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Flüssigkeiten im Handgepäck

Sicherheitstechnik. - In der EU sind bis auf weiteres Flüssigkeiten im Handgepäck nur in den bisher üblichen Kleinmengen bis 100 Milliliter erlaubt und müssen in einer durchsichtigen Plastiktüte gezeigt werden. Eigentlich sollten die Vorschriften schon vor Jahren wieder gelockert werden. Doch daraus wurde nichts.

Von Ralf Krauter | 31.08.2012
    Vor sechs Jahren vereitelte Scotland Yard den größten Terroranschlag seit dem 11. September 2001. Nach monatelangen verdeckten Ermittlungen nahmen die britischen Sicherheitsbehörden Dutzende Verdächtige fest. Sie hatten geplant, mehrere Verkehrsflugzeuge in die Luft zu sprengen. Den flüssigen Explosivstoff wollten sie in Getränkeflaschen im Handgepäck an Bord schmuggeln.

    Nach den vereitelten Anschlägen wurde die Mitnahme von Flüssigkeiten, Gels und Sprays im Handgepäck stark reglementiert. Die akribischen Kontrollen seitdem verursachen laut deutschem Flughafenverband ein Viertel der Wartezeiten an den Checkpoints. Bei der Firma Smiths Heimann in Wiesbaden, einem der führenden Hersteller von Sicherheitsscannern, arbeitet man daran das zu ändern.

    "Das ist unser Show-Room hier, der so ein bisschen zeigt, wie die neueste Generation der Checkpoints aussieht."

    Der Diplom-Ingenieur Stefan Aust steht vor einem der neuesten Röntgenscanner. Rein äußerlich ähnelt er jenen brusthohen Boxen, durch die an Tausenden Flughäfen das Handgepäck fährt. Doch dieser Scanner ist einen Meter länger und in der Mitte einen Tick breiter. Der Grund: Er durchstrahlt das Handgepäck nicht nur von einer, sondern von allen Seiten mit Röntgenlicht. Über eine clevere Bildverarbeitung kann das Gerät gefährliche Objekte automatisch erkennen. Und zwar auch explosive Flüssigkeiten.

    "Was Sie hier sehen, sind einfach mal drei gleiche Flaschen zum Test. Ich lasse das jetzt einfach mal hier durchlaufen und dann schauen wir mal, was passiert."

    Stefan Aust legt eine mit Schaumstoff ausgekleidete Plastikwanne aufs Förderband. Die drei Plastikflaschen darin sehen völlig identisch aus. Eine enthält Wasser, eine Shampoo, eine ein Flüssigsprengstoffimitat.

    "Man hat es eben akustisch schon gehört. Es war ein Alarm. Und wenn Sie hier drauf sehen, sehen Sie einen roten Rahmen um eine der Flaschen, die hier durchgelaufen ist."

    Es ist die Flasche mit dem Sprengstoffimitat, die das System automatisch erkannt und auf dem Bildschirm markiert hat. Im Vertrauen auf die neue Technik wollte die EU-Kommission die strengen Flüssigkeits-Vorschriften bereits 2011 lockern. Mangels praxistauglicher Geräte verschob man die Reform dann auf 2013. Seit Juli ist auch dieser Termin wieder vom Tisch. Der Grund: Röntgenscanner wie der von Smith-Heimann erkennen gefährliche Flüssigkeiten nur dann zuverlässig, wenn sie separat durch das Gerät fahren. Sonst gibt es zu viele Fehlalarme. Torben Hecker, Direktor des nationalen Kompetenzzentrums für Luftfahrtsicherheitsforschung sieht deshalb Optimierungsbedarf.

    "Hier liegt die große Herausforderung bei den Herstellern von Detektionsgeräten. Dort muss es Ziel sein, dass die Flüssigkeiten im Gepäck verbleiben können. Denn wenn wir uns vorstellen, dass jede einzelne Flüssigkeit herausgenommen wird und mit einem einzelnen Gerät nacheinander geprüft wird: Das wird den Durchsatz so ruinieren, dass wir Schlangen im Terminal haben werden."

    Der Probebetrieb mit aktuell verfügbaren Flüssigkeitsscannern an 14 europäischen Flughäfen hat gezeigt, dass die einzelnen Kontrollpunkte pro Stunde 30 bis 50 Prozent weniger Passagiere abfertigen können. Praktikabel wäre eine Lockerung der Auflagen deshalb erst nach weiteren technischen Fortschritten. Aust:

    "Die nächste Generation von Geräten, die so genannten Typ-D-Geräte, sollen dies können, auch die komplette Analyse in der Tasche zu tun. Allerdings gibt es momentan glaube ich, nur zwei Geräte, die diesen Test mittlerweile bestanden haben. Die basieren auf CT-Technologie. Also auf der aus der Medizin bekannten Computer-Tomographie, wo das Objekt Punkt für Punkt abgetastet wird. Solche CT-Scanner sind aber größer und schwerer, lassen sich also kaum in die bestehenden Kontrollspuren einbauen. Erleichterung bei den Flüssigkeitskontrollen werden deshalb erst weiter verfeinerte und miniaturisierte Prüfsysteme bringen, die in den kommenden Jahren zu erwarten sind.

    Hinweis: Am kommenden Sonntag, 2. September, 16:30 Uhr, sendet der Deutschlandfunk in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" ein Feature zum Thema.