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Fluggastrechte
Vage EU-Vorschrift soll neu geregelt werden

Von Johannes Kulms | 04.09.2014
    Ein Flug endet erst dann offiziell, wenn mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet ist. So lautet das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg. Mit der Entscheidung stehen die Reisenden nun besser da, zum Beispiel, wenn sie an eine Airline Entschädigungsforderungen stellen, weil ihr Flugzeug Verspätung hatte. Ursula Pachl, stellvertretende Generaldirektorin des Europäischen Verbraucherverbands BEUC, begrüßt das Urteil. Denn Entschädigungszahlungen bei Verspätungen seien für die Fluggäste ein heikles Thema:
    "Und diese Problematik haben wir schon seit längerer Zeit, der EuGH hat schon einige Urteil dazu gemacht. Und wir haben hier die besondere Situation, dass die Reisenden bei der Rechtsdurchsetzung Probleme haben. Weil von vielen Airlines das Recht auf Entschädigung bei späterer Ankunft zum Teil systematisch nicht respektiert wird."
    Geklagt hatte ein österreichischer Fluggast, der mit Germanwings von Salzburg nach Köln/Bonn geflogen war. Die Maschine war mit 3:10 Stunden Verspätung gestartet. Zwar konnte der Flieger unterwegs einiges aufholen. Doch ihre Parkposition am Flughafen Köln/ Bonn erreichte die Maschine erst nach 3:03 Stunden. Erst danach wurden die Türen geöffnet.
    Doch Germanwings verweigerte dem österreichischen Reisenden eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro, die Fluggästen nach dem EU-Recht bei einer Verspätung ab drei Stunden zusteht. Die Fluglinie begründete dies damit, dass die Maschine ja nach 2:58 Stunden auf der Landebahn in Köln aufgesetzt habe.
    Die Luxemburger Richter stellten jetzt klar: Nicht nur während des Fluges selber, sondern auch nach der Landung unterliegen die Passagiere noch verschiedenen Einschränkungen in der Kabine. Erst, wenn die Türen geöffnet und die Passagiere das Flugzeug verlassen könnten, fielen diese Einschränkungen weg.
    Die Association of European Airlines vertritt 30 Fluglinien des Kontinents. Die Vereinigung wollte sich zu dem Germanwings-Urteil der Luxemburger Richter nicht äußern. Grundsätzlich gebe es bei dem Verband keine einheitliche Vorgabe zur Berechnung der Flugzeit, sagt Sprecher Geert Sciot:
    "Die Airlines können die Flugzeit unterschiedlich auslegen. Mit Blick auf die Pünktlichkeit und für die Statistik sind die Parkbremsen entscheidend. Also, man zählt ab dem Moment, in dem die Blöcke unter den Rädern entfernt werden bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Flugzeug wieder gelandet ist, die Klötze angelegt sind und die Maschine zum Stehen kommt."
    Der Germanwings-Fall sei nur eine von vielen Rechtsstreitigkeiten zwischen Airlines und Passagieren, die vor Gericht ausgetragen würden, sagt Sciot. Grund dafür sei die EU-Verordnung 261. Die dort enthaltene Regelung der Fluggastrechte sei an vielen Stellen viel zu vage und unklar formuliert, mit Blick auf die Ankunftszeit aber auch auf andere Fragen.
    "Wie berechnet sich die Flugzeit? Wie die Ankunftszeit? Was genau bedeutet höhere Gewalt, was sind außergewöhnliche Umstände - und was würde dazu gehören und was nicht? All diese Dinge lassen sich verschieden auslegen. Und daher sehen wir einen dringenden Änderungsbedarf bei der EU-Verordnung 261."
    Tatsächlich wird auf EU-Ebene seit mehreren Jahren an einer Neuregelung der Verordnung 261 gearbeitet. Darin sollten einerseits die Interessen der Passagiere besser berücksichtigt werden. Anderseits müsse aber auch den sich aus den Fluggastrechten ergebenden finanziellen Forderungen an die Airlines Rechnung getragen werden, heißt es in einem Sachstandsbericht des Rats der EU von Ende Mai. Auch Ursula Pachl vom Europäischen Verbraucherverband hofft darauf, dass die Verordnung 261 neu geregelt wird.
    "Wobei das EU-Parlament eine verbraucherfreundliche Stellung abgegeben hat. Es hat sich auf die Seite des EuGH gestellt mit den drei Stunden. Es hat gesagt, ja, das soll größtenteils beibehalten werden verbraucherfreundlich. Während wir auf der anderen Seite befürchten, dass im Ministerrat eine weniger verbraucherfreundliche, sondern eher airlinefreundliche Position bezogen wird. Von daher wird das noch sehr spannend werden in den kommenden Monaten."
    Das EU-Parlament hatte sich im Frühjahr für verbraucherfreundliche Änderungen ausgesprochen. Nun hängt die Neuregelung der Fluggastrechte noch im Rat. Doch die Mitgliedsstaaten haben sich dazu bisher noch nicht positioniert.