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Flexibilität mit Folgen

Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten zur Zeitarbeit in den vergangenen Jahren deutlich erweitert. In der Folge hat sich der Markt für Leiharbeiter rasant entwickelt. Doch Dumping-Löhne und die Verdrängung bisheriger feste Arbeitsplätze trüben die Bilanz.

Von Andreas Burman | 07.05.2007
    "Ich bin gelernte Pferdewirtin, ist an sich mein Traumberuf. Der Nachteil ist natürlich, ist eine Sieben-Tage-Woche, und das ist ein Zehn-Stunden-Tag. Und dadurch haperte es bei der Betreuung des Kindes. Und dadurch musste ich mir natürlich was Anderes suchen. Man kriegte so bei normalen Firmen also überhaupt keine Arbeit, und die Zeitarbeit als solche war für mich die einzige Chance, wieder ins Berufsleben reinzukommen."

    Mit der Geburt ihrer Tochter konnte Petra Nehmann ihren Traumberuf an den Nagel hängen. Für die alleinerziehende Mutter hieß der einzige Ausweg: Leiharbeit. Inzwischen ist die 29-Kährige schon für die dritte Zeitarbeitsfirma tätig. Gerade schraubt und nagelt sie in einem Metall-Betrieb bei Bonn Metallgewinde nach den Vorgaben auf einem Computerbildschirm.

    In dem selben Betrieb arbeitet auch Leiharbeiter Cihan Koyuncu als Produktionshelfer. Für den 20-Jährigen ist die Zeitarbeit der Einstieg in die Beschäftigung gewesen. Dabei waren die Perspektiven für den kurdischstämmigen Deutschen nicht gerade vielversprechend. Nach der Schule hatte er eine Lehre begonnen, erzählt er:

    ""Als Autolackierer, aber nach zwei Jahren abgebrochen. Leider, wenn ich ehrlich bin. Dann war ich cirka halbes Jahr zu Hause am Schlafen. Danach durch Freundeskreis habe ich erfahren, dass Team BS Leute braucht zum Arbeiten. War ich bei Team BS, jetzt bin ich seit Oktober hier. Und wenn ich hier einen Festvertrag kriege, möchte ich mich weiterbilden und hocharbeiten."

    Ähnlich wie Koyuncu und Petra Nehmann haben im letzten Jahr rund 500.000 Menschen bei einer Zeitarbeitfirma angeheuert, als Hilfsarbeiter in der Produktion, im Lager, in der Gastronomie oder der Reinigung, als Lastwagenfahrer, Krankenschwester, Lokführer, als Zerspanungsmechaniker, Programmierer, Kulturwirt oder Luftfahrt-Ingenieur. Nur knapp 27 Prozent hatten auch zuvor eine Beschäftigung. Dass zeitweise drei von vier neuen Arbeitsplätzen von Zeitarbeitsunternehmen angeboten werden, unterstreicht den Aufwind der Branche, wie der Bonner Niederlassungsleiter von Branchenprimus Adecco, Rainer Scholz, bestätigt:

    "Inzwischen ist es so, dass viele Unternehmen dazu übergehen, Arbeitskräfte aus dem Rahmen der Zeitarbeit sowohl im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung zu beschäftigen, als auch daraus neue Mitarbeiter zu generieren, also in Festanstellungen zu übernehmen. Es ist halt so, dass die Personalabteilungen sehr stark ausgelastet sind, und dieser administrative Aufwand soll halt dadurch aufgehoben werden, dass Personaldienstleistungsunternehmen damit beauftragt werden, diese Mitarbeiter zu rekrutieren und die Belegschaft, einige Teilbereiche daraus, mit diesen Mitarbeitern zu besetzen."

    Adecco ist der weltweit größte Zeitarbeitskonzern mit Niederlassungen in mehr als 70 Ländern. Vorsitzender Klaus Jacobs, bekannt durch die Bremer Kaffeeröster-Dynastie, erwartet für die Branche eine goldene Zukunft.

    In Deutschland teilt sich der Schweizer Konzern den boomenden Markt mit rund 5.000 Anbietern. Etwa 40 Prozent des Jahresumsatzes von inzwischen zwölf Milliarden Euro machen dabei die 15 Branchenführer, allen voran neben Adecco der US-Konzern Manpower und der niederländische Konzern Randstadt mit Gewinnen weit im zweistelligen Millionenbereich und einem Wachstum um bis zu 60 Prozent.

