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Flüchtlinge an Hochschulen
Keine Sonderregelungen

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, fürchtet, das Niveau an den Unis könnte noch weiter sinken, wenn sich die Zahl der Studienanfänger kräftig erhöhen werde, sagte er im DLF. Man müsse dann auch die Praktikumsplätze erhöhen. Dazu fehle es an Räumen, Personal und Ausstattung.

Horst Hippler im Gespräch mit Sandra Pfister | 07.12.2015
    Zur Einführungsvorlesung am traditionellen Campustag haben sich im Auditorium Maximum der Universität Rostock mehr als 500 Studenten eingefunden.
    Wenn jetzt die Zahlen sehr viel größer werden, dann müsste man den Hochschulpakt aufstocken. (dpa / picture alliance / Bernd Wüstneck)
    Sandra Pfister: Viele Flüchtlinge aus Syrien wollen studieren. Was kommt, und vor allem, wie viele kommen auf die Hochschulen zu? Bislang haben die Länder keinen Überblick. Das hat die Präsidentin der Kultusministerkonferenz vergangene Woche zugegeben. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hingegen hat kürzlich hochgerechnet, im kommenden Studienjahr müssten die Hochschulen mit bis zu 50.000 Flüchtlingen rechnen, die studieren wollen. Wie weit sollen die Hochschulen ihre Arme öffnen? So weit, dass die Qualität des Studiums leidet? Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, fürchtet, das Niveau an den Unis könnte sinken, noch weiter sinken, meint er. Es soll keine Sonderregelungen für Flüchtlinge geben, die müssten genau die qualitativen Voraussetzungen erfüllen, die auch für Deutsche gelten. Darüber reden wir jetzt mit ihm. Guten Tag, Herr Hippler!
    Horst Hippler: Schönen guten Tag!
    Pfister: Herr Hippler, viele Flüchtlinge, das ist ja das Problem, haben gar keine Unterlagen mehr über ihre Noten und über ihre Abschlüsse, oder nur sehr unvollständige. Haben Sie Angst, dass da viele lügen und betrügen, nur, um an einen Studienplatz heranzukommen?
    Hippler: Nein, das glaube ich nicht, denn es ist relativ einfach, durch Gespräche festzustellen, wie die Kompetenzen sind, auch wenn man die Bildungsbiografie vielleicht nicht nachweisen kann. Aber in ein, zwei Gesprächen ist das doch sehr leicht festzustellen.
    Nur wenn die Masse steigt
    Pfister: Wenn das so einfach ist, das festzustellen, warum haben Sie Sorge, dass die Qualitätsstandards leiden könnten?
    Hippler: Nein, nein. Das Problem ist nur, wenn die Masse steigt. Wenn wir noch mehr Anfänger haben, dann ist die Frage, wie wir das finanzieren. Im Moment haben wir ja das große Problem, dass wir ja 500.000 Anfänger im Jahr haben. Wir haben dafür den Hochschulpakt, der uns hilft, mit diesen vielen Studierenden umzugehen. Wenn zehn Prozent jetzt noch mal zusätzlich dazukommen, dann müssen wir auch über den Hochschulpakt reden, wie das dann zu finanzieren ist.
    Pfister: Also es geht am Ende dann mehr ums Geld und darum, dass die Hochschulen Hilfe dabei brauchen, diese Studierenden einzustufen. Es geht Ihnen nicht grundsätzlich darum, zu sagen, wir müssen vorsichtig sein bei den Flüchtlingen, denn die halten eventuell die Standards nicht ein.
    Hippler: Nein, nein. Wir haben ja nicht nur Flüchtlinge, wir haben ja Leute aus der ganzen Weltbevölkerung, die in Deutschland studieren wollen. Und auch da muss man darüber reden, ob die die Standards einhalten oder nicht. Insofern sehe ich da überhaupt keinen Unterschied zu machen, an dieser Stelle, denn ich glaube, die Standards, die wir haben, sind schon wichtig, und wir sollten sehen, dass sie auch eingehalten werden, denn wo soll denn die Zukunft der deutschen Bildung liegen, wenn wir da sozusagen jetzt Abstriche machen.
    Pfister: Um es einmal enger zu fassen und nicht auf alle ausländischen Studierenden, sondern auf die Flüchtlinge zu kommen: Sie sagen, keine Sondertatbestände für Flüchtlinge schaffen. Die Kultusministerkonferenz hat ja vergangene Woche gerade erst klar gemacht, dass es ein dreistufiges Verfahren geben wird, das Flüchtlinge durchlaufen müssen, die ihre Qualifikation fürs Studium nicht sofort nachweisen können. Reicht Ihnen das nicht?
    Hippler: Da hat ja keiner was dagegen. Das ist aber ein Verfahren, das üblich ist auch für jeden anderen Ausländer, die sozusagen hier in Deutschland studieren wollen und Schwierigkeiten haben, nachzuweisen, wie ihr Bildungsstandard ist.
    Man muss studierfähig sein
    Pfister: Aber die Verfahren sind vielleicht für die Hochschulen zu aufwendig – ist es das?
