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Förderung von Eliteuniversitäten
Sorge um Niveauverlust in der Breite

Spitzenuniversitäten fördern, dabei andere Universitäten nicht vernachlässigen - auch das sei wichtig im Hinblick auf die Konkurrenzfähigkeit, sagte die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch im DLF. Bei wachsenden Studierendenzahlen dürfe das wissenschaftliche Personal nicht gekürzt werden.

Ursula Münch im Gespräch mit Jörg Biesler | 10.02.2015
    Studenten verfolgen in Köln in der Aula Universität eine Veranstaltung.
    Vorlesung in der Uni Köln ( picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Jörg Biesler: Internationale Konkurrenzfähigkeit, herausragende Spitzenuniversitäten, das waren die Ziele der Exzellenzinitiative, die im letzten Jahrzehnt den Schwerpunkt der Wissenschaftsförderung in Deutschland ausmachte. Dazu wurden wenige Hochschulen mit Millionenbeträgen gefördert, um vor allem die Forschung zu stärken. Der Wissenschaftsrat hatte eine führende Rolle in diesem Prozess, die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch gehört ihm seit Anfang Februar an. Das ist ja auch ein Beratergremium der Bundesregierung, und sie setzt sich gleich ein für eine differenziertere Förderpolitik. Guten Tag, Frau Münch!
    Ursula Münch: Guten Tag!
    Biesler: Die Exzellenzinitiative sollte ja eigentlich dazu beitragen, dass Deutschlands Hochschullandschaft sogenannte Leuchttürme bekommt, also Spitzenunis, die international konkurrenzfähig sind. Jetzt sagen Sie, das ist eigentlich nicht das Richtige. Was stört Sie?
    Münch: Das sage ich nicht. Also ich sage schon, natürlich ist es wichtig, dass man herausragende Universitäten hat, da bin ich die Letzte, die was dagegen hat. Das ist wichtig gerade mit Blick auf die Konkurrenzfähigkeit. Aber man muss gleichzeitig sehen, dass man die anderen Universitäten nicht vernachlässigt. Und das ist eben die Herausforderung. Aber natürlich kostet die Förderung der Spitzenuniversitäten viel Geld, da fließt viel Geld hin, zwangsläufig, das muss so sein. Das halte ich auch für sinnvoll. Aber wir haben ja gleichzeitig den Trend, dass wir uns wünschen oder das zumindest zum Beispiel vonseiten der OECD an die Bundesrepublik herangetragen wird, dass wir zum Beispiel die Studentenzahlen erhöhen. Und man kann nicht das eine tun und das andere lassen. Also das bedeutet, man muss dann natürlich auch, wenn man zum Beispiel mehr Studenten, höhere Studentenzahlen hat, darauf achten, ja, wo kommen die jungen Leute eigentlich hin? Und diese Universitäten brauchen dann eben auch Geld. Also, Spitzenförderung ist wichtig. Das Problem ist nur, man darf die Täler nicht vernachlässigen, oder man muss aufpassen, dass sie eben nicht wirklich zu Tälern werden.
    Biesler: Sie lehren ja normalerweise an der Universität der Bundeswehr in München, sind aber im Augenblick Direktorin der Akademie in Tutzing. Das heißt, Sie haben ja durchaus Lehrerfahrung und wissen, wie es an den Hochschulen zugeht – was brauchen denn die normalen Hochschulen, wo sind die denn vernachlässigt worden?
    "Im Augenblick kann man noch gar nicht so klagen"
    Münch: Die werden nicht wirklich bis jetzt vernachlässigt. Im Augenblick kann man noch gar nicht so klagen. Aber ich sehe eben den Trend, dass wir wachsende Studentenzahlen haben, dass das Personal nicht zurückgeht der Universitäten, aber das wissenschaftliche Personal geht zurück. Wir sehen, dass also gerade die Lehrbereiche mit starken Zugangszahlen der Zuwachs des wissenschaftlichen Personals eben nicht mithält. Wenn man den Studentenanteil erhöht, wenn man den Akademikeranteil erhöhen will, dann bekommt man auch mehr Leute, die manchmal gewisse Anfangsschwierigkeiten – manche haben auch dauerhafte Schwierigkeiten – an Universitäten haben, die brauchen zusätzliche Angebote. Und darauf muss man eben achten. Das kostet Personal, das kostet Geld, das sind Ausstattungsfragen. Dass man nicht das zu gering achtet, sondern eben auch auf diese breite Förderung ebenfalls weiterhin Wert legt bei aller Spitzenförderung.