    Die Bundesagentur für Arbeit führt das auf den Gewinn an Flexibilität zurück, die die Unternehmen durch Zeitarbeit gewinnen. Diesen Vorteil weiß auch der Metall-Konzern Walterscheid bei Bonn zu schätzen, wie Personalchef Norbert Fielenbach erläutert:

    "Das heißt also, relativ kurzfristig können wir die Leasing-Werker anfordern. Innerhalb von ein bis zwei Tagen haben wir dann auch schon die ersten Mitarbeiter hier. Das ist ein Vorteil gegenüber dem Arbeitsamt, wo die Prozesse halt länger dauern. Und natürlich auch der Verwaltungsaufwand ist extrem geringer."

    Je nach Auftragslage schwankt die Zahl der Jobnomaden bei Walterscheid. Im Schnitt machen sie etwa zehn Prozent der rund 550 Mitarbeiter aus. Die Zeitarbeitsfirma unterhält praktischerweise auch ein Büro im Hause, bietet also einen so genannten Inhouse-Service. Flexibilität ist auch für den Arbeitsmarktexperten der SPD im Bundestag, Klaus Brandner der große Vorteil von Zeitarbeit. Er fügt aber hinzu:

    "Umgekehrt haben die Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, dass sie in gesicherten Arbeitsverhältnissen sich bewegen. Und die Zeitarbeit ist zumindest vom Grundsatz her eine Möglichkeit, in ganz normalen Arbeitsverhältnissen diese Flexibilität mit zu gewährleisten. Und jetzt kommt es darauf an, dass die Arbeitsbedingungen auch so gut sind, dass sie einfach mit anderen Arbeitsbedingungen mithalten können. Und daran hapert es manchmal."

    Brandner weist damit auf die weniger glanzvolle Kehrseite der Medaille hin. Zum Teil hat sich nämlich der Boom zu Lasten der Zeitarbeitsbeschäftigten entwickelt, so dass mitunter schon einmal von "Sklavenarbeit" die Rede ist. So machte erst vor kurzem der Deutsche Gewerkschaftsbund darauf aufmerksam, dass jeder achte Zeitarbeitnehmer auf Hartz IV angewiesen ist, weil er zu wenig für seinen Lebensunterhalt verdient. Eigentlich ein erstaunlicher Befund, hat doch der Gesetzgeber vor drei Jahren die Branche aus der Schmuddelecke prekärer Arbeit und geringen Sozialprestiges herausholen wollen.

    Zum 1. Januar 2004 hat der damalige Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement deshalb das Leiharbeitsrecht im Rahmen der Hartz-Reformen tiefgreifend verändert. Seitdem gilt im Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz der Grundsatz: Equal pay, equal treatment. Demzufolge sollen Zeitarbeitnehmer zu gleichen Bedingungen beschäftigt werden wie die Stammbelegschaft in den Entleihbetrieben. Clement räumte zugleich aber die Möglichkeit ein, von diesem Grundsatz per Tarifvertrag abzuweichen. Damit wollte er die Gewerkschaften in Zugzwang bringen.

    De facto aber verschlimmerte sich hierdurch die Situation. Die darin enthaltene Tarifklausel nutzte sogleich der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister, kurz AMP. Er einigte sich für seine rund 1000 Mitglieder mit dem Christlichen Gewerkschaftsbund auf Löhne zwischen aktuell 5,77 Euro und 7 Euro pro Stunde und damit bis zu 40 Prozent unter den Tariflöhnen der Entleihbetriebe. Dazu Sozialdemokrat Brandner:

    "Jetzt haben wir leider zu beklagen, dass insbesondere der Christliche Gewerkschaftsbund so etwas missbraucht hat, und die Rechtsprechung leider in einer Entscheidung dem Christlichen Gewerkschaftsbund die Tarifhoheit zugebilligt hat, obwohl man oft genug den Eindruck hat, dass hier ganz bewusst Dumping-Bedingungen organisiert werden, um die Tarifverträge, die mit der Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes geschlossen worden sind, auszuhebeln."

    Die DGB-Gewerkschaften haben nach dem ersten Tarifabschluss ihrerseits mit den beiden anderen Branchenvertretungen, dem Bundesverband Zeitarbeit (BZA) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) Tarifverträge vereinbart. Die Entgelte liegen um etwa zwölf Prozent höher. Mehr, so der DGB, habe sich nicht heraus holen lassen. Zeitarbeitexperte Jörg Weigand von der Gewerkschaft IG Metall räumt ein:

    ""Wir sind damit nicht besonders glücklich, weil sie im Niveau zu niedrig sind. Die Löhne in den unteren Lohngruppen reichen nicht zum Leben aus. Die Entwicklung dieser Tarifverträge ist sehr schwierig, die Arbeitgeber mauern. Wir haben eine Tarifkonkurrenz, kein Verband geht da nach vorn, sondern hier wird, insbesondere auch wieder aus der Christen-Ecke, aus der so genannten Christen-Ecke, versucht, über diese Niedrigtarife letztendlich auch Unternehmen aus den anderen Verbänden rüberzuziehen, um hier sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen."

