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Flüchtlinge
Ein Jahr nach Merkels "Wir schaffen das"

Vor einem Jahr sagte Angela Merkel ihren berühmt gewordenen Satz "Wir schaffen das". Wie die Gemeinden, Landkreise und Bundesländer den Flüchtlingszuzug tatsächlich bewältigt haben, stellt sich unterschiedlich dar. Baden-Württemberg managte sehr organisiert, in Berlin regierte lange: das Chaos.

Von Claudia van Laak und Uschi Goetz | 29.08.2016
    In einer ehemaligen Turnhalle auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Regensburg (Bayern) sind am 25.09.2015 Flüchtlinge untergebracht.
    Die Lage in den deutschen Aufnahme-Einrichtungen für Flüchtlinge - mal mehr, mal weniger vorbildlich (picture alliance/dpa - Armin Weigel)
    "Und ich sage: Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden."
    Ein Jahr ist seit der Sommerpressekonferenz der Bundeskanzlerin vergangen, bei der Angela Merkel ihrem Land Mut in der Flüchtlingskrise machen wollte. Ein Jahr, seit die Innenbehörden einer weiter wachsenden Zahl von Menschen auf der Flucht gegenüberstanden.
    Hermann Schröder vom Innenministerium Baden-Württemberg: "Ab dem 5. September kamen in den Spitzenzeiten bis zu 1.500 Personen am Tag, pro Woche hatten wir dann in Baden-Württemberg so zwischen 10.000 und 12.000 Menschen unterzubringen."
    Baden-Württemberg vorbildlich
    "Wir schaffen das." Von der Erklärung der Bundeskanzlerin blieb nur dieser Satz hängen.
    Statt zu einen, spaltete er, führte zum Riss in der Gesellschaft. Für manche wurde er zur Maxime bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Andere sahen und sehen bis heute darin Merkels endgültiges Scheitern in der Flüchtlingspolitik.
    Die Anstrengung lag vor allem bei den Bundesländern, bei den Landkreisen und Städten. Ein Jahr danach zeigt sich: Manche haben es gut geschafft, andere, etwa Berlin, waren mit der Aufgabe heillos überfordert. Baden-Württemberg hat nach anfänglichen Schwierigkeiten die Aufnahme von Flüchtlingen geradezu vorbildlich gemeistert.
    Der Südwesten nahm im vergangenen Jahr rund 185.000 Menschen auf, knapp 98.000 Flüchtlinge stellten einen Asylantrag.
    Zehn Landes-Erstaufnahmestellen
    Schaffen wir das? Diese Frage hat sich Hermann Schröder nie gestellt. Er koordinierte in den vergangenen beiden Jahren die Flüchtlingsunterbringung im Südwesten:
    "Unser Job bestand darin, zum einen die momentane Situation zu beherrschen, sprich die Menschen unterzubringen. Aber was der entscheidende Punkt bei uns war in Baden-Württemberg: dass man sehr früh erkannt hat, dass es auch darum ging, die Regelorganisationen anzupassen." Auch im Südwesten gab es anfänglich große Probleme, mussten Flüchtlinge oft stundenlang vor Erstaufnahmeeinrichtungen ausharren. Man war zwar vorbereitet, aber nicht auf so viele Menschen.

    Meßstetten auf der Schwäbischen Alb. Auf dem Gelände der ehemaligen Zollernalb-Kaserne war bereits im November 2014 eine von später über zehn Landeserstaufnahmestellen, kurz LEA genannt, eröffnet worden.
    Mehrsprachiges Personal
    Asylbewerberkind Alma aus Syrien steht am 18.11.2014 im Kindergarten der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Meßstetten (Baden-Württemberg) mit anderen Flüchtlingskindern im Kreis, um einen Geburtstag zu feiern.