    Hippler: Nein, ist es auch nicht. Die Frage ist nur, wenn sehr viele auf einmal kommen, dann muss das bewältigt werden, und das ist die Frage, wie es denn bewältigt werden kann. Und wir haben ja sozusagen neben dem Studium die Propädeutika, die Vorbereitung für die Fächer, je nachdem, wo die Leute herkommen weltweit. Auch selbst in Deutschland müssen wir Propädeutika anbieten, damit man studierfähig wird. Das Abitur, selbst das deutsche, reicht ja da nicht mehr wirklich aus, und insofern machen das alle Hochschulen mittlerweile, dass sie Propädeutika anbieten für die jungen Leute. Und da sehe ich überhaupt keinen Unterschied zwischen den Flüchtlingen oder allen anderen, die in Deutschland studieren wollen.
    Pfister: Dann könnte man aber auch sagen, wenn es da keinen Unterschied nicht gibt und auch das deutsche Abitur in Zweifel gezogen wird, dann könnte man auch sagen, geben wir den Flüchtlingen doch die Chance, sich innerhalb von, sagen wir, zwei, drei Semestern zu beweisen, und wer es dann nicht drauf hat, der fliegt raus.
    Hippler: Na ja. Dann müsste man das auch für alle anderen machen. Wir haben ja so etwas gehabt, wir haben solche Prüfungen gehabt, Orientierungsprüfungen gehabt in einigen Bundesländern, die genauso verlaufen sind. In Baden-Württemberg, kann ich mich gut erinnern, gab es solche Eignungsfeststellungsprüfungen nach dem ersten Semester oder nach dem zweiten Semester, und ich denke mal, aber nur anzufangen und dann zu sagen, das ist nichts für euch, ich glaube, das ist schlechter, als die Leute gut vorzubereiten mit Sprachkursen und einem Propädeutikum.
    Studienplätze sehr gut ausgebucht
    Pfister: Wenn wir jetzt speziell auf die zulassungsbeschränkten Fächer, die NC-Fächer gucken, Medizin und Ingenieurwissenschaften, Sie haben an anderer Stelle gesagt, viele Flüchtlinge bewerben sich genau auf diese zulassungsbeschränkten Fächer. Ich kann verstehen, wenn Sie skeptisch sind, die in den Bereich Medizin hineinzulassen, weil es dort auch sehr viele deutsche konkurrierende Bewerber gibt. Wäre es aber in den Ingenieurwissenschaften nicht angezeigt, dass die Hochschulen sich sehr viel mehr um die Flüchtlinge bemühen und ihre Angebote durch studienbegleitende Angebote, Propädeutika und so weiter, wettmachen, denn das sind ja Studiengänge, wo vielfach Plätze unbesetzt bleiben, weil auch die deutschen Studierenden sich nicht interessieren oder früh abbrechen?
    Hippler: Das stimmt so nicht. Die Frage ist schon, dass die Studienplätze doch sehr gut ausgebucht sind mittlerweile. Und Sie dürfen nicht vergessen, dass Sie gerade in diesen Fächern Praktika benötigen. Und wenn wir die Zahl der Studienanfänger kräftig erhöhen, müssen wir auch die Praktikumsplätze erhöhen, und dafür fehlen natürlich sozusagen die Räume, die Personen und die Ausstattung.
    Pfister: Aber es brechen doch auch sehr viele sehr früh ab.
    Hippler: Ja, aber die sind durch das Praktikum dann schon durch. Und Sie müssten dann eben, wenn Sie dann Personen für den Master zulassen, das wäre eine andere Geschichte.
    Pfister: Was schlagen Sie denn, allgemeiner gefragt, vor, wie man die Qualität des Studiums hochhalten kann, ohne Flüchtlingen die Chance aufs Studium zu verbauen?
    Hippler: Es geht gar nicht darum, die zu verbauen. Es geht darum, die Chance für die Flüchtlinge zu öffnen. Und das heißt, man muss die Flüchtlinge gut vorbereiten auf das, was sie an den Hochschulen erwartet, und das ist nicht anders, als man es für alle anderen machen muss. Wichtig ist, die Sprache zu lernen, wichtig ist, Propädeutika zu haben, damit man studierfähig ist. Und unabhängig davon, ob man jetzt so ein Abiturzeugnis hat oder keines. Denn das Problem, hinterher zu scheitern, das ist ja eigentlich viel schlimmer, egal, ob man sozusagen eine Berechtigung hat oder nicht.
    Chance für Flüchtlinge eröffnen
    Pfister: Und wo sollen die Propädeutika stattfinden? Sollen die Hochschulen die finanzieren?
    Hippler: Natürlich, die Hochschulen machen das ja schon. Es gibt ja viele Hochschulen, die solche Propädeutika anbieten, gerade in den MINT-Fächern wird das ja fast flächendeckend gemacht in Deutschland.
    Pfister: Aber dann ist es letztlich doch wieder ein Schrei nach Geld, oder?
    Hippler: Was heißt "letztlich"? Wenn die Zahl der Studierenden steigt, so wie wir das jetzt in Deutschland auch hatten, dafür haben wir den Hochschulpakt sozusagen geschaffen, damit wir mit der Zahl der Studierenden auch klarkommen können an den deutschen Universitäten. Und wenn jetzt die Zahlen sehr viel größer werden, dann müssten wir vielleicht darüber reden, ob wir den Hochschulpakt aufstocken.
    Pfister: Das sagt der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler. Hochschulpakt aufstocken, mehr Geld für Propädeutika, und die Qualität des Studiums darf nicht leiden, keine Extraquoten oder Sonderregelungen für Flüchtlingen. Danke Ihnen, Herr Hippler!
    Hippler: Vielen Dank auch Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.