Kritik an Berichterstattung zu Corona

"Die Komplexität nicht unentwegt befeuern"

06:48 Minuten
Illustration eines Mannes, der die Form einer Pausentaste aus einem Haufen von Papierblättern frei kehrt.
Mehr von Menschen erzählen, weniger kommentieren: So können Medien aus Sicht des Journalisten Stefan Braun verhindern, dass die Menschen meschugge werden. © imago / Ikon Images
Stefan Braun im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 29.04.2021
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Von den vielen Berichten und Kommentaren zu den immer neuen Wendungen der Pandemie kann man verwirrt sein: Der Journalist Stefan Braun zeigt teils Verständnis für die Gemütslage von Schauspieler Jan Josef Liefers. Und hat einen Vorschlag.
Bei der Aktion #allesdichtmachen beklagte der Schauspieler Jan Josef Liefers auf ironische Weise die deutsche Medienlandschaft, die er als alarmistisch und weitgehend gleichgeschaltet darstellte. In einem Streitgespräch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der "Zeit" gestand er nun, immer "meschuggener" vom medialen Dauerfeuer geworden zu sein. Erst als er "einfach nichts mehr angeguckt und gelesen" habe, sei es ihm besser gegangen.
Porträt von Stefan Braun
Stefan Braun ist Korrespondent im Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung.© Stefan Braun
Stefan Braun, Korrespondent im Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung, kann das nachvollziehen. Er habe "größtes Verständnis" dafür, wenn jemand wie Liefers durch die vielen Debatten "schwindlig gespielt" worden sei; diese könnten einen "wirklich verwirren", sagt er:
"Wir debattieren offen, wir debattieren sehr breit, wir haben wahnsinnig viele Emotionen inzwischen völlig zu Recht im Spiel – seien es die Kinder, sei es der Job, seien es die eigenen Eltern, sei es das Gefühl, dass die Politik an bestimmten Stellen einfach nicht gut war. Das hat bei sehr vielen dazu geführt, dass es genauso ist, wie Jan Josef Liefers sagt."

Je verwirrter etwas ist, desto stärker wird der Egoismus

Die Art und Weise allerdings, wie der Schauspieler und seine an der Videokampagne beteiligten Kolleginnen und Kollegen ihre Kritik vorbrachten, sei "schlicht und ergreifend der komplett falsche Weg" gewesen, betont Braun. Aus Sicht des Journalisten täten Medien gut daran, nicht jede einzelne Wendung zu kommentieren. Als Beispiele nennt er das Hin und Her um den Impfstoff AstraZeneca oder auch die Debatten um den Impfnationalismus zwischen Großbritannien und der EU. "Dass das die Leute irre macht, verstehe ich sofort", sagt Braun:
"Je verwirrter das alles ist, desto stärker fallen die Leute auf sich selbst zurück und entwickeln dann natürlich auch so einen Egoismus, der für’s Kollektiv nicht gut sein kann."
Der Schlüssel für Journalistinnen und Journalisten liegt nach Brauns Auffassung darin, Beispiele zu erzählen: vom Leben der Künstler, von der Pflegerin auf der Intensivstation, von der Lehrerin oder von Schülern. "Das ist unser Hauptjob – und nicht unentwegt das, was wir jetzt heute gehört haben, nochmal wieder einzuordnen und zu kommentieren", findet der Korrespondent:
"Manchmal wäre es vielleicht besser, man würde diese Wendung einfach erzählen, transparent machen, wie komplex die Welt ist und nicht diese Komplexität unentwegt befeuern durch umso leidenschaftlichere Kommentare."
(bth)
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