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Flüchtlingspolitik
Unionsstreit um Asylrecht

Die Flüchtlingspolitik spaltet die Union: Bundesinnenminister Horst Seehofer fordert schärfere Regularien an den Grenzen und kündigt eine Zusammenarbeit mit dem rechtsgerichteten italienischen Innenminister an. Bundeskanzlerin Angela Merkel beabsichtigt einen gesamteuropäischen Ansatz.

Von Gudula Geuther | 13.06.2018
    Staatsministerin für Integration, Annette Widmann-Mauz (CDU), Ferda Ataman, Sprecherin der Neuen Deutschen Organisation und Bundeskanzlerin Angela Merkel beim 10. Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht zum Auftakt des Integrationsgipfel neben Staatsministerin Annette Widmann-Mauz und Ferda Ataman, der Sprecherin der Migrantenorganisation (imago)
    Im unionsinternen Streit um die Zurückweisung von Asylantragstellern an der Grenze wollen Kanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer offenbar in den kommenden Tagen erneut nach einer Lösung suchen. Die CDU/CSU-Fraktion erwarte das zeitnah, so der CSU-Chef.
    "Zeitnah heißt für mich innerhalb dieser Woche. Aber ich müsste jetzt Hellseher sein Ihnen vorherzusagen: Wir werden auf jeden Fall eine Lösung finden. Wir werden uns ganz intensiv darum bemühen, dass es diese Lösung gibt."
    Er will, dass diejenigen an der Grenze zurückgewiesen werden, die in einem anderen europäischen Land registriert sind, zumindest wenn die Zahl von rund 200.000 Menschen erreicht ist, Angela Merkel will das nicht. Für den CDU-Abgeordneten Christian von Stetten ist kein Kompromiss denkbar. Er plädiert deshalb für eine Kampfabstimmung in der Unionsfraktion, in der gestern niemand zugunsten Merkels Position gesprochen haben soll. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, CSU, verlangte von seinen Kollegen Unterstützung für Seehofer beim morgigen Treffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin. Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther sagte im NDR, er stehe auf Merkels Seite.
    "Wenn wir Asylbewerber an den Grenzen gleich wieder zurückschicken würden, würde das bedeuten, dass wir ja an allen Grenzen wieder Kontrollen aufwändig durchführen müssten. Und ich halte das für keinen zielführenden Weg."
    Auch im Europäischen Parlament spaltet die Frage die Union
    Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil erinnerte daran, dass nicht nur CDU und CSU, sondern auch seine SPD die Regierung tragen. Seehofer möge deshalb auch innerhalb der Koalition für Abstimmung sorgen. Auch im Europäischen Parlament spaltet die Frage die Union. Markus Ferber, CSU, stellt sich im Deutschlandfunk hinter seinen Parteichef. Er wirft anderen europäischen Staaten, darunter Ungarn und Österreich vor, sie hielten sich nicht an EU-Recht – zum Nachteil Deutschlands.
    "Und so halte ich das Vorgehen des Bundesinnenministers für richtig."
    Othmar Karas von der ÖVP widerspricht im Deutschlandfunk.
    "Wir alle wissen doch ganz deutlich, dass wir nicht mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, mit neuen Feindbildern oder mit einer Eskalation des Themas Flucht und Migration ein Problem lösen, sondern nur innenpolitisch Stimmung machen. Sondern dass wir eine gesamteuropäische Lösung benötigen."
    Er sei deshalb ganz auf Angela Merkels Seite. Das ist auch Daniel Caspary, der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Er wirft Horst Seehofer vor, eine unnötige Debatte vom Zaun gebrochen zu haben.
    "Wir brauchen mehr europäischen Außengrenzschutz, wir brauchen mehr europäische Durchsetzungsmöglichkeiten. Wir brauchen dann auch ein europäisches Asylrecht, damit die Mitgliedstaaten sich nicht den schwarzen Peter hin und her schieben, darum geht es ja in der jetzigen Debatte. Und deswegen bitte im Moment alle darauf konzentrieren, dass wir im europäischen Asylrecht vorankommen und nicht diese Scheindebatte in Deutschland führen."
    Zusammenarbeit mit Italiens Innenminister
    Für die europäischen Reformen des Asylrechts wird es auch auf Österreich ankommen, das im Juli die Ratspräsidentschaft übernimmt. Nach einem Treffen mit Horst Seehofer sagte Kanzler Sebastian Kurz:
    "Unser großes Ziel ist es, voranzukommen im Außengrenzschutz, da einen echten Fortschritt zu erzielen. Unserer Meinung nach braucht es im Kampf gegen illegale Migration eine Achse der Willigen."
    Womit er Berlin, Wien und Rom meint. Auch Horst Seehofer kündigte eine enge Zusammenarbeit mit dem rechtsgerichteten italienischen Innenminister an. Angela Merkel dagegen reagierte verhalten: Es gehe um einen gesamteuropäischen Ansatz. Zur Zeit seines Treffens mit Kurz hätte Seehofer an sich am Integrationsgipfel im Kanzleramt teilnehmen sollen. Die Absage des für Integration zuständigen Ministers stieß auf breite Kritik.
    Anette Widmann-Mauz, CDU, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, stellte ihre Ideen für einen Nationalen Integrationsplan vor. In fünf Phasen solle das Prinzip Fördern und Fordern gestärkt werden – angefangen von Integrations- und Sprachkursen im Herkunftsland.
    "Denn wir müssen die Erwartungen steuern. Wir müssen noch viel frühzeitiger Orientierung auf das geben, worauf sich Menschen dann auch in Deutschland einlassen."