    Offenbar gut untergebracht: Alma aus Syrien im Kindergarten der Erstaufnahmestelle in Meßstetten (2014) (picture alliance / dpa / Felix Kästle)
    Seit Sommer 2015 werden hier in Spitzenzeiten bis zu 3.500 Menschen versorgt, rund 400 Mitarbeiter kümmern sich im Schichtbetrieb um die Flüchtlinge. Ein Großteil des Personals ist mehrsprachig.
    Frank Maier, Leiter der Landes-Erstaufnahmestelle Meßstetten: "Es ist eine Vorgabe, dass die Alltagsbetreuer, die sich hier um die Menschen kümmern, dass die sich mit ihnen verständigen können. Also Arabisch, Persisch, Farsi, das sind Sprachen, die wir hier sowohl bei Sicherheitsdienst als auch bei den Betreuern abdecken."
    Ein Team von Fachärzten steht außerdem zur Verfügung. Die Menschen aus Meßstetten und dem gesamten Zollernalbkreis bringen Kleidung und Spielzeug. Eine Wäscherei geht in den Dauerbetrieb, Flüchtlinge helfen bei der Versorgung mit, packen in der Kantine an, bei der Pflege der Außenanlagen.
    Frank Maier: "Das ist ein Unterkunftsgebäude, das nur für Männer vorgesehen ist, daneben dann das Unterkunftsgebäude für Familien und dann dahinter noch eins für alleinstehende Frauen, die dann einen besonderen Schutz haben, durch den Sicherheitsdienst noch einmal extra gesichert sind."
    Nötiges ohne Ausschreibung besorgt
    Frank Maier führt über das etwa sechs Hektar große Gelände der ehemaligen Zollernalbkaserne: "Menschen sind bei uns vor der Türe gestanden und wir hatten keine Planung, wie viele es am nächsten Tag sein werden." Von der ersten Stunde an ist Frank Maier dabei, er hat die Struktur der Aufnahmeeinrichtung gemeinsam mit dem Landrat des Zollernalbkreises, Günther-Martin Pauli, maßgeblich geprägt.
    Bereits im August 2014 schauten sie sich beide die Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe an. Sie wollten sehen, was notwendig ist, welche Fehler zu vermeiden sind. Günther-Martin Pauli: "Bei der Gelegenheit habe ich unterwegs eine SMS an den OB von Karlsruhe geschickt, den früheren Landtagskollegen Mentrup, der kam dann auch spontan vorbei, hat mir eher so zwischen Tür und Angel noch den Tipp gegeben, ‚Du brauchst ein Röntgengerät‘. Dann haben wir uns erkundigt, so ein Röntgengerät, das müsste man auch ganz korrekt gesehen europaweit ausschreiben. Das dauert halt seine Zeit, aber die Zeit hatten wir nicht. Wir haben dann einfach eins bestellt und das kam dann fast mit einer Punktlandung dort an."
    Flüchtlingen lange Wege erspart
    Den Flüchtlingen ersparte diese Entscheidung später lange Wege, täglich konnten dadurch auf dem Gelände wesentlich mehr Menschen geröntgt werden als in anderen Unterkünften. So richtete sich die Erstaufnahmestelle auf Vorgaben der medizinischen Institute und Gesundheitsämter ein und machte das Tuberkulose-Screening möglich.
    Landrat Pauli handelt damals häufig eigeninitiativ. Als sich die geplanten baulichen Änderungen auf dem Gelände hinziehen, nimmt er eine Sprühdose in die Hand, zeichnet vor, wo Wände eingezogen werden müssen, telefoniert mit Handwerkern. Dabei ist der Landkreis theoretisch lediglich für das Gesundheitsamt auf dem Gelände zuständig.
    "Angenehmes Zusammenleben ermöglichen"
    Pauli: "Aber wir waren dann sehr schnell, ohne zunächst einmal zu fragen, wer das alles zu bezahlen hat, sowohl das Straßenbauamt wie auch die Forstverwaltung, die mit ihren Auszubildenden kreativ war, von Vogelhäuschen und Sitzgelegenheiten bis zu Bolzplätzen. Wir waren dann schon so, dass wir angepackt haben."
