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Flüchtlingspolitik
Deutschland führt wieder Grenzkontrollen ein

Seit Sonntagnachmittag fährt kein Zug mehr zwischen Deutschland und Österreich. Bundesinnenminister Thomas de Maizère (CDU) verkündete, dass Deutschland wieder Grenzkontrollen einführt. Grüne und Linke kritisierten die Entscheidung, die CSU hingegen zeigt sich zufrieden.

Von Johannes Kulms | 14.09.2015
    Bundesinnenminister de Maizière
    undesinnenminister de Maizière verkündet am 13.09.15 die Wiedereinführung von Grenzkontrollen. (Paul Zinken/dpa/picture alliance)
    Es wirkt wie eine Vollbremsung: Am Sonntagnachmittag teilen die Österreichischen Bundesbahnen mit, dass der Zugverkehr nach Deutschland gegen 17 Uhr eingestellt sei.
    Eine halbe Stunde später tritt in Berliner Bundesinnenminister Thomas de Maizière vor die Presse – und verkündet die politische Vollbremsung,:
    "Deutschland führt in diesen Minuten wieder Grenzkontrollen vorübergehend ein. Der Schwerpunkt wird zunächst an er Grenze zu Österreich liegen. Ziel dieser Maßnahme ist es, den derzeitigen Zustrom nach Deutschland zu begrenzen und wieder zu einem geordneten Verfahren bei der Einreise zu kommen."
    Nur wenige Minuten dauert das Statement, Nachfragen der Presse sind nicht zugelassen.
    Das Schengen-Abkommen wird außer Kraft gesetzt. Die vorübergehenden Grenzkontrollen seien aus Sicherheitsgründen dringend erforderlich, sagt de Maizière.
    Asylsuchende können sich Land eben nicht aussuchen
    Die Mitgliedsstaaten müssten sich in Zukunft wieder an das Dublin-Verfahren halten, fordert der CDU-Politiker. Der zuständige Mitgliedstaat müsse Asylsuchende also nicht nur registrieren, sondern auch das Asylverfahren durchführen. Thomas de Maizière:
    "Auch die Asylssuchenden müssen akzeptieren, dass sie sich einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der ihnen Schutz gewährt, nicht einfach aussuchen können. Das wird auch gelten, wenn es zu einem europäischen Verteilsystem kommt."
    Die Bundesregierung will mit der vorübergehenden Einführung von Grenzkontrollen Zeit gewinnen. Und damit auch auf die Klagen der Bundesländer reagieren, die in den letzten Tagen immer stärker geworden waren und vor Überlastung bei der Aufnahme von Flüchtlingen gewarnt hatten.
    Die Grenzkontrollen seien kein Königsweg, sondern eine absolute Notlösung, sagt Roger Lewentz, Vorsitzender der Innenministerkonferenz. Doch sie verschafften Luft, um zu geordneten Verhältnissen zurückzukommen, so der rheinland-pfälzische Innenminister.
    Ähnlich äußerte sich auch Lewentz' Parteikollege, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller:
    "Die neuen Zahlen überrollen uns alle. Und insofern sage ich, es ist überfällig, dass nun endlich von der Bundesregierung sowohl national geklärt wird, wie die Aufnahmesituation ist, das können die Länder nicht alleine und international geklärt wird, wie wir zu einem Verteilsystem kommen."
    So der SPD-Politiker im ZDF.
    Grüne und Linke kritisieren Bundesregierung
    Die Opposition sieht die Entscheidung dagegen kritisch. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte gegenüber dem ARD-Fernsehen:
    "Ich verstehe nicht, was einfacher wird, wenn wir jetzt die Grenzen zu machen. Denn die Flüchtlinge müssen trotzdem versorgt werden, ob man sie am Bahnhof versorgt oder an der Grenze versorgt – das macht ja erst mal nichts leichter."
    "Grenzen kann man schließen, aber die Probleme löst man damit nicht", kritisiert auch der Fraktionschef der Bundestagsfraktion Die Linke, Gregor Gysi. Es werde höchste Zeit, so schnell und wirksam wie möglich die Fluchtursachen zu bekämpfen, so Gysi weiter.
    CSU ist zufrieden
    Große Zufriedenheit herrscht dagegen beim bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der noch zuletzt noch Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik scharf angegriffen hatte.
    Nun fordert der CSU-Politiker den Bund auf, die vor knapp einer Woche vereinbarten finanziellen Mittel zu Unterstützung der Länder in der Flüchtlingspolitik mindestens zu verdoppeln. Schließlich habe sich die Lage dramatisch verändert. Seehofer fordert außerdem...
    "Dass die Bundesregierung diese Verteilung der Flüchtlinge in Deutschland verantwortlich managt und übernimmt. Es ist auch deshalb notwendig, wenn wir nämlich nicht in der Lage wären, die Flüchtlinge in Deutschland vernünftig aufzuteilen, dann werden wir die Europäische Union auch nicht überzeugen können, dass dies in der Europäischen Union geschehen soll."
    Genau dies könnte eine weitere Erklärung für die Vollbremsung der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik sein: Dass sie nicht nur ein Signal an die Bundesländer setzen möchte, sondern auch den Druck erhöhen möchte mit Blick auf das Treffen der EU-Innen- und Justizminister an diesem Montag.