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Folk in der Familie

Martha Wainwright ist die Tochter des Singer/Songwriters Louden Wainwright III und der kanadischen Folkmusikerin Kate McGarrigle. Ihr viertes Album "Come Home To Mama" entstand kurz nach dem Tod ihrer Mutter und ist stark von diesem Erlebnis beeinflusst.

Von Dennis Kastrup | 26.10.2012
    "Die Stücke handeln fast alle davon wie meine Mutter stirbt. Es geht um das Ende der Welt, denn so hat es sich angefühlt. Außerdem spielt auch das Thema Ehe mit allen dazugehörenden Problemen eine Rolle, und es geht um die Frage, wie man eine Langzeitbeziehung führen und aufrechterhalten kann."

    Wenn Martha Wainwright über sich spricht, dann ist sie dabei immer sehr offen und ehrlich. Dasselbe gilt für die Songtexte, die sie singt. Die Kanadierin leidet darin mit ihrer Musik und mit ihrer Familie: Ihre verstorbene Mutter Kate McGarrigle ist dabei auf dem Album immer präsent. Die Geburt ihres Sohnes Arcangelo, ungefähr einen Monat vor dem Tod, gab Martha Wainwirght aber die Kraft, den Schicksalsschlag zu überwinden. Von da an war sie für ihre eigene kleine Familie verantwortlich. Die Musikerin kann dabei aber auf etwas Wichtiges zurückgreifen: ihre eigene Erfahrung.

    "Als Singer/Songwriter ist man häufig sehr einsam, weshalb wir uns innerhalb der Familie sehr nahe stehen. Wir brauchen uns quasi umso mehr. Rufus und ich sind aber generell Familienmenschen, was daraus resultiert, dass meine Mutter uns großgezogen hat und uns mit der Musik vertraut gemacht hat. Wir mussten immer Folk-Festivals besuchen und den Sommer über mit ihr auf Tour gehen. Wir waren immer mit ihr zusammen. Wir waren also wie ein Klan."

    Beobachtet man diesen Klan jetzt, dann scheint er die Tradition fortzusetzen. Bei Konzerten singen Rufus und Martha zusammen auf der Bühne. Um sie herum Freunde und Musiker. Zwischen ihnen steht der kleine Sohn. Ehemann Brad Albetta ist auch oft dabei. Er spielt bei der Band Bass und hat die vorherigen Alben produziert. Der Sohn lernt die Musik also früh kennen, ähnlich wie bei Martha und Rufus.

    "Wir sind von unserer Mutter groß gezogen worden. Die Eltern meiner Mutter sangen zu allen möglichen Gelegenheiten und spielten Klavier. In der Generation unserer Großeltern war das einfach gang und gäbe. Es gab in jeder Familie einen Onkel, der ein großartiger Sänger war, oder eine Tante, die Klavier spielte. Die selbst gemachte Musik war damals einfach so präsent, weil das Fernsehen noch nicht so verbreitet war. Es gab noch nicht so viel anderweitiges Entertainment und die Musik, die im eigenen Wohnzimmer entstand, kompensierte das. Diese Tradition blieb in meiner Generation erhalten und hat mich und meinen Bruder sehr geprägt."

    Wie innig das Verhältnis mit der Mutter gewesen sein muss, merkt man besonders bei einem Stück auf dem Album. Das Klavier schleicht sich vorsichtig heran, Wainwright singt die ersten Zeilen und traurige Streicher erzeugen eine bedrückende Stimmung. Aus diesem Song stammt auch die Zeile "Come Home To Mama", die für den Albumtitel herhalten musste.

    "Es ist eine Zeile aus dem Stück "Proserpina" vom neuen Album. Es ist das letzte Stück, das meine Mutter vor ihrem Tod geschrieben hat. Meine Mutter hat mir dieses Stück vorgesungen, als bereits klar war, dass sie sterben würde, was es für mich zu einem sehr bedeutungsschweren Song macht."

    Martha Wainwright schenkt dem Hörer mit "Come Home To Mama" einen tiefen und intimen Einblick in ihre Seele voller Schmerz und Angst. Doch das Album schafft es trotz seiner Verzweiflung, dennoch Zuversicht zu erzeugen. Denn es spendet Trost und erkennt: Auch nach einem Tod beginnt neues Leben. Sei es das ihres Kindes oder ihre eigenes.

    "Die Krankheit Krebs ist nun mal zu einem gewissen Grad erblich, was meine Einstellung zum Thema Zeit verändert hat. Die Zeit vergeht heute schneller. Ich habe keine Angst davor, zu sterben. Ich habe vielleicht ein wenig mehr Angst als früher, aber diese Angst lähmt mich nicht. Nichtsdestotrotz hat man das Ende einfach klarer vor Augen, wenn man älter wird."