    Frank Maier: "Letztlich waren wir am Anfang zu zweit und haben Verträge abgeschlossen mit den jeweiligen Unternehmen: mit Sicherheit und Betreibergesellschaft. Es war für uns von Anfang wichtig, dass wir diesen Kasernenduft, den wir hier drin hatten, so schnell wie möglich einfach vertreiben wollten. Man wollte da einfach eine Atmosphäre schaffen, die ein angenehmes Zusammenleben einfach auch ermöglicht."
    Bereits Anfang 2015 ist man im baden-württembergischen Meßstetten auf eine große Zahl von ankommenden Flüchtlingen also vorbereitet. Anders in Berlin.
    Not und Elend im Berliner Lageso
    In der Hauptstadt war bis vor Kurzem für die Erstaufnahme und das Flüchtlingsmanagement das Landesamt für Gesundheit und Soziales, kurz Lageso, zuständig.
    Dessen Gebäude befinden sich im Zentrum der Stadt, keine zwei Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt. Not und Elend der Zehntausenden Neuankömmlinge sind so von einem Tag zum anderen mit Händen greifbar. Ebenfalls für alle sichtbar: Das Lageso ist überfordert mit den täglich 700 bis 1.000 Flüchtlingen.
    Betroffene sagen: "Die Situation ist so schlecht. Weil: Es gibt kein Wasser, kein Essen. Wir werden nicht wie menschliche Wesen behandelt. Kein Wasser, kein Essen." "Seit zwei Monaten habe ich Termine. Ich komme jeden Tag wieder. Sie lassen mich nicht rein. Ich habe keinen Platz zum Schlafen, zwei Monate ohne einen Platz, ohne Geld. Sie haben kein System. Ich weiß nicht, was ich tun soll."
    Staubiges Flüchtlingslager
    Die Wiese vor dem Lageso verwandelt sich in ein staubiges Flüchtlingslager. Die Menschen schlafen auf der braunen, ausgetrockneten Fläche, manche auf der Straße. Es fehlt an allem. Ehrenamtliche springen für den Staat ein, sie sorgen für Bekleidung, eine medizinische Notversorgung, Wasser und Nahrung.
    Ehrenamtliche sagen: "Die Mittagsverpflegung ist gerade gelaufen, da haben wir 1.200 Essen ausgegeben, das hat nicht gereicht. Da sind einfach massiv Leute, die Hunger haben."

    "Wir haben erst mal nur die Hilfestellung übernommen als Ehrenamtliche, um überhaupt eine Versorgungsqualität gewährleisten zu können. Die gab es nämlich vorher nicht. Es gab keine Versorgungsstruktur, was die humanitäre Versorgung angeht oder die medizinische Hilfe."
    Das Lageso kollabiert, die Erstaufnahme muss tageweise geschlossen werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind am Ende ihrer Kräfte, es herrscht Chaos. Zunächst versucht die Politik, um Verständnis zu werben. Berlin habe eine größere Last zu tragen als andere Bundesländer, sagt der Regierende Bürgermeister Michael Müller im Herbst letzten Jahres. Da war der Satz der Kanzlerin "Wir schaffen das" bereits gefallen.
    Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma organisieren den Einlass von Flüchtlingen am 05.10.2015 in Berlin vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGESO).
    Anspannung: Situation am Berliner Lageso im Oktober 2015. (picture alliance / dpa / Foto: Michael Kappeler)
    Campen in Regen, Schlamm und Kälte
    "Es ist so, dass bei uns alles konzentriert wird auf ein Amt, was sich in den großen Flächenländern in der Republik verteilt über zehn Ämter, findet hier im Stadtstaat in einem Amt statt. Und es ist natürlich auch so, dass wir schon auch sehen, dass wir viele Flüchtlinge haben, die sich aus anderen Bundesländern nach Berlin aufmachen, über Nacht hier auftauchen, obwohl sie eigentlich nach Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt oder Brandenburg müssten und noch mal eine zusätzliche Belastung darstellen."