    Biesler: Ich will aber noch mal den Unterschied zur bisherigen Politik des Wissenschaftsrates schärfen. Sie haben gesagt, wir bekommen einen Trend, oder Sie haben die Befürchtung, dass es einen solchen Trend geben könnte, dass wir, wie in den USA, ein paar Spitzenuniversitäten haben und ein paar Universitäten, die sozusagen den Rest ausmachen. Genau das war ja das Ziel.
    Münch: Die Frage ist eben nur, wie groß ist der Abstand zwischen dem, was an der Spitze ist, und den Tälern. Sind die Täler Täler? Geht es wirklich nach unten? Oder haben wir dort eine solide Landschaft, wo man ordentlich forschen und lehren kann, beides, und wo man diesen wachsenden Zahlen von Studenten gerecht wird mit all ihren Bedürfnissen und mit der Notwendigkeit von viel wissenschaftlichem Personal, das gut bezahlt wird und ordentliche Verträge hat. Es geht also nicht darum, dass ich etwas gegen die Spitzenförderung habe. Aber das Problem ist, wo man die Spitze fördert, dass man eben die anderen nicht vernachlässigt, weil, wie gesagt: Da landen auch Massen von Studenten, auf die wir ja Wert legen. Und da muss man natürlich dann auch darauf achten, dass man diese Akademisierung dann auch nicht unbeschränkt fortschreibt und sich immer überlegt, was bedeutet das eigentlich, wenn man ganz Jahrgänge, jetzt gewisse Margen, als notwendig erachtet, wie viele jetzt eigentlich tatsächlich an Universitäten oder an Fachhochschulen wechseln sollten. Aber das ist dann noch mal eine andere Diskussion, die jetzt mit der Frage der Förderung der Universitäten nicht direkt was zu tun hat.
    Biesler: Aber auch die ist wichtig. Und in der Vergangenheit ging es doch eher in die Richtung, dass man gesagt hat, wir wollen die Quote der Akademiker in Deutschland steigern. Da ist wenig drüber nachgedacht worden, ob alle dafür geeignet sind. Sie haben da offensichtlich stärkere Bedenken als die anderen Mitglieder im Wissenschaftsrat. Und Sie sagen ja, der Akademisierungstrend, der führe unter Umständen dazu, dass Leute in ein Studium hineingetrieben werden, für die das gar nichts ist.
    Extreme hohe Aussteigerquoten
    Münch: Richtig. Es ist einfach ein Tatbestand. Wenn man nur diese Quoten anschaut und wenn man sich diese internationalen Vergleichsquoten anschaut, dann tut man der bundesdeutschen Landschaft auch unrecht, weil wir haben in anderen Ländern, in den USA, in Großbritannien, haben wir zum Teil Akademisierung von Berufen, die bei uns eben nicht akademisiert sind, sprich, dort haben wir Pflegekräfte, dort haben wir Erzieher, die dort Hochschullaufbahnen – das, was in anderen Ländern als Hochschullaufbahn deklariert wird – die fallen dann unter die Akademikerquote. Die würden wir, die sind bei uns sehr gut ausgebildet, aber wir überlegen zum Teil auch, ob wir denen noch einen zusätzlichen Bachelor angedeihen lassen, wenn sie das wollen. Wir haben technische Berufe, die sich für viele junge Leute unter Umständen besser eignen, wo wir dann an den Universitäten feststellen, dass die zu wenig Mathematikkenntnisse mitbringen und dass die auch zu wenig Interesse an Mathematik haben und vielleicht auch eine zu geringe Begabung an Mathematik haben. Und es ist doch nicht besonders sinnvoll, diese Leute unter Umständen in eine akademische Ausbildung, in eine Ingenieursausbildung hineinzutreiben mit der Vorstellung, dann bekommt ihr alle garantiert einen Beruf, wenn sie dafür unter Umständen den mathematischen Fachverstand nicht mitbringen. Wir haben in manchen Studiengängen extrem hohe Aussteigerquoten, weil die Leute sich etwas anderes vorgestellt haben. Also, wir haben Großbritannien mit einer hohen Akademisierungsquote und einer gleichzeitig deutlich höheren Jugendarbeitslosigkeit als die Bundesrepublik. Man muss einfach genauer hinschauen, das ist mein Petitum.
    Biesler: Es klingt für mich insgesamt, wenn ich es zusammenfasse, als eine Sorge um Niveauverlust an den Hochschulen und ein Innehalten und Sich-noch-mal-Besinnen darauf, was eine Hochschule eigentlich war, bevor diese ganzen Prozesse eingesetzt haben, über die wir gerade gesprochen haben. Richtig verstanden?
    Münch: Richtig zusammengefasst. Ich danke.
    Biesler: Ursula Münch. Jetzt neu im Wissenschaftsrat, die Politikwissenschaftlerin lehrt an der Bundeswehr-Universität in München. Danke schön!
    Münch: Danke schön!