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Folgen der Corona-Einschränkungen
Britische Sportverbände schlagen Alarm

Fast 5.000 neue Corona-Fälle an einem Tag: In Großbritannien hat die Regierung um Premierminister Boris Johnson neue Einschränkungen des öffentlichen Lebens verkündet. Unmittelbar davon betroffen ist wie in Deutschland auch der Sport - mit erheblichen Konsequenzen für Vereine und Verbände.

Von Maximilian Rieger | 23.09.2020
Billy Vunipola of Saracens on the receiving end of a tackle during the Gallagher Premiership Rugby match between Saracens and Wasps at the Allianz Park, London, England on 5 September 2020.
Beim Spiel zwischen den zwei britischen Erstliga-Rugby-Teams Saracens and Wasps lief Anfang September vor den Augen der beiden Trainer alles nach Plan. Im Amateurbereich will der britische Rugby Verband allerdings mehr als 100 Trainer entlassen. (imago images / Uk Sports Pics Ltd)
Während in Deutschland die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Menschen am Mittwoch im Vergleich zum Vortag laut Robert Koch-Institut um 1.769 auf insgesamt 275.927 gestiegen ist, ist die Entwicklung der Fallzahlen in Großbritannien weitaus drastischer. Fast 5.000 neue Corona-Fälle wurden allein gestern vermeldet. Die Regierung um Premierminister Boris Johnson hat daher neue Einschränkungen des öffentlichen Lebens verkündet, von denen auch der Sport unmittelbar betroffen ist.
Zwei Maßnahmen sind dabei besonders folgenreich. Einerseits dürfen ab Donnerstag nicht mehr als sechs Personen gleichzeitig in Hallen Sport treiben. Für Teamsportarten wie Handball oder Basketball bedeutet das: Mannschaftstraining ist nur in sehr geringem Maße möglich.
Premier League verliert pro Monat 110 Millionen Euro
Andererseits wird - entgegen der ursprünglichen Pläne - weiterhin vorerst kein Publikum bei Sportveranstaltungen zugelassen sein. Eigentlich sollte in Großbritannien ab Anfang Oktober zumindest wieder eine begrenzte Anzahl von Fans zugelassen werden. Doch das Programm zur stufenweisen Rückkehr, z.B. in der Premier League, wurde wegen der hohen Infektionszahlen nun erst einmal ausgesetzt.
Für die britischen Sportvereine ist das ein Rückschlag, sind sie doch genauso wie Vereine in Deutschland auf Zuschauereinnahmen angewiesen. Einige Experten gehen davon aus, dass die Fußball-Klubs wohl frühestens ab März oder April wieder auf Stadionbesucher hoffen dürfen. Eigenen Angaben zufolge verliert die Premier League im Spielbetrieb mit jedem Monat ohne Zuschauereinnahmen rund 110 Millionen Euro. Und auch in anderen Sportarten ist die Sorge vor finanziellen Existenznöten groß.
Offener Brief an Premier Boris Johnson
Bereits am Montag haben diverse britische Sportverbände daher einen offenen Brief an Premierminister Boris Johnson geschrieben, in dem sie davor warnen, dass Sportvereine und Fitnessstudios dauerhaft geschlossen bleiben könnten. Ihre Befürchtung: Corona und die Auswirkungen könnten zu einer verlorenen Generation im Sport führen.
Die ersten Konsequenzen gibt es schon. So hat der britische Rugby Verband bereits im August angekündigt, mehr als 100 Trainer auf lokaler Ebene zu entlassen. Laut Guardian will auch der englische Fußballverband im Amateur- sowie Nationalmannschaftsbereich Einsparungen tätigen und fast alle Futsal-Teams auflösen. Der Ruf nach staatlichen Hilfen für den Sport wird in diesen Tagen daher immer lauter.
Auch deutsche Sportvereine finanziell angeschlagen
Die Beratungen darüber haben längst begonnen. Dabei geht es um direkte Zuschüsse, aber auch um Kredite oder Steuererleichterungen. Bis zu 500 Millionen Euro könnten allein in Sportanlagen wie z.B. Schwimmbäder fließen. Auch in Deutschland unterstützt der Bund mit mehreren hundert Millionen Euro die Sanierung von Sportanlagen. Und auch hierzulande sind viele Sportvereine Corona-bedingt finanziell angeschlagen. Der Deutsche Bundestag hat daher einen 200 Millionen Euro schweren Corona-Hilfsfond beschlossen, aus dem professionelle und semiprofessionelle Vereine Hilfen beantragen können – ausgenommen sind die Fußballvereine aus den ersten drei Ligen. Über diesen Fonds sollen besonders die Verluste wegen fehlender Zuschauereinnahmen ausgeglichen werden. Dafür müssen die Klubs nachweisen, wie viele Einnahmen sie durch die staatlichen Einschränkungen verloren haben. Pro Klub können maximal 800.000 Euro ausbezahlt werden.
Doch selbst dieser Höchstbetrag dürfte für einige Sportvereine nicht ausreichen. Das zeigt ein Blick auf die Deutsche Eishockey-Liga DEL. Eishockey ist nach dem Fußball in Deutschland die Sportart mit dem höchsten Zuschauerschnitt. Und anders als im Fußball wird das Geld nicht mit lukrativen TV-Rechten verdient, sondern zu 80 Prozent mit Zuschauereinnahmen. Bei einigen Vereinen bewegen sich die Verluste daher bereits jetzt im Millionenbereich, so dass den Klubs laut DEL insgesamt rund 60 Millionen Euro fehlen. "Wir brauchen viel Hilfe, auch fremde Hilfe", sagte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke heute gegenüber dem Münchner Merkur: "Aus eigener Kraft werden wir dieses Delta nicht schließen können." Seine Forderung: Das Konjunkturpaket des Bundes müsse jetzt festgezurrt werden.
DEL-Saisonstart könnte erneut verschoben werden
Gelingt das nicht, müsse die kommende Spielzeit wohl zum zweiten Mal verschoben werden. Eigentlich will die Deutsche Eishockey Liga am 13. November in die neue Saison starten. Das Problem: Aktuell dürfen auch im Eishockey nur 20 Prozent der Zuschauer in die Stadien. Deswegen fordern die Vertreter der DEL nun, dass entweder wieder mehr Fans in die Hallen dürften – oder dass die Politik die finanzielle Hilfe erweitert. Zumindest ersteres dürfte bei den aktuellen Infektionszahlen nicht drin sein.