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Fliegende CO2-Schleudern

Der Luftverkehr schadet dem Klima deutlich mehr als andere Verkehrsträger. Deshalb will die EU ihn ab 2012 in den Emissionshandel einbeziehen. Luftverkehrsexperte Heiko Balsmeyer hält es für sinnvoller, eine Kerosinsteuer einzuführen und auf emissionsärmere Flugzeuge zu setzen.

Heiko Balsmeyer im Gespräch mit Georg Ehring | 29.09.2011
    Georg Ehring: Der Luftverkehr ist eine Wachstumsbranche. Immer mehr Menschen fliegen in den Urlaub, immer mehr Güter werden geflogen, und mit der Verkehrsleistung wachsen die klimaschädlichen Emissionen des Luftverkehrs. Deshalb will die Europäische Union ihn in den Emissionshandel einbeziehen. Anfang 2012 soll es losgehen. Doch ausländische Fluggesellschaften wehren sich, vor allem China und die USA wollen nicht zahlen. – Telefonisch verbunden bin ich mit Heiko Balsmeyer, Luftverkehrsexperte beim VCD, dem Verkehrsclub Deutschland. Herr Balsmeyer, wie klimaschädlich ist eigentlich der Luftverkehr?

    Heiko Balsmeyer: Der Luftverkehr ist erheblich klimaschädlicher als andere Verkehrsträger, weil die Abgase halt in großen Höhen ausgestoßen werden, und das führt dazu, dass es zwei- bis vierfach so hoch ist wie der Treibhauseffekt alleine des CO2. Das heißt, man kann sagen, der Luftverkehr hat einen Anteil von etwa acht Prozent an den internationalen CO2-Emissionen.

    Ehring: Das ist wesentlich mehr, als offizielle Statistiken immer sagen.

    Balsmeyer: Ja, weil die offiziellen Statistiken sich eben alleine auf das CO2 beziehen, was hinten aus dem Flugzeug rauskommt.

    Ehring: Die Europäische Union möchte den Luftverkehr klimaverträglicher machen durch Emissionshandel. Kann das funktionieren?

    Balsmeyer: Das kann dann funktionieren, wenn man das Regelwerk entsprechend setzt, also dass die Fluggesellschaften verpflichtet sind, für jede Tonne CO2-Emission Zertifikate vorzuweisen. Das kann tatsächlich einen Druck auslösen, sehr viel klimafreundlichere Flugzeuge einzusetzen. Aber das ist nur dann der Fall, wenn sich die Fluggesellschaften von ihren Verpflichtungen nicht loskaufen können, und so wie der Emissionshandel im Moment ausgestaltet ist, können diese CO2-Zertifikate auch aus anderen Branchen gekauft werden.

    Ehring: Aber das ist doch eigentlich gerade der Sinn des Emissionshandels, dass man da die Emissionen reduziert, wo sie besonders leicht zu reduzieren sind, die Reduktion besonders billig ist.

    Balsmeyer: Das ist richtig. Aber offensichtlich erwartet man, die Ausgestaltung sieht so aus, dass man offensichtlich erwartet, dass der Flugverkehr eher für Einnahmen sorgen wird in dem Bereich, sodass man Entlastungen aus anderen Bereichen kauft.

    Ehring: Das heißt, Sie verstehen dann auch die Kritik ausländischer Fluggesellschaften? Die wollen ja gar nicht zahlen.

    Balsmeyer: Nein, die Kritik verstehe ich nicht, weil natürlich der Flugverkehr seinen Beitrag leisten muss. Ich habe ja vorhin die Zahlen genannt, und diese ausländischen Fluggesellschaften verweigern sich einfach nur, und das ist natürlich eine Haltung, die überhaupt nicht hinnehmbar ist, weil wie gesagt, der Flugverkehr muss seinen Beitrag auch leisten.

    Ehring: Sind denn die Pläne der Europäischen Union aus Ihrer Sicht ein sinnvoller Anfang?

    Balsmeyer: Ja, sie sind ein sinnvoller Anfang, den man dann entsprechend ausgestalten müsste. Man müsste die Schlupflöcher dann auf Dauer natürlich zumachen. Sinnvoller wäre es natürlich, direkt am Treibstoff anzusetzen, das heißt am Kerosin, denn Kerosin ist ja bisher steuerfrei.

    Ehring: Die ausländischen Fluggesellschaften wollen nicht zahlen. Kann das die ganze Sache denn zum Kippen bringen aus Ihrer Sicht?

