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Fluggastdatenaustausch
Auf der Suche nach einer Einigung

Die Europäische Union ringt um ein Abkommen, das das Speichern von Fluggastdaten bei Reisen von und nach Europa regelt. Nachdem im Herbst 2013 ein Entwurf von der Kommission abgelehnt worden war, wird heute ein neuer Versuch gestartet. Unter dem Eindruck von Anschlägen scheinen viele Parlamentarier zu mehr Zugeständnissen bereit zu sein.

Von Thomas Otto | 26.02.2015
    Passagiere laufen durch das Passagierterminal des Flughafens Frankfurt/Hahn in Lautzenhausen (Rheinland-Pfalz).
    Passagiere laufen durch das Passagierterminal des Flughafens Frankfurt/Hahn in Lautzenhausen (Rheinland-Pfalz). (picture-alliance / dpa / Thomas Frey)
    Mit großen Schritten geht die EU auf eine Einigung in Sachen Fluggastdatenaustausch zu. Der britische Konservative Timothy Kirkhope legt heute im Ausschuss für bürgerliche Freiheit, Justiz und Inneres des Europaparlaments seinen neuen Entwurf vor. Für den Grünen-Abgeordneten Jan Philipp Albrecht ist das allerdings ein Schritt zurück:
    "Der versucht hier den Fraktionen im Parlament genau das unterzujubeln, was im Herbst 2013 mit Mehrheit im Ausschuss komplett zurückgewiesen wurde. Und das zeigt, dass man hier versucht mit aller Macht diese Maßnahme zur Generalüberwachung der Flugreisenden durchzudrücken."
    Damals hatten die Abgeordneten den ersten Entwurf der Kommission abgelehnt. Seitdem haben vor allem die EU-Mitgliedsstaaten Druck gemacht, den Datenaustausch doch einzuführen. Und das mit Erfolg: Die bisher ablehnenden Sozialdemokraten und Liberalen haben ihren Widerstand aufgegeben. Mit Blick auf die Anschläge in Paris sei das auch angebracht, findet der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss:
    "Von daher meine ich schon, dass sich die Stimmung durch die wirklich reale Gefahr von Anschlägen auch hier ein bisschen geändert hat, weil man eben sieht: Es gibt tatsächlich solche Opfer, von denen man immer hofft, dass man sie vermeiden kann."
    Nicht nur Terroristen im Visier
    Das soll durch den Austausch und die Auswertung der sogenannten PNR-Daten geschehen. Wer fliegt wann, mit welcher Fluglinie, von wo nach wo, bei wem hat er den Flug gebucht, hat er spezielle Speisewünsche angegeben, auf welchem Platz sitzt er? Diese Daten sollen an staatliche Datenbanken übermittelt und dann analysiert werden. Aus Sicht von Albrecht bleibt deshalb einer der Hauptkritikpunkte am ersten Entwurf auch im neuen Papier weiter bestehen:
    " Nämlich dass auf fünf Jahre alle Flugreisen gespeichert werden und erweitert diese sogar für alle Flugreisen innerhalb der Europäischen Union. Das ist schon ein ganz schöner Hammer."
    Nicht nur Terroristen sollen mithilfe der PNR-Daten verfolgt werden. Im neuen Entwurf werden ganz konkreten Straftaten genannt: Neben Menschenhandel und Drogenschmuggel ist dort von so schwammigen Begriffen wie Sabotage und computerbezogenen Verbrechen die Rede. Das kritisiert auch Axel Voss:
    "Bei Cyberkriminalität, da sollte man das schon noch mit einbeziehen, weil das ja schon eine Art terroristischer Akt ist. Aber eben nicht für Urheberrechtsverstöße, das ist jetzt wirklich zu weitgehend. Da muss man auch eine Grenze einziehen."
    Die ist im neuen Entwurf aber nicht vorgesehen. Und so könnten die Daten unter bestimmten Umständen auch gegen Urheberrechtsverletzer eingesetzt werden.
    Diskussion um anlasslose Speicherung
    Über solche Details müssen die Abgeordneten nun verhandeln. Streit wird es vor allem darum geben, ob die Daten überhaupt ohne konkreten Anlass von allen Flugreisenden genutzt werden dürfen:
    "Das ist ja eine Servicedatei der Fluglinien. Das heißt, diese Daten werden schon mit einem gewissen Anlass gesammelt und sie existieren. Es ist jetzt ja nur die Frage, darf man darauf zugreifen? Ja oder Nein?"
    Die Frage, ob es sich um eine anlasslose Speicherung handelt, ist entscheidend. Der Europäische Gerichtshof hatte mit Verweis darauf die Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten im vergangenen Jahr verworfen. Eine umfassende, anlasslose Datensammlung verstoße gegen EU-Grundrechte.
    "Der Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch liegt, widerspricht dem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung diametral. Das heißt, ich bin hundertprozentig davon überzeugt – so es denn zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof kommt – dann wird der Gerichtshof diese Richtlinie nicht bestehen lassen können," schätzt der Grüne Jan Philipp Albrecht. Ein Ähnliches PNR-Abkommen zum Datenaustausch mit Kanada war deshalb vom Parlament zur Überprüfung an die Luxemburger Richter überwiesen worden.