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"Flügel" der AfD als Beobachtungsfall
Verfassungsschutz verschärft Gangart

Der rechtsnationale "Flügel" der AfD ist für den Verfassungsschutz jetzt offiziell ein Beobachtungsfall. Die Frontmänner Björn Höcke und Andreas Kalbitz nennt Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang "Rechtsextremisten" - auf Kritik stößt er damit vor allem bei der AfD.

Von Johannes Kuhn | 13.03.2020
Silhouette von Björn Höcke bei einer Pressekonferenz der AfD nach der Landtagswahl in Thüringen. Im Hintergrund sind Silhouetten von Fernsehjournalisten mit Kamera zu sehen.
Sind jetzt offiziell ein Fall für den Verfassungsschutz: Björn Höcke (im Profil) und sein "Flügel" innerhalb der AfD (imago / IPON)
Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz den Flügel zum rechtsextremen Beobachtungsfall erklärt hat, schart sich die AfD um die Gruppierung. So betonte der AfD-Bundestagsabgeordnete Armin Paul Hampel am Morgen im Deutschlandfunk: "Ich habe das schon seit vielen Jahren immer gesagt: Die AfD ist auf dem Weg, eine Volkspartei zu werden. Und eine Volkspartei ist breit aufgestellt. Und das heißt für mich, dass der Flügel zur AfD gehört."Ähnlich äußerten sich weitere AfD-Politiker, darunter die Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Sie sagte der Stuttgarter Zeitung, Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang habe in seiner Pressekonferenz, so wörtlich, "nichts von Substanz vorgetragen". Die Partei werde sich juristisch wehren.
"Flügel" geschätzt 7000 Mitglieder stark
Der Verfassungsschutz schätzt die Anhängerzahl des Flügels auf etwa 7000 Parteimitglieder. Auch die wachsende innerparteiliche Bedeutung der beiden wichtigsten Flügel-Wortführer, Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke und Brandenburgs Vorsitzender Andreas Kalbitz, sei deutlich. "Beide Personen sind Rechtsextremisten", so Verfassungsschutz-Präsident Haldenwang bei der Pressekonferenz gestern. Höcke hatte zum Beispiel vor der, Zitat, "Abschaffung des deutschen Volkes" und einer "Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung" gewarnt. Der Einschätzung des Verfassungsschutzes widersprach der AfD-Bundesabgeordnete Hampel am Morgen im Deutschlandfunk. "Ich erkenne an den Äußerungen von Herrn Höcke und Herrn Kalbitz nichts, was ich als rechtsextrem oder rechtsradikal sehen würde. Gar nichts."
Klärung gefordert
Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jan Marco Luczak, sieht das anders. Er forderte die AfD als Gesamtpartei auf, eine klare Haltung zu entwickeln. "Man muss sich überlegen, ob man den Flügel und auch die Genossen von Herrn Höcke, ob man sich hinter die stellt oder ob man eben sich auch klar davon distanziert." Der Göttinger Parteienforscher Michael Lühmann verweist darauf, dass der Flügel inzwischen eine mächtige, wenn nicht die mächtigste Strömung innerhalb der AfD sei. Er sagte der ARD: "Wir haben es gerade bei der Rentenpolitik gesehen, dass der Flügel sich durchsetzen kann innerhalb der Partei. Wir wissen es personalpolitisch, dass der Flügel sehr, sehr stark ist – also die AfD im Prinzip von der Spitze her vom Flügel geführt wird."
Mögliche Konsequenzen für Beamte
Mit der Einstufung wächst auch der Druck auf Beamte, die dem Flügel der AfD nahestehen. Die einen Eid auf die Verfassung abgelegt haben. Der CDU-Politiker Luczak: "Ich habe im Grundsatz Vertrauen in unsere Beamten. Aber jetzt ist auch jeder Beamte auch aufgefordert, selbstkritisch zu hinterfragen: ob er noch Mitglied weiter dort bleiben kann oder ob ein Engagement im Flügel noch vertretbar ist. Es muss ganz klar sein: Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass unsere Beamten hinter unserer Verfassung stehen und nicht dieses, in Anführungszeichen, System überwinden wollen." Die Vize-Präsidentin des Europarlaments, Katarina Barley, forderte im Zusammenhang mit der Verfassungsschutz-Beobachtung eine europaweite Präventionsstrategie gegen Extremismus. Rechte Hetze sei in ganz Europa auf dem Vormarsch.