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Forderung der Bildungsgewerkschaft
Mehr Geld für mehr Qualität an Hochschulen

Überfüllte Hörsäle, veraltete Technik, wechselnde Lehrkräfte: Der Hochschulpakt hat zwar für mehr Studienplätze gesorgt, aber nicht für mehr Qualität. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) will die Situation für die Studierenden verbessern - und fordert eine Aufstockung der Gelder.

Von Anja Nehls | 08.11.2018
    Blick in einen Hörsaal voller Studenten: Erstsemester-Begrüßung an der Universität zu Köln
    Überfüllte Hörsäle und damit schlechte Betreuungsquoten sind ein häufiger Grund für einen Studienabbruch. (picture alliance / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt)
    Über eine halbe Millionen Studienanfänger kommen derzeit pro Jahr neu an die Hochschulen. Als der Hochschulpakt startete, waren es gerade mal 350.000. Dass das Geld aus dem Hochschulpakt für mehr Studienplätze gesorgt hat, findet Andreas Keller von der GEW zwar gut, aber:
    "Was in der Tat ein bisschen auf der Strecke geblieben ist aus Sicht der GEW ist die Qualität. Das heißt, die Hochschulen wurden ausgebaut, aber auf Kosten auch von Betreuungsrelationen, die sich verschlechtert haben. Heute kommen auf einen Professor oder eine Professorin über 60 Studierende an den Universitäten und in vielen Fächern, etwa in den Sozialwissenschaften, sind es über 90. Das sind Relationen, die keine qualitativ hochwertige Lehre erlauben."
    Kaum Planungssicherheit für Hochschulen
    Studienanfänger sitzen also oft in überfüllten Hörsälen und brechen ihr Studium immer häufiger ab, weil sie nicht ausreichend betreut werden können. Das liege nicht nur daran, dass es nicht genug Lehrpersonal gebe, sondern auch daran, dass immer mehr nur mit sehr kurzen Vertragslaufzeiten beschäftigt würden. Darunter leiden dann nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Studierenden, sagen Isabell Schön und Jan Cloppenburg vom FZS, dem freien Zusammenschluss der Student*innenschaften. Sie wünschen sich, dass der Hochschulpakt verstetigt, also über das Jahr 2020 hinaus unbefristet fortgeführt wird, damit die Hochschulen Planungssicherheit haben:
    "Wenn am Ende des Semesters eine Hausarbeit abgeben möchte und die Lehrenden entweder die Frist total kurz setzen oder gar nicht wissen, ob sie sie noch korrigieren werden, weil sie nicht mehr angestellt sein werden. Also wenn man nicht besteht, hat man keine Chance, das bei der gleichen Lehrperson nochmal zu wiederholen. Und vielleicht würden die Hochschulen gerne auch mal in ihre Infrastruktur investieren, also in Räume, größere Räume, funktionierende Technik und so weiter."
    Für Ralf Streibl von der Uni Bremen ist wichtig, dass die Gelder aus dem Hochschulpakt künftig nicht mit Auflagen oder Wettbewerben verknüpft oder an die Definition bestimmter Projekte gebunden werden. Nur durch eine bessere Grundfinanzierung ließen sich dauerhafte Verbesserungen für das Personal erreichen:
    "Wenn die Mittel verstetigt würden, dann hätten die Hochschulen keine Argumente mehr, solche Stellen als befristete Stellen zu besetzen, sie müssten das als Dauerstellen besetzen und ich glaube schon, dass das eine massive Verbesserung bringen würde, sowohl der Qualität der Lehre, als auch der Organisation."
    Die bisherigen Mittel reichen nicht aus
    Knapp zwei Milliarden Euro gibt es pro Jahr aus dem Hochschulpakt vom Bund, nochmal ungefähr genauso viel von den Ländern. Dieses Geld einfach weiter zu zahlen reiche allerdings auch nicht aus, sagt Andreas Keller von der GEW. Der Hochschulpakt müsse aufgestockt werden, meint er:

    "Im Moment wird pro Studienplatz 26.000 Euro bereitgestellt. Das statistische Bundesamt sagt, dass man eigentlich über 50.000 Euro braucht, um einen Studierenden bis zum Masterabschluss zu führen und deswegen muss hier nachgebessert werden."
    Andreas Keller wünscht sich, genau wie die Hochschulrektorenkonferenz, eine Dynamisierung der Gelder, beispielsweise der Prozent mehr jedes Jahr, analog der Regelung für den Pakt für Forschung und Innovation, mit der außeruniversitäre Forschung gefördert wird. Darüber hinaus müsse man nachdenken, ob das Geld an die Hochschulen wie bisher einfach nach Anzahl der Studienbeginner verteilt werden solle.
    "Sich nur auf Studienanfänger zu konzentrieren ist problematisch, das führt dazu, dass viele Hochschulen Studienanfänger anwerben und es ihnen dann egal ist, was mit ihnen wird. Sehr viel sinnvoller wäre, dass man die Zahl der Studierenden auch mit in den Blick nimmt oder auch die Zahl der Abschlüsse. So dass die Hochschulen eine Verantwortung dafür übernehmen, die Studierenden auch zum Ziel zu führen."
    Lehramtsstudienplätze dringend benötigt
    Mehr Studienplätze müssten aber weiterhin geschaffen werden. Die Nachfrage werde weiter steigen und über 50 Prozent der Studiengänge seien mit einem Numerus Clausus belegt, meint Keller. Besonders nötig seien mehr Plätze in Lehramtsstudiengängen. In der kommenden Woche will die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern eventuell über den Hochschulpakt beraten und vielleicht erst Weichen stellen.