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Florierender Giftmüllhandel

Durch den Wirtschaftsvertrag vom Zoll befreit werden nämlich auch ganz besondere Stoffe, berichtet Richard Gutierrez, Mitarbeiter der Umweltschutz-Organisation "Basel Action Network" in Manila:

Von Thomas Kruchem | 02.03.2007
    "Die Liste der Güter umfasst nahezu alles: POPs, langlebige organische Gifte; PCB-belastete Öle, Rückstände aus Müllverbrennungsanlagen, Schwermetallschrott aus Blei, Cadmium und Beryllium, Fluorchlorkohlenwasserstoffe, ja sogar gebrauchtes Inventar von Kernreaktoren. Kurz, auf der Liste der zollbefreiten Güter finden Sie, inklusive Elektronikschrott, so ziemlich alles an Giftmüll, was kommerziell zu handeln die internationale Gemeinschaft geächtet und in mehreren Konventionen verboten hat."

    Der Vertrag zwischen Japan und den Philippinen wirft, meint Gutierrez, den internationalen Umgang mit Giftmüll zurück in die 70er Jahre, als noch viele Industrieländer ihre toxischen Abfälle in arme Entwicklungsländer exportierten. 1989 jedoch einigte sich die internationale Gemeinschaft auf eine so genannte "Baseler Konvention", die den Giftmüllverkehr internationaler Kontrolle unterwarf. Ein Vertrag, den fast alle UN-Mitglieder ratifizierten - abgesehen von einigen Staaten wie Burma, den USA und Nordkorea. Verschärft wurde die "Baseler Konvention" 1995 durch einen Zusatz, der den Export von Giftmüll aus Industrie - in Entwicklungsländer kategorisch verbietet. Dieses "Basel Ban Amendment" besitzt in der EU Gesetzeskraft, wird aber von den Philippinen nicht anerkannt - und auch nicht von Japan.

    Ganz im Gegenteil: Seit Jahren versucht Tokio systematisch, in Südostasien etwas zu etablieren, was man euphemistisch einen "internationalen Markt für recycelbare Güter" nennt. Entsprechend hat Japan, wie mit den Philippinen, auch mit Malaysia einen Handelsvertrag geschlossen; Verhandlungen mit Thailand, Indonesien und Vietnam laufen - derweil die Japaner viel von ihrem Elektronikmüll vorläufig nach China schaffen, weil Peking das "Basel Ban Amendment" ratifiziert und entsprechende Verbote erlassen hat. Umweltschützer Richard Gutierrez hat in China gesehen, wie Slumbewohner Kupferkabel plastikfrei schmoren und dabei hochgiftige Dioxine freisetzen; wie sie im Säurebad Edelmetalle von Mainboards lösen und schwermetallgesättigte Abwässer in die Flüsse kippen; wie sie beim Leeren halbvoller Tonerkartuschen Wolken von Feinstaub einatmen:

    "Im Dorf Guayu in der Provinz Guandong hat mein Kollege fotografiert, wie die Chinesen japanische Computer auseinander reißen. Auf den Geräten sieht man ganz klar japanische Schriftzeichen - und erst recht auf den Tastaturen. Ähnliches geschieht im afrikanischen Nigeria. Auch dort haben wir anhand der Firmenlogos eindeutig amerikanischen und japanischen Elektronikschrott identifiziert."

    Die Entsorgung ihres Giftmülls auf die Philippinen würde den Japanern Vieles erleichtern. Denn die Umweltgesetze der Philippinen erlauben den Import von Giftmüll, sofern er - Zitat - "ordentlich behandelt oder recycelt" wird - was auch immer das für die lokalen Behörden heißen mag, die weder fachlich noch personell in der Lage sind, den Umgang mit giftigen Stoffen zu überwachen. Umweltschützer in Japan und den Philippinen befürchten denn auch das Schlimmste und warnen vor dem Handelsabkommen. Während sie in Tokio die Ratifizierung des Vertrags nicht verhindern konnten, haben die Kritiker in Manila immerhin erreicht, dass die für Anfang Februar vorgesehene Ratifizierung um drei Monate verschoben wurde.