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Flugverbote ade

Umwelt. - Der isländische Vulkan Eyjafjöll schickt weiterhin in unregelmäßigen Abständen Aschewolken in Richtung Europa. Doch inzwischen sind Grenzwerte für die Aschebelastung der Luft in Kraft, die Flugverbote unwahrscheinlich machen.

Von Volker Mrasek | 20.05.2010
    Auch wenn der isländische Vulkan Eyjafjalla weiter Asche spucken sollte: Flughafen-Sperrungen wie Mitte April und Anfang dieses Monats wird es auf dem europäischen Kontinent höchstwahrscheinlich nicht mehr geben. Und nach dem heutigen Stand wären sie auch zu keiner Zeit nötig gewesen. Die britische Luftfahrtbehörde CAA hat jetzt den Grenzwert für Vulkanasche in den Flugkorridoren massiv angehoben. Er wurde verdoppelt, von 2000 auf 4000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. In solchen Konzentrationen können Flugkapitäne den Vulkanstaub nach Aussage von Atmosphärenforschern sogar mit bloßem Auge erkennen. Ian Hall, einer der Direktoren der britischen Flugsicherung NTAS in Southampton:

    "Die kritische Schwelle konnte angehoben werden, weil Triebwerks- und Kabinenhersteller inzwischen bestätigt haben, daß auch 4000 Mikrogramm für Flugzeuge tolerierbar sind."

    In Paris lud das Regionalbüro der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO jüngst zu einer Sondersitzung. Mehr als 50 Vertreter von staatlichen Institutionen, Fluglinien und Triebwerksherstellern nahmen teil. Dabei kam alles auf den Tisch, was neuerdings über Schäden durch Vulkanstaub bekannt ist. Ian Hall:

    "Nach unseren Informationen haben die Motorenhersteller alle verfügbaren Daten herangezogen. Sie stammen sowohl von den Testflügen, die es gab, wie auch von Beobachtungen auf normalen Linienflügen. Außerdem liegen ja inzwischen zahlreiche Rückmeldungen aus der Wartung von Flugzeugen vor, die durch Staub-Konzentrationen von bis zu 2000 Mikrogramm geflogen sind. Man muss bedenken: Seit dem Ausbruch des Vulkans hat es hunderttausende Flugstunden durch die Asche gegeben. Seither weiß man viel mehr darüber, wie sich der Vulkanstaub auswirkt."

    Die Lockerung des Grenzwertes hat unmittelbare Folgen für die Festlegung der sogenannten No-Flight-Zones im europäischen Luftraum – also der Gebiete, die Flugzeuge aus Sicherheitsgründen keinesfalls durchqueren dürfen. Weil der Grenzwert jetzt doppelt so hoch ist, sind die absoluten Flugverbotszonen stark zusammengeschrumpft. In den aktuellen Vulkanasche-Vorhersagen findet man sie praktisch nur noch direkt über Island und dem angrenzenden Meeresgebiet, in Höhen bis zu rund 6000 Metern – nicht aber über dem europäischen Festland. Einschränkungen des Luftverkehrs sind damit allenfalls noch für Island selbst denkbar. Und unter Umständen vielleicht auch noch für Großbritannien. Ian Hall will das nicht völlig ausschließen:

    "Es gibt immer noch eine schwarze Flugverbotszone, die sich von Island nach Nordosten ausdehnt. Sollte der Wind mehr Richtung Osten schwenken, der Vulkanausbruch viel stärker werden und das Wetter so sein, daß die Asche nicht auseinandergewirbelt wird – dann könnte die schwarze Zone auch Großbritannien erreichen. Es besteht also schon die Möglichkeit, daß es in den nächsten Wochen wieder zu Flugeinschränkungen kommt."

    Wirft man einen Blick auf das europäische Festland, dann zeigt sich indes: 4000 Mikrogramm Vulkanstaub pro Kubikmeter Luft sind ein Wert, der bisher zu keiner Zeit erreicht wurde, als die Aschewolke über Mitteleuropa lag. Auch nicht Mitte April, kurz nachdem der Eyjafjalla ausgebrochen war. Das Institut für Troposphärenforschung in Leipzig erfasste die Vulkanschwaden damals mit einem Lasergerät am Boden. Und schätzte die Konzentration auf lediglich 600 bis 1000 Mikrogramm.

    Am Montag und Dienstag schob sich noch einmal eine etwas dichtere Vulkanstaub-Zunge über Köln und Stuttgart. Aber auch sie reichte in ihrer Dichte bei weitem nicht an den neuen Grenzwert heran. Wie es scheint, wird der Eyjafjalla bei unveränderter Aktivität nicht noch einmal für Flughafen-Sperrungen auf deutschem Boden sorgen.