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Förderalismus und COVID-19
Bund und Länder streiten über Kulturhilfen

Die Kulturminister der Länder machen Druck auf Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Sie fordern in einem offenen Brief Bundeshilfen für den von der Coronakrise besonders stark betroffenen Kulturbetrieb. Die Kulturstaatsministerin sieht aber erst einmal die Länder in der Verantwortung.

Von Christiane Habermalz | 24.04.2020
Monika Grütters (CDU), Staatsministerin für Kultur und Medien, spricht bei dem Festakt zum 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt.
Die Bundesländer machen Druck auf Staatsministerin Grütters (dpa/ Carsten Koall)
Die Coronakrise trifft die Kulturszene besonders hart. Jetzt machen die Kulturminister der Länder Druck auf Kulturstaatsministerin Monika Grütters. In einem Brief fordert Bayerns Kulturminister Bernd Sibler (CSU) im Auftrag seiner Amtskollegen Grütters auf, "in Abstimmung mit den Ländern ein umfassendes Programm der Bundeshilfen für den Kulturbereich auf den Weg zu bringen".
Monika Grütters weist Kritik zurück
Grütters dürfte davon wenig begeistert sein. Schon kurz zuvor war ihr im Kulturausschuss des Bundestages der Kragen geplatzt. Sie sei es leid, dass immer nur sie kritisiert werde für die missliche Lage vieler Künstler und Kulturschaffender in der Corona-Krise, schimpfte die CDU-Politikerin. Dabei sei der Bund für Kultur originär gar nicht zuständig.
"Es ist zu 100 Prozent Sache der Länder. Heute tagen zum ersten Mal die Kulturminister der Länder in einer Telefonschalte. Wir haben seit sechs Wochen den Stress! Ich hätte mir erwartet, dass sie mal ein bisschen schneller selber für ihre Schützlinge irgendwas tun! Und deswegen ärgert es mich wahnsinnig, dass die FDP, die in Nordrheinwestfalen an der Regierung ist, in Briefen – Herr Baum – mir Vorschläge macht, was ich mit seinen Schützlingen doch alles Originelles tun könnte, statt selber zuhause mal seine Hausaufgaben zu machen."
Der frühere FDP-Bundesinnenminister Gerhard Baum, jetzt Vorsitzender des Kulturrates in Nordrhein-Westfalen, hatte, wie zahllose andere Künstlervereinigungen auch, in einem offenen Brief auf die prekäre Lage der Künstler hingewiesen – und Grütters zum Nachbessern aufgefordert.
Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, eröffnet die Pressekonferenz zum diesjährigen Theatertreffen. Das 55. Theatertreffen zeigt vom 4. bis zum 21. Mai bemerkenswerte Inszenierungen der Saison aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Coronakrise und Kulturbetrieb - Im Ausnahmezustand "eine solidarische Gesellschaft bleiben"
Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben massive Folgen für die Kulturlandschaft. Künstler dürften "nicht durchs Rost fallen", sagte der Intendant der Berliner Festspiele, Thomas Oberender, im Dlf. In der Kultur müsse man überlegen, wie man den derzeitigen Wandel mitgestalte.
Viele Betroffene fallen durchs Raster
Mit insgesamt 50 Milliarden Euro hatte der Bund ein Soforthilfeprogramm für Soloselbständige und Kleinunternehmer aufgelegt, adressiert auch an freie Kulturschaffende. Doch mittlerweile wurde deutlich, dass viele Betroffene durchs Raster fallen: Denn nur Betriebsausgeben können hier geltend gemacht werden, die viele Künstler gar nicht haben – nicht aber Hilfe zum Lebensunterhalt. Für Miete und Heizung bleibt dann nur das Jobcenter - oder: Eigene Hilfsprogramme der Länder. Doch viele Bundesländer haben sich bislang in der Corona-Kultur-Hilfe wenig engagiert. Der Schauspieler Marcus Krone hat Glück: Er lebt in Baden-Württemberg. Dort konnte er insgesamt rund 3500 Euro Soforthilfe zum Lebensunterhalt beantragen – für 3 Monate.
"Und die kam, innerhalb von eineinhalb Wochen war das Geld auf meinem Konto. Also alles was ich gehabt hätte als Schauspieler ist mir auch ausgefallen, ich habe also genau das Geld, was mir ausgefallen ist, beantragt und genau das bekommen."
Leere Bühne mit Mikrofonen und Gitarre
Verbot von Großveranstaltungen - Gutschein-Lösung "allein wird
Ticketbesitzer sollen bei ausgefallenen Veranstaltungen Gutscheine statt Geld erhalten – so der Verschlag der Großen Koalition. Doch das allein reiche nicht aus. Hubert Wandjo, Professor an der Popakademie Baden-Württemberg sagte im DLF: "Für viele Veranstalter ist die Situation existenzbedrohend".
Ähnliche Programme haben Länder wie Hamburg, Bremen oder jetzt auch Bayern aufgelegt. Auch in Berlin und NRW gab es Geld – doch dort sind die Töpfe bereits leer oder ausgesetzt, wer zu spät kam, hat Pech gehabt. Und mehr als die Hälfte der Bundesländer, darunter Hessen, Thüringen oder Niedersachsen verweisen ihre Künstler lediglich auf die Bundeshilfe. In ihrem Schreiben an Grütters schlagen die Kulturminister nun eine Arbeitsgruppe vor, "um in kurzer Zeit ein Bundesprogramm zu entwickeln, das in maximaler Übereinstimmung mit den Länderprogrammen konzipiert wird".
Künstler kritisieren mangelnde Wertschätzung
Grütters brachte dagegen den Vorschlag ins Spiel, öffentliche Theater, Konzerthäuser und andere Kultureinrichtungen könnten eine Art Ausfall-Honorar zahlen für die freischaffenden Solisten, Sänger oder Schauspieler, die sie sonst beschäftigt hätten – zumindest in Höhe des Kurzarbeitergeldes. Belasten würde das allerdings vor allem die Etats von Ländern und Kommunen. In normalen Zeiten international erfolgreiche Künstler wie der Barockmusiker und Cembalist Andreas Küppers, dessen Engagements und Einnahmen seit März komplett weggefallen sind, würden das sicher begrüßen.
"In allen diesen Vorstellungen, die wir spielen, sitzen immer Politiker und schütteln einem danach die Hand und es gibt Empfänge und es werden schöne Reden gehalten – und jetzt ist der nächste Schritt für mich ist also nicht so etwas wie Kurzarbeit, sondern ist direkt ALG II. Das fühlt sich nicht nach einer großen Wertschätzung an in einer der führenden Kulturnationen der Welt."