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Flucht aus Kuba
Gestrandet in Mexiko

Kuba erlebt eine neue Ausreisewelle: Viele lassen Diktatur und Wirtschaftskrise hinter sich, wollen in die USA. Weil der Weg im selbstgebauten Boot zu gefährlich ist, schlagen sie sich über Mexiko bis an die US-Grenze durch. Dort hat sich unter dem Druck Washingtons der Umgang mit Migranten radikal geändert.

Von Anne-Kathrin Mellmann | 08.07.2019
Das Foto zeigt Menschen an der Grenze zwischen Mexiko und dem US-Bundesstaat Kalifornien, hier am Kontrollpunkt Otay Mesa.
Das Foto zeigt Menschen an der Grenze zwischen Mexiko und dem US-Bundesstaat Kalifornien, hier am Kontrollpunkt Otay Mesa. (AFP / Frederick J. Brown)
Tausende Kubaner, die von Guatemala nach Mexiko eingereist sind, warten vor der Einwanderungsbehörde in der Grenzstadt Tapachula auf Papiere, die eine Durchreise bis zur US-Grenze ermöglichen. Der 27-jährige Luis Ángel aus Holguín im Osten Kubas steht mit wichtigen Kopien in der Schlange.
"In den letzten vier Monaten ist das Leben in Kuba noch viel schwieriger geworden. Es gibt einfach keine Lebensmittel mehr. Auch nicht für Geld. Die Türen, ein eigenes Geschäft aufzubauen, haben sich geschlossen. Ich reparierte Mobiltelefone, aber wegen der hohen Steuern musste ich meinen Laden schließen."
Mindestens 11.000 Kubaner haben Mexiko von Oktober bis Mai durchquert, um an der US-Grenze Asyl zu beantragen. Im Vorjahreszeitraum waren es nur halb so viele.
Zwölf Wochen Wartezeit für einen Termin
Alberto Martínez hat sich bis in die 3.000 Kilometer nördlicher gelegene Grenzstadt Ciudad Juárez durchgeschlagen. Er will unbedingt rüber in die USA, die hinter Grenzzaun- und Fluss fast zum Greifen nahe sind - aber auf legalem Wege. Er will politisches Asyl beantragen. Auf seinen ersten Termin mit den US-Behörden wartet Martínez schon seit zwölf Wochen. In Mexiko hält er sich ohne gültige Papiere auf. Die zu bekommen sei in den vergangenen Monaten fast unmöglich geworden. Auch deshalb kämen bereits weniger Kubaner in Ciudad Juárez an:
"In Mexiko gibt es jetzt überall Straßenkontrollen und Razzien. Sie geben uns keine Durchreiseerlaubnis mehr. Unsere Hoffnung ist, legal in die USA einreisen zu können statt wie viele Mittelamerikaner durch den Grenzfluss zu schwimmen. In Mexiko ist Legalität nicht mehr möglich, weil sie uns keine Papiere mehr geben. Jetzt schnappen sie dich und schieben dich nach Kuba ab!"
Angst vor Verfolgung nach der Rückkehr
Abschiebung sei eine Katastrophe, weil Republikflüchtlinge auf der sozialistischen Insel wie Verräter behandelt würden.
"Wer zurückmuss, wird verfolgt. Die Regierung fühlt sich von uns abgelehnt, weil wir das Land verlassen haben – aus ihrer Sicht irregulär. Ich bin als Tourist nach Nicaragua eingereist, unter dem Vorwand, dort einkaufen zu wollen. Wer abgeschoben wird, bekommt mehr staatliche Kontrolle zu spüren. Er wird Kuba nie mehr auf legalem Wege verlassen dürfen, auch nicht als Tourist."
Mexiko - nur ein Zwischenstopp
Rückkehrer stehen vor dem nichts: Für den Fluchtversuch verkaufen Kubaner meistens ihr ganzes Hab und Gut. Mexiko hat in den ersten fünf Monaten dieses Jahres etwa 500 Kubaner abgeschoben. Das sind drei Mal so viele wie im ganzen Jahr 2018. Dabei hatte Präsident López Obrador kurz vor seinem Amtsantritt im Dezember versprochen, weniger abzuschieben. Aber der Druck der US-Regierung war zu hoch.
Tausende Kubaner leben bereits gezwungenermaßen in Ciudad Juárez. Sogar ein eigenes Restaurant mit kubanischem Essen betreiben sie – Little Havanna – mit Nationalflagge vor der Tür und Fotos ihrer Hauptstadt an den Wänden. Für eine junge Ärztin, die jahrelang in Brasilien gearbeitet hat und die ihren Namen lieber nicht sagt, ist Mexiko trotzdem nur ein Zwischenstopp:
"Nein, ich habe überhaupt keine Lust hier zu bleiben. Mein Traum sind die USA! Verstehen sie das? Seit wir uns auf den Weg gemacht haben, war das unser Ziel."