    Balsmeyer: Wenn vor Gericht entsprechend entschieden würde, dann müsste man sich natürlich Gedanken darüber machen, ob das Instrument in dieser Form sinnvoll ist. Aber deswegen kann man es nicht kippen, sondern dann müsste man in der Zeit sich Alternativen überlegen wie eben die Kerosinsteuer.

    Ehring: Die Bundesregierung besteht auf einer wettbewerbsneutralen Lösung, ist heute zu lesen. Ist das ein Bremsmanöver, oder ist das aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Intervention für einen besseren Emissionshandel?

    Balsmeyer: Aus meiner Sicht ist das eine Nebelkerze, weil der Emissionshandel, so wie er ausgestaltet ist, ist ja wettbewerbsneutral, weil er betrifft ja alle Fluggesellschaften. Also muss man sich dafür einsetzen oder klar machen, dass dieses Instrument dann auch zur Anwendung kommt bei allen Fluggesellschaften, auch bei den Fluggesellschaften, die dagegen klagen. Und wenn es bei allen Fluggesellschaften zur Anwendung kommt, dann ist es auch wettbewerbsneutral.

    Ehring: Der Flugverkehr ist ja eine weltumspannende Angelegenheit. Kann da ein Alleingang Europas überhaupt Erfolg haben?

    Balsmeyer: Wie gesagt, es ist ja kein Alleingang. Es ist ja so, dass durch diesen Emissionshandel alle Fluggesellschaften, die in Europa starten und landen, betroffen sind, egal woher die kommen und egal wohin die fliegen. Das ist natürlich dann in anderen Ländern nicht so, aber die Fluggesellschaften sind natürlich davon betroffen, und man könnte sich natürlich auch darüber Gedanken machen, wie man diesen Emissionshandel weltweit zum Einsatz bringt.

    Ehring: Emissionsärmere Flugzeuge ist ein Stichwort, das war ja dann sozusagen der Erfolg eines Emissionshandels. Geht das technisch überhaupt? Können Flugzeuge sparsamer werden?

    Balsmeyer: Ja, es gibt diverse Möglichkeiten. Eine kleine Möglichkeit, die ja zur Anwendung gebracht wird von Fluggesellschaften, sind diese Winglets, diese gebogenen Flügel, die sie vor Kurzem eingeführt haben, womit sie zusätzlichen Treibstoff einsparen. Natürlich kann man die Triebwerke verbessern, man kann die Flugzeuge leichter machen und so weiter. Also es gibt diverse Möglichkeiten, hier Flugzeuge klimafreundlicher zu machen. Aber grundsätzlich geht es natürlich auch darum, unsinnige Flüge zu vermeiden und Flüge so weit wie möglich zurückzubringen auf den Boden.

    Ehring: Was ist denn Ihre Empfehlung für klimabewusste Reisende, die weite Strecken vor sich haben?

    Balsmeyer: Es kommt darauf an, ob sie sich innerhalb Europas oder interkontinental bewegen, weil interkontinental haben sie natürlich wenig Alternativen, außer das Schiff. Da brauchen sie natürlich sehr viel Zeit. Aber innerhalb Europas gibt es natürlich schon die Möglichkeit, beispielsweise mit dem Nachtzug zu fahren oder Zwischenstopps einzulegen, dass man mit dem Zug nur eine bestimmte Route fährt, bis zu einem schönen Ort wie Paris oder Barcelona, je nach Reiseziel, und da einen Zwischenstopp einlegt und dann weiterfährt.

    Ehring: Nun kann man seine Emissionen ja auch ausgleichen bei entsprechenden Organisationen. Ist das eine sinnvolle Alternative?

    Balsmeyer: Ja. Im Prinzip funktioniert das so ähnlich wie der Emissionshandel, was ich vorhin berichtet habe. Man kauft sozusagen Klimaeinsparungen aus anderen Bereichen. Das ist halt nur eingeschränkt zu empfehlen, würde ich sagen.

    Ehring: Der Emissionshandel bei Kraftwerken sorgt ja für Extragewinne, weil die Zertifikate kostenlos zugeteilt wurden und dann trotzdem auf den Preis aufgeschlagen wurden. Ist beim Luftverkehr Ähnliches zu befürchten?

    Balsmeyer: Ich glaube, die Marktmacht der Fluggesellschaften ist da doch erheblich geringer als im Energiebereich. Deswegen ist es, vermute ich, schon so, dass das nicht komplett auf die Tickets aufgeschlagen werden kann. Das ist jedenfalls auch die Erfahrung bei der Luftverkehrssteuer.

    Ehring: Heiko Balsmeyer, Luftverkehrsexperte beim Verkehrsclub Deutschland. Herzlichen Dank.

    Balsmeyer: Gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.