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Forensische Analytik
Atomwaage erleichtert die Drogenfahndung

Gewebeproben können verraten, wo ein Mensch aufgewachsen ist und wo er sich jüngst aufgehalten hat. Der Schlüssel dazu sind unterschiedlich schwere, aber sonst gleichartige Atome. Jetzt haben Fachleute dieses Verfahren auf die Spitze getrieben und auf eine ganz andere Anwendung ausgeweitet: auf die Drogenfahndung.

Von Hellmuth Nordwig | 07.01.2021
ARCHIV - Eine Mitarbeiterin des Zollfahndungsamtes Dresden hält während der Pressekonferenz zur Vorstellung der Jahresbilanz 2011 des Zollfahndungsamtes Dresden sichergestelltes N-Methylamphetamin (umgangssprachlich abgekürzt Meth oder Crystal) in den Händen, aufgenommen am 27.03.2012. Foto: Arno Burgi/dpa (zu dpa «Mode-Droge Crystal weiter auf dem Vormarsch» vom 17.04.2014) | Verwendung weltweit
Mit der Massenspektrometrie lässt sich die Herkunft von synthetischen Rauschdrogen, wie etwa Crystal Meth, bestimmen (dpa / picture alliance / Arno Burgi)
Am Institut für Analytische Chemie der Technischen Universität München. Ein Roboter zieht eine Spritze mit einer durchsichtigen Flüssigkeit auf. Dutzende Stoffe sind hier vermischt, die zunächst voneinander getrennt werden. Martin Elsner hat diese Probe von einem Gelände geholt, auf dem mehrere Firmen Chemikalien im Boden hinterlassen haben.
"Bei Altlastenstandorten ist häufig die Frage: Wer muss zahlen für die Aufreinigung? Und da kann es sein, dass verschiedene Firmen an einem Standort waren, die ähnliche Lösemittel verwendet haben über die Zeit aus unterschiedlichen Produktchargen."
Verschiedene Chargen derselben Substanz könnten Fachleute normalerweise nicht unterscheiden. Bei Martin Elsner ist das anders, dank eines brandneuen Geräts, das bereits zu aufsehenerregenden Ergebnissen geführt hat. Zum Beispiel konnte das Bundeskriminalamt damit jetzt feststellen, dass fast alle synthetischen Rauschdrogen, die in den Jahren 2014/15 in Europa beschlagnahmt wurden, aus einem einzigen chinesischen Labor stammten.

Natürliche und künstliche Materialien unterscheiden

An der TU München fährt die Probe jetzt voll automatisch in einen weißen Kasten hinein, so groß wie ein Mini-Kühlschrank. Jedes einzelne Isotop in den aufgetrennten Substanzen wird später gewogen.
Isotope sind Varianten ein und desselben Atoms, zum Beispiel Kohlenstoff -12 oder -13. Chemisch verhalten sich die beiden genau gleich, aber sie sind verschieden schwer. Durch Wiegen kann man sie also im Prinzip unterscheiden, sagt Martin Elsner.
"Auch in unserem menschlichen Körper haben wir einen bestimmten Anteil Kohlenstoff-12. Kohlenstoff ist ja das Gerüst für unsere Gewebe, Zucker, alles, was wir im Körper umsetzen. Und ungefähr jedes hundertste Atom ist Kohlenstoff-13. Und das kommt in allen natürlichen und künstlichen, also vom Menschen hergestellten Materialien in einem bestimmten Verhältnis vor, das ungefähr bei einem Prozent liegt, aber etwas darüber oder darunter sein kann."

Dopingkontrolle und Drogenfahndung

Inzwischen ist es möglich, sogar Promille dieser Abweichung zuverlässig zu entdecken. Experten haben dafür ein bekanntes Verfahren an seine technischen Grenzen getrieben: die Massenspektrometrie. Dazu werden Atome oder Moleküle auf eine kurze Flugbahn geschickt. Die schwereren brauchen für dieselbe Strecke etwas länger als die leichteren. Für die Isotopenanalyse sind diese Messgeräte in den letzten Jahren vor allem elektronisch enorm aufgerüstet worden, mit neuen Detektoren und schnelleren Prozessoren. Jetzt können mehr als nur Kohlenstoffisotope in die Analyse einbezogen werden: etwa die von Sauerstoff, Wasserstoff oder Stickstoff. Auch die Dopingfahndung profitiert davon.
"Sodass ich im Dopingfall nachweisen kann, ob ich das Testosteron aus meiner eigenen Körperproduktion habe oder aus dem Dopingmittel", sagt der Toxikologe und Analytiker Hans Maurer. Bis zu seiner Emeritierung war er am Universitätsklinikum des Saarlandes tätig. Wenn wir Testosteron im Körper bilden, bauen wir die Atome genau in dem Gewichtsverhältnis ein, das unsere Nahrung aufweist. Bei einer Substanz, die im Labor hergestellt wird, ist letztlich Erdöl die Quelle - und da sind die Isotopen-Verhältnisse andere. Wie genau sie aussehen, das hängt wiederum davon ab, woher die Ausgangsprodukte stammen, die das Labor verwendet.
"Und so kann man eben sehr elegant nachweisen, wenn zum Beispiel Drogen in Frankfurt, Paris und Amsterdam beschlagnahmt werden, ob die alle aus demselben Labor kommen. Man kann sogar feststellen, von welcher Firma die Vorstufen gekauft worden sind."

Nachweis im Promillebereich

Das neue Gerät hat die Größe einer Waschmaschine - Martin Elsners Team hat es an der TU München gerade erst aufgebaut.
"Ah, hier ist noch Baustelle. Ja, das müssen wir jetzt mal endlich aufräumen."
Wir sind inzwischen im Keller des Instituts. Mit einer normalen Waage hat das hier nichts zu tun. Vor allem sind zwei armdicke Metallrohre zu sehen. Im ersten davon wird ein Stoff aus der Bodenprobe nach dem anderen verbrannt, zu CO2.
"Und das CO2 ist dann einzigartig dazu geeignet, um C-12 und C-13 in der Struktur des Kohlendioxids auszählen zu können und damit diese Isotopenverhältnisse zu bestimmen."
Das passiert in dem anderen Edelstahlrohr, in dem die Flugbahn für die CO2-Moleküle steckt. So unscheinbar es von außen wirkt, innen ist es vollgestopft mit empfindlichster Elektronik. Bei zwei Proben unterscheiden sich die Verhältnisse der Isotopen zwar nur um ein paar Promille. Aber dieser Unterschied kann jetzt zuverlässig genug gemessen werden, um Umwelt- oder Dopingsündern auf die Spur zu kommen.