    Durch das Lohndumping schaffen immerhin 30 Prozent aller Zeitarbeitnehmer die Übernahme in die Stammbelegschaft des Entleihbetriebes. Höhere Löhne könnten diesen Klebe-Effekt bremsen. Der Personalchef des Walterscheid-Konzerns, Fielenbach, rechnet vor, dass für ihn der Einsatz von Leiharbeitern kaum noch Sinn mache, wenn die Zeitarbeit-Firma dafür höhere Rechnungen ausstellen würde:

    "Ich schätze mal, wir haben es durchkalkuliert, dass wir 10 bis 15 Prozent günstiger mit Leasing-Werkern produzieren können. Wobei ich fairerhalber auch sagen muss, dass dementsprechend der Leasing-Werker selber natürlich einen Lohn hat, der weit abweicht von dem, was wir zahlen. Das finde ich nicht positiv, aber es gibt natürlich dementsprechend Verwaltungskosten, die eine Leasingfirma tragen muss. Und wäre der Preis natürlich höher für einen Leihwerker als für einen eigenen Angestellten, dann würde natürlich die Flexibilität beziehungsweise Leasingfirmen künftig keine Chance haben."

    Die Billiglöhne treiben aber auch seltsame Wettbewerbs-Blüten. Eine Online-Zeitarbeitsfirma, nach eigenem Bekunden "zum Wohle ihrer preisbewussten Kunden in Deutschland aktiv", wirbt mit dem Slogan:

    "Discount-Zeitarbeit: Geile Preise - geile Leute!"

    Bei den Berufsgruppen werden Rabatte angeboten, zum Beispiel 1 bis 10 Mitarbeiter 11,99 Euro, 11 bis 50 Mitarbeiter: 11,79 Euro, mehr als 50 Mitarbeiter 11,59 Euro. Auch garantiert der Anbieter bei seriösen günstigeren Fremdangeboten die, so wörtlich, "Lieferung zum gleichen Preis".

    "Discount-Zeitarbeit: Geile Preise - geile Leute!"

    Um Dumpinglöhne zu verhindern, hat sich der DGB mit den Arbeitgebervertretungen BZA und IGZ im letzten Jahr auf einen Mindestlohn geeinigt, der etwas über den Tariflöhnen von AMP und Christengewerkschaften liegt. Gültig wird er aber nur, wenn die Zeitarbeit in das Entsendegesetz aufgenommen wird. Die Große Koalition will das Thema Mindestlohn bis zum Sommer entschieden haben. Allerdings mauert bisher die Union.

    Für den Fall, dass der vom DGB ausgehandelte Mindestlohn gültig wird, haben die mittelständischen Zeitarbeitgeber im AMP bereits eine Verfassungsklage angekündigt. AMP-Chef Peter Mumme sieht den wahren Grund der Mindestlohn-Forderung in dem Versuch, damit lästige Konkurrenz auszuschalten. Tausende Arbeitsplätze seien dann gefährdet. Der Mindestlohn würde aber auch verhindern, dass osteuropäische Dumping-Löhner auf den deutschen Markt drängen, der ihnen ab 2009 offen steht.

    Die Möglichkeit, tariflich vom "Equal pay"-Grundsatz abzuweichen, ist nicht der einzige Grund, warum die Zeitarbeit boomt. Das Arbeitnehmer-Überlassungs-Gesetz sollte zu einem flexiblen Arbeitsmarkt-Instrument gemacht werden, weshalb es im Januar 2004 in vier wesentlichen Punkten geändert wurde: Erstens: Die Einsatzzeit beim Verleihbetrieb ist nicht mehr auf maximal zwei Jahre begrenzt. Zweitens: Die Zeitarbeitfirma muss den Leiharbeiter nicht mehr unbefristet einstellen. Drittens: Die Zeitarbeitfirma kann dem Leiharbeiter sofort kündigen, wenn sein Einsatz im Entleihbetrieb beendet ist. Viertens: Der Leiharbeitnehmer muss nicht mehr länger bei der Zeitarbeitfirma eingestellt werden als bei dem Entleihbetrieb.

