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Fliegerhorst Büchel in der Eifel
Aktivisten demonstrieren gegen US-Atomwaffen

Seit einer Woche blockieren Friedensaktivisten stundenweise die Zufahrt des Bundeswehr-Fliegerhorstes Büchel. Sie vermuten dort die letzten US-Atomwaffen auf deutschem Boden. Die Polizei hat einen Teil der Blockade geräumt - das hält die Menschen aber nicht von ihren Protesten ab.

Von Anke Petermann | 02.04.2015
    Demonstranten blockieren am 11.08.2013 alle Tore des Fliegerhorstes in Büchel (Rheinland-Pfalz). Mit der Aktion demonstrieren sie gegen die auf dem Stützpunkt noch immer gelagerten US-amerikanischen Atombomben.
    Vor dem Fliegerhorst Büchel gibt es öfter Protestaktionen - das Foto zeigt eine Demonstration im August 2013. (picture alliance / dpa / Thomas Frey)
    Früh morgens lassen sich Aktivisten aus ganz Deutschland vor den Toren des Fliegerhorstes nieder. An die Bauzäune, die sie von den Kontrollpunkten der Haupteinfahrt fernhalten sollen, heften sie Transparente mit "Nie wieder Krieg" und "Zukunft atomwaffenfrei". Tagsüber stoßen Unterstützer aus der Region dazu, darunter Familien mit Kindern. Katja Tempel, grauer Kurzhaarschnitt, gehört zu den Dauerblockierern. Die Hebamme aus dem Wendland feiert ihren 52. Geburtstag vor dem Tor des Atomwaffenlagers. Mit Kaffee und Kuchen auf einer dünnen Isomatte.
    "Die jüngste Aktivistin ist 14 Jahre, die älteste 84. Uns eint einfach dieser ganz dringende Wunsch, dass die Atomwaffen so schnell wie möglich abgezogen werden."
    Zu sehen sind die mutmaßlichen B 61-Bomben natürlich nicht. Sie sollen unterirdisch lagern, in einem abgetrennten Bereich - nicht von deutschen, sondern von US-Militärs bewacht. Im Krisenfall müssten die Tornado-Kampfjets der Bundeswehr diese Nuklearsprengköpfe möglicherweise abwerfen. Aus US- oder Nato-Waffen würden dann deutsche. Ein Abschreckungskonzept, das es nach Meinung von Katja Tempel und Jochen Neumann rechtfertigt, Hunderten von Bundeswehr-Soldaten und Zivilbeschäftigten blockadebedingte Staus auf dem Weg zum Bücheler Fliegerhorst zuzumuten.
    Tempel: "Wenn wir uns vorstellen, dass diese Atomwaffen irgendwann mal zum Einsatz kommen, mit einem radioaktiven Inventar von 20 Hiroshima-Bomben, dann ist das im Verhältnis so eine kleine Beeinträchtigung gegenüber der großen Gefährdung, die hier von Büchel ausgeht für den Rest der Welt, dass wir das in Kauf nehmen."
    Neumann: "Die sollen sogar noch modernisiert werden. Ohnehin schon der Wahnsinn, mit Atomwaffen zu drohen in einem Konflikt. Wenn jetzt die aktuelle Lage in der Ukraine weiter eskaliert, dann sind womöglich bald wieder Atomwaffen als Handlungsoption auf dem Tisch."
    Indirekte Bestätigung von Steinmeier
    Offiziell hat keine Bundesregierung die Existenz der atomaren Überreste aus dem Kalten Krieg je bestätigt. Bundesaußenminister Steinmeier, SPD, tat das allerdings indirekt vor einem Monat im Bundestag. Anlässlich des Abrüstungsberichts bezeichnete er "das Thema" als "keineswegs aufgegeben" und "das Ziel", also den Abzug der Atomwaffen, als kurzfristig nicht zu erreichen. Die Demonstranten in Büchel allerdings erreichen ihr Ziel, den Betrieb im Fliegerhorst dauerhaft zu blockieren, auch nicht. Nach vergeblichen Versuchen, die Blockierer zum freiwilligen Aufgeben zu überreden, macht die Polizei klare Ansage:
    "Verlassen Sie bitte die Örtlichkeit, ansonsten werden Sie mithilfe von unmittelbarem Zwang von der Örtlichkeit verwiesen."
    Eine Rostockerin mit regenbogenfarbener Friedensfahne um den Hals lässt sich wegführen, die anderen lassen sich wegtragen. Die 19-jährige Clara Tempel legt noch schnell ihre Gitarre beiseite, singt dabei unaufhörlich weiter. Die Polizisten nehmen die Personalien auf, die Demonstranten kassieren Strafanzeigen. Die Ausfahrt direkt daneben räumt die Polizei aber nicht, "da stören sie den Betrieb am Stützpunkt nicht", sagt der Einsatzleiter gelassen. Tagsüber fahren Hunderte von Bundeswehr-Mitarbeitern kopfschüttelnd an den frierenden, singenden und diskutierenden Demonstranten vorbei an ihren Arbeitsplatz. Ein Misserfolg? Clara Tempel verneint.
    "Für mich ist das eher ein Erfolg, weil eine Räumung immer heißt, dass wir hier massiv gestört haben. Die konnten die Autos da nicht durchkriegen, ohne uns hier wegzutragen. Und deshalb werte ich das total als Erfolg, und das bekräftigt mich auch, hier weiter zu blockieren."
    Am Karfreitag hält ein evangelischer Pfarrer aus Herford einen ökumenischen Gottesdienst für die Blockierer. Ilse Staude schaudert auf ihrem Camping-Hocker: "Wir sollten diese Erde erhalten und bewahren."
    Dafür hat die Gießener Pfarrerin eine Friedenskerze vorm Fliegerhorst-Tor entzündet, und dafür will sie weiter frieren. Am Nachmittag fährt sie zurück nach Mittelhessen, am Abend singt sie im Kirchenchor. Clara Tempel dagegen bleibt vorerst im kleinen Zeltdorf unweit vom Haupttor und rückt immer wieder mit ihrer Gitarre an. An die vergessenen Atomwaffen von Büchel zu erinnern, hat in ihren Augen Vorrang. Das Lernen fürs Abitur muss warten.