    Argumente, die ein, zwei oder auch drei Monate als Erklärung dienen können. Doch das Berliner Flüchtlingsmanagement wird auch im Herbst und Winter nicht spürbar besser. Die Asylbewerber campen in Regen, Schlamm und Kälte vor dem Lageso, Tausende bleiben unregistriert, andere warten auf Taschengeld oder Krankenscheine.
    Die Lage spitzt sich zu, nicht nur in Berlin. "26. August 2015. Im sächsischen Heidenau muss sich Bundeskanzlerin Angela Merkel als 'Volksverräterin' und 'Hure' beschimpfen lassen. Die Stimmung ist aufgeheizt, immer wieder brennen Flüchtlingsunterkünfte."
    Baden-Württemberg profitiert von seinem Integrationsministerium
    Kurz danach kommen nach Baden- Württemberg täglich bis zu 1.500 Flüchtlinge. Das Bundesland profitiert davon, dass die grün-rote Landesregierung ein Integrationsministerium geschaffen hat und dass dieses, gemeinsam mit dem Innenministerium, einen Lenkungskreis einsetzt, 50 Personen, die ab 2015 im Krisenmodus arbeiten. Immer mehr Flüchtlinge kommen aus Bayern nach Baden-Württemberg.
    Hermann Schröder: "Das heißt, nicht nur 500 Menschen am Tag unterzubringen, sondern bis zu 1.500 am Tag unterzubringen. Das bedeutet, man muss die Organisation ändern. Wir haben uns dann angeschaut, wie so die Aufnahme abläuft. Was macht das Land? Aufnahme, Registrierung, Gesundheitsuntersuchungen, Röntgen. Dann kommt der Bund dazu, das BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, mit Asylantragsstellung, Anhörung usw. Und dann haben wir festgestellt, dass das ja Wochen dauert. Und dann war für uns klar: Hier müssen wir eingreifen, das Problem lösen wir nur, wenn wir die Prozesse beschleunigen."
    Ziel: So schnell wie bei der Musterung
    Hermann Schröder erinnerte sich, wie früher die Musterung, ein Tauglichkeitstest bei der Bundeswehr ablief: "Und wer noch gemustert wurde, weiß, da war man in einem Tag mit allem fertig. Und dann hatten wir das ehrgeizige Ziel zu sagen, wenn man die Musterung in einem Tag schafft, dann werden wir doch die Flüchtlingsaufnahme innerhalb von zwei bis drei Tage schaffen."
    Um herauszufinden, wie das gehen kann, begaben sich Schröder und sein Team nach Heidelberg. Dort, im Patrick-Henry-Village, einer ehemaligen Wohnsiedlung für amerikanische Militärangehörige, befindet sich seit September 2015 eine Landes-Erstaufnahmestelle. Ein 100 Hektar großes Gelände.
    Das Team der baden-württembergischen Lenkungsgruppe schaute sich an, wie die Aufnahme ablief: von der Ankunft eines Flüchtlings über die Registrierung bis hin zur ärztlichen Untersuchung. Zur Aufnahme waren genau zwei Helfer eingesetzt: Einer musste den Namen des Flüchtlings notieren, eine Station weiter machte der andere ein Foto des Neuankommenden.
    Blick auf die Stoppuhr
    Hermann Schröder: "Und wenn sie nicht erkannt haben, dass bestimmte Prozesse keine fünf Minuten dauern, sondern eine Stunde, dass man dann mehr Personen braucht, um diese Welle, die kommt abzuarbeiten, dann wird schnell nachvollziehbar, dass sich vor der Aufnahme ein Riesenstau von Menschen bildet."