    Die Folge dieser Lockerungen ist, dass in Betrieben zunehmend reguläre Arbeitsplätze verdrängt werden. Eine kleine Umfrage unter Betriebsräten aus 123 Unternehmen der Metall-Industrie, wo es die meiste Zeitarbeit gibt, ergab, dass die Hälfte der Arbeitgeber versucht, Stammarbeitsplätze durch Zeitarbeit zu ersetzen. In großen Konzernen wie zum Beispiel Bayer, Siemens und DaimlerChrysler sind die flexiblen Zeitarbeiter bereits fest eingeplant. Gerade hat Opel angekündigt, im Werk Bochum künftig mit einem Anteil von 15 Prozent Leiharbeitern zu produzieren.

    In Teilen der Wirtschaft ist sogar der Aufbau regelrechter Parallel-Belegschaften durch die Hintertür zu beobachten. Gewerkschafter Weigand nennt als Beispiel ein Düsseldorfer Unternehmen, das 1200 Stammbeschäftigte hat und 400 Zeitarbeitnehmer:

    "Und diese 400 Leiharbeiter, die arbeiten untypischer Weise schon länger wie ein Jahr da, schon länger wie zwei Jahre da. Hier wird quasi eine flexible Belegschaft gehalten, die ohne Einhaltung von Kündigungsfristen, ohne Sozialplan, ohne Mitbestimmung des Betriebsrates jederzeit rausgeschmissen werden kann."

    Wie schnell das passieren kann, zeigt sich bei Airbus in Deutschland, wo ein Drittel von den 21.000 Beschäftigten Leiharbeiter sind, als Ingenieure oder IT-Entwickler, als Produktionsarbeiter oder Sekretärinnen. Bei dem angekündigten Stellenabbau wegen der Krise des Luftfahrtkonzerns sollen unter den 3700 Betroffenen die Hälfte Zeitarbeiter sein.

    In den meisten Fällen beträgt der Anteil von Leiharbeitern in den Betrieben um die zehn Prozent. Mit Schwankungen nach oben und unten, je nach Auftragslage "atmen" die Unternehmen die Jobnomaden ein und aus, wie die Bundesagentur für Arbeit das nennt. Die Betriebe entleihen im Schnitt auf die Dauer von drei Monaten. Wilhelm Oberste-Beulmann, Mitglied im BZA-Vorstand, sieht das durchaus als Gewinn:

    "Zeitarbeitnehmer haben auch einen Riesenvorteil. Sie können verschiedene Einsätze ausprobieren, haben dann die Möglichkeit, natürlich sich auch im Falle eines Falles für ihren Wunschberuf zu entscheiden, und können dann auch übernommen werden."

    Von diesem Vorteil profitieren aber in erster Linie höher Qualifizierte, zum Beispiel junge Akademiker, die zunächst Erfahrungen und Einblicke sammeln wollen, die sie bei einer Festanstellung als Qualifikationsvorteil einbringen können. Bei den 15 Branchenführern hat bereits jeder sechste Zeitarbeitnehmer studiert. Um den erheblichen Bedarf an solchen Leuten zu decken, will die Branche Hochschulabsolventen künftig bereits an den Universitäten anwerben.

    Grundsätzlich ist die Fluktuation der Beschäftigten bei Zeitarbeitfirmen extrem hoch: Rund ein Drittel bleibt nicht länger als drei Monate unter Vertrag, ein Viertel schafft es auf mehr als sechs Monate und gerade mal jeder Zehnte ist länger als ein Jahr dabei.

    Viele Unternehmen haben inzwischen ihre eigene Zeitarbeitsfirma gegründet. So betreibt die Deutsche Telekom ihre Billig-Tochter Vivento, die Bahn verleiht Personal über die DB Zeitarbeit, die Deutsche Bank ist zu einem Drittel an der Personal-Leasing-Firma Bankpower beteiligt und beschäftigt inzwischen 500 Leiharbeitnehmer, nachdem sie zuvor knapp 2000 Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut hat. Also flexibilisieren und gleich doppelt profitieren durch die Hintertür, für Gewerkschafter Weigand eine klare Sache;

    "Deutsche Bank oder halt eben auch andere wollen letztendlich selber den Profit aus der Zeitarbeit einstreichen. Wir haben das in der Metall-Industrie auch an einigen Ecken beobachtet, sehen das mit Sorge. Weil: Es kann natürlich auch nicht sein, dass an der einen Ecke in einem Unternehmen Personal abgebaut wird und diese gleichen Leute dann über Zeitarbeit wieder reinkommen, aber dann natürlich zu wesentlich schlechteren Bedingungen."

