Freitag, 29. März 2024

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Flüchtlings-Bandprojekt Habibi Almani
Lovesongs aus einer flüchtigen Welt

Auf der Suche nach Sehnsuchtsliedern ist die Musikerin Bernadette La Hengst in einem Berliner Flüchtlingsheim von Tür zu Tür gegangen und hat eine Band der anderen Art zusammengetrommelt: Neun Menschen zwischen 12 und 40 bilden nun die Formation Habibi Almani.

Von Dörte Fiedler | 15.06.2015
    Was man hier hört, ist der Beginn einer Bandprobe. Das Instrument, das gerade gestimmt wird, ist eine Oud, eine arabische Kurzhalslaute. Die Musikerinnen und Musiker sprechen Arabisch, Kurdisch, Englisch und manchmal Deutsch miteinander. Soweit ist daran nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist der Ort. Die Bandprobe findet in Berlin Spandau statt.
    Draußen überfliegen in niedriger Höhe Passagierflugzeuge das große Backsteingebäude, in dem sich der Probenraum befindet. Von den langen Fluren des Hauses gehen viele Türen ab, ähnlich einer Schule oder Behörde, hier wohnen Amal, Tamer, Lilaf, Majada, Kamal, Morhaf und Arafat. Sie alle gehören zur Band und teilen dasselbe Dach über ihren Köpfen. Ihr momentanes zu Hause ist ein Flüchtlingsheim am Rand der Stadt.
    "Hallo Amal, Guten Morgen."
    "Hallo Majada, geht's gut?"
    "Ja"
    "Mikro Test, Ha ha"
    "Jalla Jalla Los!"
    Alle sind erst seit kurzer Zeit in Deutschland, und da das Spandauer Heim ein Erstankunftsheim ist, bleibt der Aufenthalt hier von vornherein begrenzt. Aus den unterschiedlichsten Regionen Syriens sind sie nach Deutschland geflüchtet und keiner weiß, wohin es ihn in den nächsten Wochen verschlagen wird. Das ist nicht die einzige Sorge, die sie miteinander teilen. Einige haben ihre Familie zurücklassen müssen, und nun sind ihre Tage gefüllt mit Warten und Hoffen. Warten auf Nachricht aus der Heimat, oder von den deutschen Behörden, warten auf Visa oder Termine in der Botschaft.
    Im Probenraum wird all das ausgeblendet. Hier sind sie in erster Linie Musiker.
    "Die Band heißt Habibi Almani, was soviel heißt wie Liebling Deutschland."
    " ... muss man sich über die Musik verständigen"
    Zusammengebracht hat sie die Musikerin Bernadette La Hengst.
    "Also wir haben einfach angefangen zu spielen – es war ähm, gleich das erste Treffen, da hatte der Saz-Spieler ein anderes Instrument aus Syrien und da hatte ich meine Gitarre schon dabei. Und dann haben wir versucht zu improvisieren, und das hat natürlich Spaß gemacht. Er kann kein Wort Deutsch und kaum Englisch und ich kann kein Wort Arabisch oder Kurdisch also muss man sich über die Musik verständigen und mit Händen und Füßen, und das ist ne schöne Herausforderung. Also wie kommen da zwei wirklich völlig fremde Kulturen zusammen? Über Musik kann es funktionieren."
    Im Rahmen des INTERVENTIONEN-Festivals, das am vergangenen Wochenende stattfand und sich mit den Perspektiven kultureller Bildungsarbeit in der Einwanderungsgesellschaft beschäftigt, hat sich Bernadette La Hengst im Spandauer Heim auf die Suche nach Musikern für ein Bandprojekt gemacht. Unter dem Motto "Lovesongs aus einer flüchtigen Welt" wollte sie Liebeslieder verschiedenen Ursprungs sammeln und gemeinsam musikalisch bearbeiten.
    "Also ich singe zuerst und ihr macht den Chor: weit weg von hier – und ihr – weit weg von hier ... "
    Die Lieder, die ihr die Bandmitglieder vorgeschlagen haben und einige abgewandelte Songs aus ihrem eigenen Repertoire bilden die Grundlage des Programms, das die Band Habibi Almani für ihren Auftritt während des Festivals einstudiert hat. Einen Song hat La Hengst neu komponiert, eine Art Liebeslied auf Deutschland. Gleichnamig zur Band heißt es: Habibi Almani - Liebling Deutschland.
    "Also es wäre jetzt nicht meine Sache gewesen, mein Programm zu spielen und die dürfen im Hintergrund ein bisschen trommeln, das wäre keine Begegnung gewesen. Sondern ich musste zwischendurch in den Proben auch richtig dran zweifeln, sind das die richtigen Lieder? Verstehen sie mich wirklich oder täusche ich da irgendwas vor, eine Begegnung, die überhaupt gar nicht stattgefunden hat?"
    Szene aus der Probe: "Habibi Habibi, siehst du nicht, was ich fühl, Habibi Habibi, komm her, gib mir Asyl, Habibi Habibi,du willst nur deinen Spaß, Habibi Habibi, doch ich will deutschen Pass –habibi ihhihhi ... "
    "Und dennoch ist es mir wichtig, dass man nicht nur irgendwelche kurdischen oder syrischen Traditionals spielt, sondern dass da auch unsere beiden Kulturen zusammentreffen."
    Allein als willkommene Unterbrechung zum Heimalltag sieht Bernadette La Hengst das Projekt längst nicht, und es war ihr besonders wichtig, dass die persönlichen Geschichten und Erfahrungen der Bandmitglieder mit in die Lieder einfließen. So hat beispielsweise die Oud Spielerin Souriana einen neuen Text für einen bekannten arabischen Song geschrieben, den sie ihren in Damaskus zurückgelassenen Töchtern widmet.
    Und auch wenn die Band vermutlich nicht lange weiter bestehen wird, weil die Umquartierung der Musiker und Musikerinnen in andere Unterkünfte und Heime schon feststeht: Für eine kurze Zeit haben sie gemeinsam die universale Sprache der Musik gesprochen.