    Der Blick auf die Stoppuhr zeigt Schröder und seinen Leuten: Die Zeit für den Registrierungsprozess ist zu knapp bemessen und die Zahl der Mitarbeiter muss höher sein, damit es keine Schlangen vor Erstaufnahmeeinrichtungen gibt:
    "Wenn wir pro Tag 1.000 durchbekommen, brauchen wir für die Gesundheitsuntersuchung fünf Ärzte, wir brauchen für die erkennungsdienstliche Behandlung 20 Polizisten, wir brauchen für das Fotografieren zwei Personen, für die Antragsstellung brauchen wir zehn Personen. Und dann haben wir wie so eine Art Fächer, eine Art Straße gebildet, wie auf dem Förderband, es ging immer durch, je nachdem wie groß der Aufwand war, wurde dann einfach mehr Personal eingesetzt und damit haben wir es geschafft, einen relativ ordentlichen Prozess hinzubekommen."
    Transparenz als oberstes Gebot
    Um die Akzeptanz bei den Menschen vor Ort nicht zu verlieren, galt Transparenz als oberstes Gebot. Bereits im Sommer 2014 stimmte bei einer Bürgerversammlung die Mehrzahl der Einwohner von Meßstetten für eine Landeserstaufnahmeeinrichtung in ihrer Stadt.
    Auch als die LEA überfüllt war, informierte man die Menschen in der Umgebung davon. Leiter Frank Maier ist überzeugt, die Informationspolitik hat einen großen Beitrag zur Akzeptanz in der Bevölkerung geleistet:
    "Weil wir einfach auch viele Menschen aus Meßstetten oder der Umgebung involviert haben, nicht starr gesagt haben, es ist hier eine Einrichtung des Landes und wir machen das so und ihr bleibt vor dem Zaun stehen und müsst auch gar nicht mitbekommen, was hier passiert. Wir wollten mit viel Transparenz auch mit der Bevölkerung zusammenarbeiten und haben immer wieder eingeladen, sich die Einrichtung anzuschauen, die Unterbringung anzuschauen, mit den Menschen, die hier leben, in Kontakt zu kommen."
    Spannungen und Zwischenfälle
    Doch auch im Elftausend-Seelen-Städtle Meßstetten gab es Spannungen und Zwischenfälle: Im November 2015 kam es zu einer Massenschlägerei mit einigen Leichtverletzten.

    Frank Maier: "Sicher gab es auch Schwierigkeiten, das will man gar nicht in Abrede stellen. Als wir über 3.500 Flüchtlinge hatten, war die Stadt natürlich in einem komplett anderen Bild und es waren viele Flüchtlinge auch in Meßstetten unterwegs und da gab es natürlich auch Ängste und Sorgen in der Bevölkerung, was auch absolut nachvollziehbar ist. Aber ich glaube, dass sich auch viel dadurch gelegt hat, dass dann der Kontakt bei vielen auch zustande gekommen ist und man dann auch Ängste abbauen konnte."
    Lage entspannt
    Ein Schild weisst am 05.06.2015 in Meßstetten (Baden-Württemberg) auf die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für Flüchtlinge.
    Trotz guter Organisation: In Meßstetten gab es auch Probleme. (dpa/Daniel Maurer)
    Inzwischen hat sich die Lage entspannt. Derzeit werden noch 250 Flüchtlinge in Meßstetten betreut. Der Caterer, der auch in Spitzenzeiten drei Mal am Tag Malzeiten brachte, ist immer noch im Einsatz. Jeder Bewohner bekommt eine Chipkarte mit seinem Foto. Vor der Essensausgabe muss die Karte mit einem Barcode gescannt werden, so wird jedes Essenregistriert. Ebenfalls auf der Karte finden sich Informationen über den Stand der medizinischen Untersuchungen.
    Es herrscht eine strenge Ordnung. In regelmäßigen Abständen werden die Zimmer der in Meßstetten lebenden Flüchtlinge ohne Ankündigung begutachtet. Viele Flüchtlinge, erzählt Leiter Frank Maier, seien im vergangenen Jahr womöglich genau deshalb nach Meßstetten gekommen. Die geordneten Verhältnisse hätten sich vermutlich herumgesprochen.
