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Flüchtlinge
Italien beendet Rettungsaktion "Mare Nostrum"

Die italienische Regierung hat ein baldiges Ende ihrer Flüchtlings-Rettungsaktion "Mare Nostrum" im Mittelmeer angekündigt. Sie soll nicht parallel zum morgen beginnenden ähnlichen Einsatz der EU-Grenzschutzagentur Frontex weitergeführt werden. Hilfsorganisationen befürchten nun einen Anstieg der Opferzahlen.

31.10.2014
    Flüchtlinge aus Afrika stehen in einem Schlauchboot, das im Mittelmeer treibt - sie werden schließlich von einem italienischen Rettungsschiff geborgen.
    Flüchtlinge aus Afrika stehen in einem Schlauchboot, das im Mittelmeer treibt - sie werden schließlich von einem italienischen Rettungsschiff geborgen. (dpa / picture-alliance / Giuseppe Lami)
    Wenn Frontex mit dem neuen Einsatz "Triton" beginne, sei es schwierig zu erklären, dass die aus der Not geborene italienische Initiative "Mare Nostrum" weitergeführt werde, betonte Innenminister Angelino Alfano in Rom. Seit dem Tod von mehr als 360 Flüchtlingen vor der Küste der Insel Lampedusa vor einem Jahr hat die italienische Marine nach Angaben aus Rom 150.000 Menschen im Mittelmeer retten können. Führende europäische Politiker hatten das Unglück damals als "Schande für Europa" bezeichnet.
    Keine Aktionen mehr auf hoher See
    Italien musste für die Rettungsaktion monatlich mehr als neun Millionen Euro aufbringen. Der morgen beginnenden Frontex-Einsatz soll dagegen nur drei Millionen Euro pro Monat kosten. Der Einsatzbereich von "Triton" umfasst auch nur küstennahe Gebiete, keine Aktionen auf hoher See - die italienische Marine war bis vor der libyschen Küste unterwegs. Die EU-Innenminister hatten bei ihrem Treffen Anfang Oktober nochmal betont, dass sie das Rettungsmandat der Grenzschutzagentur so eng wie möglich auslegen wollen. Das Doppelmandat von Frontex spiegelt das ganze Dilemma der europäischen Flüchtlingspolitik wider: Einerseits sollen die Grenzschützer Flüchtlinge davon abhalten, europäischen Boden zu betreten. Andererseits sollen sie verhindern, dass Flüchtlinge ertrinken.
    Deutschland wird für "Triton" nach Angaben des Innenministeriums einige Bundespolizisten entsenden und im kommenden Sommer einen einzigen Helikopter zur Verfügung stellen. Ausländische Hilfe bekommt Italien auch bei der Registrierung der Flüchtlinge, denen bei der Ankunft konsequent Fingerabdrücke genommen werden sollen. Dies soll verhindern, dass sie - wie oftmals geschehen - in andere EU-Länder weiterreisen, um dort Asylanträge zu stellen. Denn nach EU-Recht müssen sie dies im Ankunftsland tun.
    "Anreiz zur Flucht nach Europa"
    Laut italienischer Marine nahmen 32 Schiffe an der Aktion "Mare Nostrum" teil. Sie wurden von U-Booten, Flugzeugen und Hubschraubern unterstützt. Durch diesen Aufwand wurden drei mal so viele Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet wie 2013.
    Doch gerade an diesen Zahlen hatte sich Kritik entzündet. Viele EU-Länder kritisierten die italienische Rettungsaktion als Anreiz zur Flucht nach Europa - auch wenn das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR darauf verweist, dass der Anstieg der Flüchtlingszahlen in Europa schon Monate vor "Mare Nostrum" begann. Zur Kritik trugen Berichte über Schlepperbanden bei, die die Operation systematisch ausgenutzt haben sollen. Sie schickten demnach vollkommen überladene Boote los und setzten dann einen Notruf an die italienische Marine ab, damit die Flüchtlinge nach Europa gebracht würden.
    Deutschland kritisierte "Mare Nostrum"
    An vorderster Front der Kritiker stand Deutschland. "Mare Nostrum war als Nothilfe gedacht und hat sich als Brücke nach Europa erwiesen", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Anfang Oktober. Tatsächlich stiegen die deutschen Asylbewerberzahlen sprunghaft an - in den ersten neun Monaten des Jahres um fast 60 Prozent auf rund 136.000.
    Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) sitzt am 27.06.2014 im Bundestag in Berlin.
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière im Bundestag. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Und alle Tragödien konnte natürlich auch der italienische Einsatz nicht verhindern: Mindestens 3.300 Flüchtlinge starben dieses Jahr bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Italiens Innenminister Alfano versicherte nichtsdestotrotz, sein Land wolle auch nach dem Ende von "Mare Nostrum" seine eigenen "Such- und Rettungsaktionen im Meer fortsetzen".
    Hilfsorganisationen kritisieren die Pläne Italiens, den "Mare Nostrum"-Einsatz einzustellen. Die tragischen Schiffbrüche seit Jahresbeginn zeigten, wie nötig eine Fortsetzung sei, heißt es von Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen.
    (sdö/tzi/nin)