und die katholische Kirche, die auf ihrer Ethik beharrt – auch wenn es sich um ein ökumenisches Projekt handelt. In der Fördestadt im nördlichen Schleswig-Holstein wollen sich zumindest alle Beteiligten nochmal Mitte November zu Gesprächen zusammensetzen. Aber ob die etwas bringen werden, ist aus Sicht des Geschäftsführers des katholischen St. Franziskus Hospitals, Klaus Deitmaring, zumindest fragwürdig:
"Wir haben keine Kompromissmöglichkeit, wir können im Grunde mit überlegen, wir können vielleicht Anregungen geben, wir können selbst aber keine Problemlösung realisieren."