    Im Sommer dieses Jahres entschied der Gemeinderat, dass die Landeserstaufnahmestelle ein Jahr länger als geplant, bis Ende 2017, betrieben werden soll. Auf einer Bürgerversammlung vor der Abstimmung des Gemeinderats sprachen sich erneut etliche Meßstettner für den Erhalt der Erstaufnahmeeinrichtung aus.
    Situation in Berlin kritisch
    Anders als im Süden ist die Lage in Berlin angespannt. Einige Stimmen: "Und dann schicken sie sie weg, aber gewaltsam, und dann kommen neue, und so entsteht Eskalation. Die Leute sagen dann, why, warum, die Security schreit dann wieder, zeigt Macht, und die Leute werden aggressiv, und so passiert es, dass die Leute ausrasten."
    "Hier müssen viel mehr warme Zelte her, in den Parks schlafen die Leute und so weiter. Es muss sofort etwas passieren. Und hier ist Platz genug, die könnten hier Zelte aufstellen ohne Ende. Wir haben ein THW. Die sollen endlich beheizte Zelte aufstellen, so viele gebraucht werden."
    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller reagierte zögerlich, erkannte zu spät die politische Brisanz. Der SPD-Politiker machte das Flüchtlingsmanagement erst dann zur Chefsache, als die drei Silben La-Ge-So bereits bundesweit zum Synonym für schlechtes Flüchtlingsmanagement geworden waren.
    "Das Lageso ist eine Schande für Berlin und Deutschland"
    Müller zwang den Chef des Landesamtes zum Rücktritt. Den zuständigen Sozialsenator Mario Czaja von der CDU ließ er im Amt, der Senatschef fürchtete um einen Bruch der rot-schwarzen Koalition. Die Opposition schäumte. Ramona Pop, Fraktionschefin der Grünen: "Das Lageso ist eine Schande für Berlin und Deutschland, die Zustände am Lageso sind menschenunwürdig, hier spielt sich inzwischen eine humanitäre Katastrophe ab."
    Und Udo Wolf, Fraktionschef der Linken:
    "Das Lageso und das organisatorische Chaos dort haben es zu weltweiter Berühmtheit gebracht. Längst hat das Lageso den Flughafen BER abgelöst als Synonym für Berliner Pleiten."
    Berliner Pleite
    Die Ursachen für diese Berliner Pleite sind vielfältig. Eine ist der rigorose Sparkurs, den sich die Hauptstadt unter Klaus Wowereit verordnet hatte. Personal wurde abgebaut, Verwaltungsstrukturen nicht modernisiert, die Mitarbeiter sind deshalb nur mäßig motiviert. So traf die Flüchtlingswelle auf eine Behörde, die auch vorher nur bedingt funktionsfähig war.
    Außerdem gelang es nicht, das Engagement der Ehrenamtlichen produktiv zu verknüpfen mit der Arbeit der Landesbehörde. Die Initiative "Moabit hilft" und das Lageso, das war vielfach ein Gegeneinander statt ein Miteinander.
    Senator leistete Abbitte
    Nicht zuletzt versagten sowohl die Behördenspitze als auch der zuständige Sozial- und Gesundheitssenator Mario Czaja. Der CDU-Politiker machte das Flüchtlingsthema nie öffentlich zu seiner Angelegenheit. Statt Asylbewerberheime besuchte er Krankenhäuser und Arztpraxen. Erst im Frühjahr, als die Flüchtlingszahlen bereits massiv zurückgingen, gelang eine Neustrukturierung der Abläufe und der Senator leistete Abbitte. Die Situation sei für alle unerträglich gewesen:
    "Und sie war auch an vielen Stellen so, dass wir auch ganz selbstkritisch sagen müssen, dass es an vielen Tagen nicht so war, wie sich Deutschland, wie sich Berlin zeigen sollte."
    Berlin hat seit dem 1. August ein neues Landesamt für Flüchtlingsfragen. Der Name Lageso bleibt - als Synonym für eine Behörde, die auf der ganzen Linie versagt hat.