Aus den Feuilletons

Wie die Stadtflucht gelingt

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Bei einem Dorffest sitzen viele Menschen auf Bierbanken.
Es gebe Zugezogene, die sich auf das Landleben wirklich einließen, schreibt die "Welt" - der Besuch von Dorffesten beschleunige die Integration. © imago images / Becker&Bredel
Von Ulrike Timm · 17.05.2021
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Aus Jaffa meldet sich ein tapferer Historiker zu Wort."Klatschen reicht nicht" zu sagen, reicht nicht, findet die "taz". Frankreich freut sich auf kulturelles Remmidemmi. Und die „Welt“ erläutert, wie der Umzug von der Stadt aufs Dorf gelingen kann.
"Liebe Freunde!" – einen traurigen, verzweifelten, auch ratlosen Brief hat Dror Wahrman, Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem, der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG geschrieben.

Bedrohte arabisch-jüdische Solidarität

Wahrman berichtet aus Jaffa, dem israelischen Stadtviertel, das bislang für "die Vision der ethnisch gemischten Stadt" stand. Hier lebt der Historiker, und hier leitet er das Akademische College, das "das Ideal der gemeinsamen Gesellschaft ganz oben auf die Agenda gesetzt hat." Tapfer schreibt Wahrman:
"Ich komme gerade von einer großen israelisch-palästinensischen Demonstration im muslimischen Herzen von Jaffa, nicht die bequemste Veranstaltung, aber ich bin hingegangen, um die arabisch-jüdische Solidarität zu betonen. Die Lage hat sich hier so rasch verschlechtert, dass uns allen immer noch der Kopf schwirrt."
Am Sonntag noch habe man im Rahmen einer Ramadan-Veranstaltung mit Juden, Moslems, Drusen und Christen zusammengesessen. Jetzt habe ihn eine palästinensische Doktorandin mit Tränen in den Augen gefragt, "wie es sein könne, dass sie und ich jetzt Angst hätten, die Straßen unserer gemeinsamen Stadt zu betreten, obwohl wir doch noch am Sonntag zusammen zu Abend gegessen hätten."
Und auch wenn Dror Wahrman und viele seiner Landsleute an der Vision einer gemeinsamen Gesellschaft jüdischer und arabischer Israelis festhalten – auf diese Frage hat er angesichts des Terrors keine Antwort. Dror Wahrmans "Brief aus dem Schrecken" finden Sie in der FAZ.
Tonwechsel. Und Themenwechsel.
"Auch ‚Klatschen reicht nicht‘ zu sagen, reicht nicht", mahnt die TAZ und erinnert daran, dass der dankbare und respektvolle Applaus für die Pflegekräfte in der Corona-Krise bislang wenig verändert hat.

Anerkennung ohne Geld?

"Applaus bezahlt keine Miete. Applaus verhindert keine Überstunden. Applaus schützt nicht vor einem Burn-out. Das Klatschen war nur gut, weil es die ‚Klatschen-reicht-nicht-Sätze‘ möglich gemacht hat. Aber auch ‚Klatschen reicht nicht‘ zu sagen reicht nicht. Und viel mehr ist bisher nicht passiert."

Kulturverluste in der Pandemie

Ganz langsam bereitet man sich in Deutschland auf die Öffnung von kulturellen Veranstaltungen vor. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fragt unter der Überschrift "Kulturerbe im Krisenmodus", ob auch das Erfolgsmodell der rund 300 Kunstvereine die Pandemie überstehen werde.
Bürgersinn und die Vermittlung zeitgenössischer Kunst prägten das Bild und die Arbeit dieser Kunstvereine. Und Kunst müsse man eben zeigen, nicht bloß zoomen. Die Sorge ist groß, dass gerade die experimentellen Projekte verschwinden könnten.

Kulturrausch in Frankreich

Derweil freut sich Frankreich auf Remmidemmi. Am 19. Mai geht nicht alles, aber sehr vieles wieder auf. "Bühnen und Museen melden erfreuliche Vorbestellungen. Nach einem Jahr Entzug ist 'Kulturrausch' angesagt" meldet die FAZ. Allerdings – das eine oder andere heiß ersehnte Ereignis könnte gleich wieder Opfer von Streiks werden.

Tipps für Zugezogene auf dem Dorf

Die WELT erkundet im Gespräch mit der Geografin Susanne Dähner das Leben von Stadtflüchtigen auf dem Lande. Die Integration der Städter in die Dorfgemeinschaften sei möglich, aber nicht immer einfach, meint die Fachfrau, die eine Studie mit dem Titel "Landleben 4.0" vorgelegt hat.
Klar, es gäbe bitterarme Dörfer, etwa in der Uckermark, wo vor jedem schön sanierten Häuschen ein Auto mit Berliner Kennzeichen parke und nur Wochenend-Zweitsitze entstanden seien. Aber eben auch Beispiele für zugezogene Gründer, die Neues schafften und sich auf das Landleben wirklich einließen. Ihr Tipp:
"Man muss auch mal zum Fest der Freiwilligen Feuerwehr und zum Dorffest gehen, ohne sich daran zu stören, dass es dort nach Bratwurst riecht und es nichts Veganes gibt."
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