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Flüchtlingskinder in Bayern
Von überforderten Schulen

Täglich treffen in Bayern rund 250 Flüchtlinge ein, darunter viele Minderjährige. Die Kinder werden in sogenannte Übergangsklassen eingeteilt. Doch diese sind mittlerweile übervoll. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband schlägt Alarm.

Von Susanne Lettenbauer | 14.10.2014
    Eine Übergangsklasse der Mittelschule an der Münchner Alfonsstraße. Die 18 Mädchen und Jungen sitzen über ein Arbeitsblatt gebeugt. Es geht um Berufsbezeichnungen – Kellner, Raumpfleger, Gärtner. Zwischen 12 und 16 Jahre alt sind die Schüler und Schülerinnen. Sie stammen aus Kroatien, Rumänien, Liberia, Syrien. Einige lernen erst lesen und schreiben. Eigentlich sollten nur zwölf in der Übergangsklasse sitzen, 20 sind mittlerweile die Normalität:
    Lehrerin Regina Ammetsbichler ist eigentlich Gymnasiallehrerin für Deutsch und Französisch, als mobile Reserve hilft sie jetzt bei den Flüchtlingskindern auf der Hauptschule aus. Sprachkenntnisse ihrer Schützlinge in Deutsch – Fehlanzeige. Arbeitsmaterialien ebenso:
    "Ja, ich habe Sachen selbst zusammengesucht, dann bekomme ich aber als Vertretung auch Sachen von der Lehrkraft, die gerade krank ist, die schickt mir Arbeitsblätter zu."
    Auf dem Lehrertisch liegen Rechenaufgaben. Plus- und Minusrechnen, Niveau - zweite Grundschulklasse. Erst gestern kamen neue Schüler hinzu, andere verlassen die Klasse, die Fluktuation ist hoch, sagt ihr Kollege Dominik Bauer, der die 10- bis 14-Jährigen betreut. Schulunterricht ist so praktisch nicht mehr möglich:
    "Die Sachlage stellt sich also so dar, dass nach zwei Tagen zwei Neue dazukommen, dann einen Tag später zwei Neue, manche gehen auch, so landen wir dann irgendwann bei der Zahl 20."
    Dominik Bauer ist gern Lehrer, auch in den Übergangsklassen. Was er vermisst, ist die Anerkennung und Unterstützung aus der Politik. Er und seine Kollegen fühlten sich allein gelassen.
    "Das Problem ist einfach, dass die Klassen überfüllt sind, besonders die Übergangsklassen, sodass die Fördermaßnahmen nicht möglich sind aufgrund der Heterogenität."
    Zwar habe Kultusminister Ludwig Spaenle kürzlich ein Lob in Richtung Lehrer ausgesprochen, nur fehlen tue es trotzdem am nötigsten, so Bauer:
    "Ich habe keine Differenzierungsstunden in der Klasse, vielleicht auch mit einen Tandemlehrer, da reicht auch ein Student für irgendwelche Projekte, dass man da jemanden reinholt in die Klasse für die Alphabetisierung. Dann haben wir das Thema Inklusion und nicht selten, das ist ein Punkt, der in der Heterogenität noch hinzukommt."
    Vor zwei Jahren habe man bereits einen langen Forderungskatalog Richtung Landtag geschickt, ein Positionspapier, von dem einige wenige Punkte aufgegriffen wurden, betont die Vizepräsidentin des BLLV Waltraud Lucic. Hätte die Politik damals ihre Hausaufgaben gemacht, dann hätte man das Dilemma jetzt nicht.
    "Ich habe gestern mit dem Schulamt telefoniert, sie haben Lehrer, sie könnten Klassen aufmachen, aber da sind keine Räume da. Man kann ja die kleinen Kinder nicht durch ganz München schicken. Man bräuchte im Münchner Westen dringend neue Klassen, da hat man die Lehrer aber die Räume nicht, anderorts ist es andersherum, also es ist bisschen schwierig."
    Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) fordert jetzt zehn Millionen Euro Soforthilfe für Schulen mit Flüchtlingskindern. Da die Übergangsklassen voll seien, würden Kinder auch in normale Klassen geschickt, für Lehrer und Schüler unakzeptabel. Aus dem Kultusministerium gab es dazu noch keine Reaktion.