    Auch die Bundesagentur für Arbeit will mehr von Zeitarbeit profitieren und hat gerade einen Kooperationsvertrag mit Zeitarbeits-Verbänden abgeschlossen, um Arbeitslose besser zu vermitteln. Kommentar Weigand:

    "Eine Bankrott-Erklärung der Bundesagentur, denn sie hat den Auftrag, Kolleginnen und Kollegen, die arbeitslos geworden sind, in Arbeit zu bringen. das kann man doch nicht an die Zeitarbeit delegieren."

    Zunehmend fordern kritische Stimmen Korrekturen. Die Tarifklausel im Leiharbeitsgesetz dürfe nicht weiter das Einfallstor für niedrigere Löhne sein, sagt Sozialdemokrat Brandner. Und weiter:

    "Der erste Punkt muss sein, dass wir einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn haben. Wir müssen zum anderen dafür sorgen, dass im Rahmen des Entsendegesetzes ein Mindestlohn vereinbart wird. Das ist die erste Grundlage. Und wir müssen natürlich auch auf europäischer Ebene weiter arbeiten."

    Weshalb sich die SPD-Bundestagsfraktion inzwischen bei der EU-Kommission in Brüssel dafür einsetzt, den Grundsatz der gleichen Bezahlung sowie der gleichen Arbeitsbedingungen für Zeitarbeitnehmer festzuschreiben. Zeitarbeit soll wieder gesetzlich begrenzt und unbefristete Überlassungen abgeschafft werden. Sie soll nur Auftragsspitzen abdecken und als Brücke in den regulären Arbeitsmarkt führen und keine Normalarbeit umgehen.

    In der Union wird die Zeitarbeit inzwischen auch nicht mehr durchgängig positiv bewertet. Sie will aber das Problem von der anderen Seite angehen und mehr Anreize für normale Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnsektor schaffen, etwa durch die Einführung von Kombilöhnen. Immer wieder fordert sie auch, den Kündigungsschutz zu lockern, was aber die SPD unter Verweis auf den Koalitionsvertrag strickt ablehnt. BZA-Vorstand Oberste-Beulmann beunruhigt das Thema nicht:

    "Auch ein gelockerter Kündigungsschutz wird die Unternehmen nicht zu großen eigenen Einstellungen führen, sondern sie werden einfach das flexible Modul Zeitarbeit weiterhin nutzen, auch nutzen wollen. Weil hier sind ja viele Möglichkeiten gegeben. Ich habe a) für eine bestimmte Zeit die Möglichkeit, Personal zu entleihen. Ich habe die Möglichkeit, sie jederzeit einzustellen, wenn ich möchte. Und auf der anderen Seite habe ich natürlich auch, ich sage mal, mit der Zeitarbeit genau die flexible Möglichkeit, um entsprechend atmen zu können."

    Die Gewerkschaften wollen seit einiger Zeit über die Entleihbetriebe den Einsatz von Zeitarbeitnehmern steuern. Die Betriebsräte sollen sich für den Leitsatz "Gleiche Arbeit - gleiches Geld" einsetzen. Dass das Erfolg haben kann, zeigt das Beispiel der Firma Eaton bei Bonn. Die Geschäftsführung hatte die Anzahl der Leiharbeiter entgegen einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat über längere Zeit auf 20 Prozent verdoppelt, berichtet dessen Vorsitzender Andreas Papke:

    "Wo wir dann gesehen haben, es klappte nicht, haben wir dem widersprochen. Das könne man als Betriebsrat. Dann sind wir weiter hingegangen und haben die Sonntagsarbeit unterbunden, weil wir gesagt haben: So, ihr macht jetzt endlich mal eine originelle Personalplanung, wie wir sie jetzt brauchen, und macht euch Gedanken zum Thema Befristungen."

    In zehn Jahren rechnet das Institut für Wirtschaftsforschung Halle mit mindestens vier Millionen Leiharbeitern. Das wären achtmal mehr als heute, von denen die meisten auf das Glück der Deutsch-Nigerianerin Josephine Maxwell hoffen. Nach zehn Monaten im Betrieb hat die 35-Jährige gerade ihre Festanstellung erfahren:

    "Ich konnte das nicht glauben. Ich fühle mich so überglücklich. Wir haben Super-Chef."